6. Oktober 2017, 15:03 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Wer sich beim Laufen verletzt, muss teilweise lange Pausen in Kauf nehmen. Welche Verletzungen kommen besonders häufig vor? Wie kann man sich davor schützen? Unser Experte hat den besten Spezialisten Deutschlands für Knie und Fuß getroffen.
Von Mike Kleiß
Dr. Thomas Stock ist seit 2004 Mannschaftsarzt der Kölner Haie. Er hat als Orthopädie quasi jede Verletzung gesehen, die man im Sport haben kann. Thomas Stock operiert selbst, er hat sich auf die Bereiche Knie und Fuß spezialisiert. Aus allen Ländern kommen Menschen zu ihm in die Orthopädie der Mediapark Klinik in Köln. Er hat dafür gesorgt, dass es meinem Meniskus wieder besser geht. Bereits nach zehn Tagen konnte ich wieder vorsichtige zehn Kilometer laufen. Für mich ein Wunder, für Thomas Stock eine große Freude: „Das ist das größte Lob für mich. Wenn mir Menschen signalisieren, dass ich meinen Job gut gemacht habe. Was kann schöner sein? Da geht mir das Herz auf“, sagt er mir im Vorfeld des Gesprächs. Thomas Stock ist Handwerker. Er hat Zimmermannshände, im positiven Sinn. Kraft ist in diesem Beruf erforderlich, denn jeden Tag baut der Haie-Doc neue Hüften und Knie ein. Auf der anderen Seite ist Thomas Stock wohl einer der einfühlsamsten Ärzte, die ich je kennenlernen durfte. Er ist diese Art von Mensch, denen Sie Ihr neugeborenes Kind anvertrauen würden. Ohne auch nur den Hauch von Zweifel. Dieser Mix aus kompetentem Handwerker und geballter Emotionalität und Menschlichkeit macht diesen Doc besonders wertvoll, wenn man ihn braucht.
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Die Problemzonen des Läufers
„Die typischen Laufverletzungen sind recht breit gestreut. Achillessehnenreizungen und Verletzungen, Sehnenreizungen, Stressfrakturen, Ödeme vor allen Dingen im Mittelfußbereich. Sie entstehen durch Überbelastung des Knochens mit Einlagerung von Flüssigkeit. Knieschmerzen, Läuferknie (Runners Knee), mit Reizung der Patellasehne, Schienbeinschmerz, Kapsel- oder Bänderverletzungen. Allerdings gibt es manchmal auch kleine Verletzungen, die unterschätzt werden. Wie zum Beispiel Verletzungen der Nägel oder Blasenbildung. Zunächst nicht schlimm, aber werden sie nicht entsprechend behandelt, kann es zu üblen Folgen kommen“, sagt Thomas Stock. Sein Motto ist recht klar: „Wer lange verletzungsfrei laufen will, der muss seinen Körper pflegen. Und man ignoriert Schmerzen nicht einfach weg. Sondern nimmt sie ernst. Man hört auf die Signale des Körpers. So schützt man sich vor Langzeitverletzungen.“ Und Stock ergänzt: „Diese Verletzungen kommen im Grunde immer wieder recht ähnlich zustande. Falsches Training zum Beispiel durch Überbelastung. Viele wollen sich zu schnell steigern, legen dabei ein komplett falsches Tempo vor. Einige nehmen sich zu schnell zu große Distanzen vor, andere bereiten sich nur ungenügend auf Wettkämpfe vor. Oft wird nicht auf eine ausreichende Regeneration geachtet! Aber diese ‚lohnenden Pausen‘ sind ebenso wichtig wie das gut abgestimmte Training.“
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Darauf müssen Sie unbedingt achten
Wer wirklich fit durchs ganze Leben laufen will, der sollte einige wenige Parameter wirklich berücksichtigen. Thomas Stock lässt keine Zweifel an Dingen, die seiner Meinung nach dringend zu beherzigen sind: „Es beginnt beim Schuhwerk. Falsches oder schlechtes Material ist einfach keine gute Basis. Wer die Warnsignale des Körpers ignoriert, wird sicher kein gesunder Lebensläufer. Bei Schmerzen, Schwellungen, Funktionsstörungen aller Art, Müdigkeit oder gar Fieber sollte man wirklich den Arzt aufsuchen. Und dann vor allen Dingen nicht mehr laufen. Wer alte Verletzungen nicht auskuriert, darf sich nicht wundern, wenn er eines Tages bei mir oder einem Kollegen auf dem OP-Tisch landet.“ Und dabei ist es wirklich nicht schwer stets gesund zu laufen, wenn man sich an die wichtigsten Spielregeln hält. Bereiten Sie sich gut vor. Egal, ob es ein Trainingslauf oder ein Wettkampf ist. Sammeln Sie Erfahrung, nehmen Sie sich eventuell einen Trainer oder arbeiten Sie mit erfahrenen Läufern zusammen. Wer mag, lässt sich einen Trainingsplan erstellen, das Aufwärmen und das Auslaufen und Dehnen nach einem Lauf gehören zum Grundbesteck des Läufers. „Entwickeln Sie aber auch unbedingt ein gutes Körperbewusstsein, eine gute Wahrnehmung von Warnsymptomen ist unheimlich wichtig. Achten Sie auf Regeneration. Lassen Sie sich vom Arzt immer mal wieder untersuchen, nur so werden Risikofaktoren frühzeitig erkannt. Machen Sie eine Laufanalyse, damit Sie Ihre Schwachstellen erkennen und ausgleichen“, rät Thomas Stock.
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Wer viel läuft ist schneller wieder gesund
Je besser man in Form ist, desto besser ist der Heilungsprozess, wenn die Verletzung dann doch mal kommt. Eine These, die logisch klingt, ist sie es denn auch? Oder ist das nur verklärte Laufromantik, oder wollen wir Läufer nur einen Grund für die viele Lauferei finden? „Nein, stimmt aus meiner Sicht. Die Stoffwechselsituation schiebt den Reparationsprozess deutlich an. Das gute Immunsystem und eine gute Ernährung spielen hierbei auch eine wichtige Rolle. Gut Trainierte können ihr Leistungsvermögen besser einschätzen, sie kommen meist auf höherem Trainingsniveau zurück“, bestätigt der Arzt der Kölner Haie. Und in unserer Diskussion kommen wir zu einem Punkt, der leider noch zu oft ein absolutes Tabu-Thema darstellt. Die Psyche. Wer regelmäßig läuft, der wird das Laufen bei einer längeren Verletzung sehr vermissen. Es ist dabei nicht nur die körperliche Betätigung. Das Laufen ist für viele eine Art Reinigung der Seele. Wenn dieser Ausgleich zum Alltag plötzlich fehlt, fehlt auch der Seele etwas. Und hier spielt Thomas Stock seine ganze Erfahrung als Mannschaftsarzt aus, und als Mensch. Stock weiß, er ist sensibel genug um zu wissen, welche Auswirkung eine Verletzung auf die Psyche des Sportlers hat.
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Wenn sich eine Operation nicht vermeiden lässt, ist es nicht nur die Verletzung, die schmerzt. „Oft ist die psychische Belastung wirklich erheblich, und zwar aufgrund von Verlustängsten und zum Teil existentiellem Druck, manchmal auch medial vermittelt. Oft fehlt ein wenig das Vertrauen zum Behandelnden. Es ist eine gewisse Geduld erforderlich, für die ich hier gerne werben möchte. Manchmal gibt es Rückschläge zu verdauen, auch diese Hürden muss man nehmen, sollte das einkalkulieren. Viele Patienten haben Angst vor der Vollnarkose, weil ihnen somit die Eigenkontrolle entzogen wird. Jedenfalls empfinden sie es so. Sie befürchten ‚geistige Kräfte‘ zu verlieren. Ab und an – und das sind leider die Auswirkungen unserer Zeit, auch bedingt durch die sozialen Netzwerke – wird auch zu viel Druck durch die Öffentlichkeit aufgebaut. Weite Teile der Gesellschaft akzeptieren nur einen optimalen Verlauf der Genesung. Das ist Gift für die Seele“, weiß Stock. Was ist aber das Geheimrezept der Profi-Sportler? Wie gehen diese mit sich, ihrem Körper um? Wie sorgen sie für ein seelisches Gleichgewicht? Der, der Haie gesund machen kann, mit seinen vielleicht wichtigsten Hinweis: „Profis gehen sehr sehr verantwortungsbewusst mit ihrem Körper und der Seele um. Sie halten sich peinlichst an die Vorgaben der Trainer und des Arztes. Sie schämen sich nicht, medizinische und psychologische Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Dazu trainieren sie konsequent. Halten sich an Trainingspläne, lassen engmaschige Kontrollen durchführen, ernähren sich gut und gesund…und haben ausreichend Schlaf.“ Wenn Sie all diese Tipps von Thomas Stock beherzigen, werden auch Sie ganz sicher zum „Lebensläufer“.
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Zur Person: Mike Kleiß ist Kolumnist, Buchautor, Laufexperte und Gründer der Kommunikationsagentur Medienhafen Köln. Durch das Laufen nahm er knapp 50 Kilo ab. Er läuft täglich, und mehrmals im Jahr Marathon und Ultramarathon.