27. November 2017, 17:20 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Julia Hawkins ist nicht das, was man sich unter einer Dame ihres Alters vorstellt. Die 101-Jährige – inzwischen auch unter ihrem Spitznamen „Hurricane Hawkins“ bekannt – sprintet die 100 Meter in unter 40 Sekunden. Das ist Rekord! Und besonders bemerkenswert, da sie erst im vergangenen Jahr mit dem Sprinten angefangen hat. Ein strahlendes Beispiel für andere ältere Menschen, die sich nicht mehr auf die Laufstrecke wagen. Oder noch nicht? FITBOOK weiß vom Experten, wie man den schonenden Einstieg schafft.
Bei den National Senior Games in Birmingham (US-Bundesstaat Alabama), einem alljährlichen Sportwettbewerb für Senioren, hinterließ eine Rentnerin aus Baton Rouge (US-Bundesstaats Louisiana) im vergangenen Juni offene Münder. Julia Hawkins lief die 100 Meter-Strecke mit 39,62 Sekunden nicht bloß schneller als sämtliche ihrer Mitstreiterinnen – sie unterschritt damit den bisherigen Weltrekord um sechs Sekunden. Nicht minder beeindruckend: Auf 50 Meter hing sie sogar jüngere Sportlerinnen um die 90 ab. „Die rennt bestimmt schon ihr ganzes Leben“, glauben Sie? Von wegen!
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Hawkins’ Sprint-Karriere begann mit 100
Heute stolze 101-Jahre alt, beschränkte sich ihre körperliche Aktivität bis 2016 auf Radfahren und ihren Haushalt. Und genau das war laut Hawkins ein guter Indikator für ihre Fitness. „Ich wusste, dass ich sprinten kann, weil ich immer im Garten arbeite“, erzählte sie im Interview mit „Runners World“, „und wenn das Telefon klingelt, renne ich rein, um ranzugehen.“
Vor einem Jahr dann machte sie aus ihren guten körperlichen Grundvoraussetzungen ein Hobby, wenige Monate später folgte der erste Wettkampf. Ihre Erfolge brachten ihr den Spitznamen „Hurricane Hawkins“ ein. Damit sei sie auch vollstens zufrieden – „in meinem Alter verbessert man sich nicht mehr“, erklärt sie weiter im Interview – und überanstrengt sich deshalb auch nicht mit exzessivem Training. Täglich ein bisschen Gartenumgraben, eine Runde joggen, das reiche völlig. Ja, ganz offensichtlich.
Doch auch wenn sie an der Konkurrenz scheinbar mühelos vorbeipest – am Ende eines Laufs spürt sie die Anstrengung dann schon. „Ich brauche immer jemanden, der mich auffängt, weil ich nach dem Rennen sehr aus der Puste bin.“ Diesen Job übernehmen dann ihre vier Kinder – die mit zwischen 64 und 71 Jahren übrigens selbst bereits von der rüstigeren Fraktion sind…
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Ist Sport in diesem Alter überhaupt gesund?
Von der blutigen Anfängerin zum Weltrekord im Sprint – ob ein so heftiger Einstieg in die Sportkarriere wirklich gesund sein kann? Speziell im so weit fortgeschrittenen Alter? Das wollte FITBOOK vom Münchener Orthopäden Dr. med. Martin Marianowicz wissen. Und er gibt grünes Licht!
„Ein Jahr reicht aus, um den Körper langsam aufzubauen und zu einem guten Fitness-Level zu bringen“, erklärt er uns. Für Einsteiger jeden Alters sei es wichtig, mit gezielten Kraftübungen das Muskelkostüm zu stärken und begleitend mit sanftem Cardiotraining zu beginnen; und ein alter Irrglaube, mit zunehmendem Alter baue sich die körperliche Leistungs- und Steigerungsfähigkeit automatisch ab, gelte inzwischen als widerlegt. Ältere Menschen sollten jedoch, um sich nicht zu überfordern, ihren Blutdruck kontrollieren. „120 bis 125 Schläge pro Minute sind ideal. Wenn man das sportliche Pensum langsam steigert, ist darauf zu achten, dass der Puls diesen Wert nicht überschreitet.“
Ältere Menschen – ob nun Extrembeispiele wie die 101-jährige Julia Hawkins oder Frauen und Männer um die 70 – brauchten laut Dr. Marianowicz also keine Angst davor haben, ins Training einzusteigen. Im Gegenteil: Sie täten sich damit nur Gutes. „Es gibt keine Pille, keinen Cholesterinsenker, der eine zuverlässigere lebensverlängernde Wirkung hätte als regelmäßiger Sport“, betont der Experte. 30 bis 45 Minuten pro Tag gelten als optimal. Die individuell perfekte Dosis darf aber jeder für sich selbst herausfinden.