27. September 2017, 16:58 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Viele Sportler sehen am Tag vor dem Wettkampf davon ab, mit ihren Partnerinnen oder Partnern intim zu werden, aus Angst, es schwäche die Beinmuskulatur. Andere wiederum glauben, Sex habe positive Auswirkungen auf den Körper und mache leistungsfähiger. Was stimmt wirklich? FITBOOK sprach mit einem Experten.
Spätestens seit dem ersten Teil der „Rocky“-Filme, in der Trainer Mickey seinem Schützling Rocky Balboa intimen Kontakt mit Frauen verbietet, hält sich der Glaube in Sportlerkreisen hartnäckig: Sex schwächt die Beine. Viele Athleten legen sich daher vor Wettkämpfen ein strenges Kuschel-Verbot auf. Es gibt aber auch reichlich Sportler, die es anders sehen – und darunter echte Ikonen ihrer Profession.
Sex und Fußball, ein ewiges Thema
Vor allem im Zusammenhang mit Fußball wird die Frauenfrage immer wieder heiß diskutiert. Vor wichtigen Wettbewerben wie Europa- bzw. Weltmeisterschaften dürfen Spieler nicht immer selbst entscheiden, ob und wann sie mit jemandem schlafen. Mancher Trainer nimmt es gelassen – etwa der Deutsche Berti Vogts, der seine Jungs im Vorfeld der EM 1996 auf der horizontalen Ebene nicht einschränken wollte. Bei der WM 2006 hingegen wurden die Besuchszeiten der Spielerfrauen durch den Deutschen Fußball-Bund offiziell geregelt. Noch strenger ging es im englischen und kroatischen Team zu: Den Spielern war es während der gesamten Wettkampfphase verboten, ihre Partnerinnen zu sehen. Und auch Ex-Bayern Trainer Pep Guardiola hatte strikte Sexregeln für seine Stars. Mittelfeldspieler Samir Nasri erklärte der französischen „L’Equipe“: „Er sagte, dass man an einem freien Tag nur vor Mitternacht Sex haben sollte, denn ein guter Schlaf sei wichtig.“
Auch interessant: Kann jeder so aussehen wie Cristiano Ronaldo?
Ein starker Befürworter des leistungsfördernden Schäferstündchens hingegen war 70er-Jahre-Bayern- und Rekord-Nationaltorhüter Sepp Maier (73). Am liebsten, unmittelbar bevor er das Runde aus dem Eckigen ‘raushalten sollte. „Eine Stunde vor dem Spiel noch mal Sex, das macht schön locker! Zack zack, da geht‘s viel besser,“ so ein berühmtes Zitat aus seinem Mund.
Auch interessant: Stimmt’s? 11 beliebte Trainingsmythen im Check
Ähnliche Erfahrungen will Ronaldo Luís Nazário de Lima gemacht haben. Zu Gast in der Lateshow des spanischen Senders Tele5, bezeichnete die brasilianische Kicker-Legende Sex vor dem Spiel als sein „Erfolgsgeheimnis“. Das Wichtige dabei: Der Mann müsse eine passive Rolle einnehmen, wenn es ihm um eine entspannende Wirkung geht. Denn: „Wenn er zu aktiv ist, verschwendet er Energie, die ihm später fehlt.“
Auch interessant: 7 Wege, Kalorien zu verbrennen – fast ohne es zu merken!
Was sagt der Experte?
FITBOOK wollte es genauer wissen und wandte sich an Dr. Dr. Michael Despeghel, Sportwissenschaftler und Gesundheitsexperte aus Konstanz. Er weiß, dass viele seiner Kollegen bis heute vorm Wettkampf eine 36-stündige Abstinenz empfehlen. Er selbst jedoch hält Sex für die ideale Aufwärmung vorm Wettkampf.
„Bei der sexuellen Stimulation werden verschiedene physiologische Punkte angeregt: die Herzfunktion, Atmungshormone, der Blutdruck und gesamte Muskelturnus“, erklärt Experte Despeghel, „die Ausschüttung von Endorphinen und Glückshormonen wird gesteigert.“ Die Reaktion auf den Körper: Entspannung. Das liege daran, dass dabei der Vagus gereizt wird, einer der Hauptnerven im menschlichen Körper, und das sei gerade vor einem wichtigen Match von hohem Stellenwert.
Das beste Warm-up: den Kopf frei machen!
Wer selig und relaxed in die Laken sinkt, schläft besser – das leuchtet ein. Aber was ist mit Sepp Maiers Angewohnheit, in der Stunde vor dem Spiel noch herumzutoben? Bekommt man(n) dann nicht tatsächlich ‚weiche Knie‘? „Nein, der Zeitpunkt ist egal“, versichert Fachmann Despeghel. Vielmehr würde er Sex als unmittelbare Aufwärmübung sogar empfehlen – insbesondere Menschen, die vor einer sportlichen Herausforderung aufgeregt sind. Druck, Nervosität und sämtliche weitere Unruhefaktoren, die sich im direkten Vorfeld des Wettkampfs verstärken können, werden durch Sex weniger. „Vor allem Männer können nur dann Sex haben, also im wörtlichen Sinn, wenn hemmende Stressfaktoren heruntergegangen sind.“
Auch interessant: 6 Tricks, mit denen Sie sich besser konzentrieren können
Sex hilft sogar, zu regenerieren
Zusammengefasst ist man nach dem Sex besser in der Lage, sich zu konzentrieren und auf den Wettkampf zu fokussieren. Dabei löse er nicht bloß die Verspannung, sondern fördere auch in anderen Körperteilen die Durchblutung. „Wenn erektile Dysfunktionen stimuliert wurden, sind die Muskeln und das gesamte Organsystem leistungsfähiger.“ Darüber hinaus soll der Eiweiß-Ausstoß beim Höhepunkt sogar die Regenerationsfähigkeit unterstützen, die nicht zuletzt durch Stress gestört wäre.
Auch interessant: Mit Ü40 zum Traumkörper – so geht’s, Männer!
Aber was ist nun mit dem Argument, dass Bettsport mal mehr und mal weniger anstrengend sein und entsprechend zu Muskelkater führen kann? Despeghel zumindest hält es für vernachlässigbar. „Der durchschnittliche Sex der Deutschen dauert sieben Minuten“, weiß er aus Erhebungen. Und selbst wenn es mal etwas länger zur Sache gehen sollte. Einen trainierten, fitten Menschen – geschweige denn Leistungssportler – sollte gewöhnlicher Sex nicht umhauen.
„Es kann allenfalls sein, dass extreme Praktiken und akrobatische Stellungen, die man nicht gewohnt ist, zur Dehydrierung führen“, räumt er ein. „Wenn Sie mehrere Stunden lang Sex haben, sollten Sie auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten.“ Ebenso sei das erste Mal mit einem neuen Partner womöglich weniger entspannend als routinierte Turnübungen innerhalb einer jahrelangen Beziehung.
Auch interessant: Hilfe bei Krämpfen? Das bringt Magnesium wirklich für den Körper!
Brasiliens Fußball-Legende Ronaldo offenbart Depression: „Ich bin seit zweieinhalb Jahren in Therapie”
Im FITBOOK-Interview „Game of Thrones“-Star Hafthor Björnsson: »Kein Sex am Tag des Boxkampfes
Dennis Schröder, Leon Draisaitl, … Wie Arne Greskowiak Deutschlands Sport-Stars fit macht
Fazit:
Sportler, die über eine entsprechende körperliche Verfassung verfügen, können mit Sex allenfalls ihre Leistungsfähigkeit steigern. Solche aus dem Amateurbereich sind besser damit beraten, nicht ausgerechnet vor einem wichtigen Match zum ersten Mal Kamasutra auszuprobieren. Ansonsten ist gegen die schönste Nebensache der Welt – auch vorm Wettkampf – nichts einzuwenden.