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In der Box mit Hendrik Senf (22)

So trainiert einer der besten Fitness-Athleten Deutschlands

Anna Echtermeyer
Redakteurin

1. Februar 2019, 12:13 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten

Wer Hendrik Senf zum ersten Mal begegnet, hat das Gefühl, ein Energiefeld zu betreten, so sehr strahlt der 22-Jährige körperliche Präsenz und Kraft aus. Nach Judo und Tischtennis entdeckte er vor fünf Jahren Crossfit für sich und trainiert so unerbittlich, dass er mittlerweile zu den besten des Landes zählt. Das reicht ihm aber noch lange nicht. FITBOOK hat ihn bei seinem spektakulären Workout besucht.

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Ein Berliner Industriegebiet. Die Halle, in der wir verabredet sind, ist etwa so groß wie ein halbes Fußballfeld und ausgelegt mit schwarzen Gummimatten. Es ist kalt und riecht nach Metall und ein bisschen auch nach Schweiß. In unregelmäßigen Abständen wummert der dumpfe Klang niederschmetternder Gewichte durch den Raum. Unweigerlich denkt man jedes Mal das Schlimmste. Wenn da jetzt jemand seinen Fuß drunter hatte… !

Ein ehrliches und energiegeladenes Lachen entreißt den Gedanken: „Hi, ich bin Hendrik!“. Er ist mittelgroß, blond und noch mehr als seine breiten Schultern und der aufrechte Gang fällt sein wacher und gleichzeitig fokussierter Blick auf.

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Senf war 2018 Teil im ersten deutschen Team, dass sich für die CrossFit Regionals qualifiziert hat – der Vorstufe der legendären CrossFit Games: Dem heiligen Gral der CrossFit-Gemeinschaft, die den „Fittest Man on Earth“ und die „Fittest Woman on Earth“ hervorbringt. Zu jenem erlauchten Kreis derer zu gehören, die dort antreten dürfen, ist der Traum eines jeden CrossFit-Athleten. Die Augen des 22-Jährigen leuchten, wenn er darüber spricht.

CrossFit-Athlet Hendrik Senf (22)
Hendrik Senf bei den International World Championships im Oktober 2018 in London. Als bester Deutscher belegte er Platz 13. Foto: HEctor Bermudez

Warum zieht CrossFit so viele in seinen Bann?

Beim CrossFit schafft es nicht der nach ganz oben, der in einer Einzeldisziplin die Nase vorn hat – sondern der, der alles auf einem extrem guten Level in sich vereint. Es geht darum, nicht einzelne Muskelgruppen oder Fitnessaspekte zu trainieren, sondern eine einheitliche Stärkung von Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, Beweglichkeit und Koordination anzustreben. Böse Zungen würden sagen: Letztlich ist es nichts anderes als eine Spielart des Zirkeltrainings – richtig wäre aber, zu ergänzen: mit Zusatzübungen und in vollkommen anderem Rahmen.

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Statt im Studio trainiert man in der Box, in der sich eine kleine Gruppe von bis zu 15 Personen trifft und gemeinsam unter den Augen eines Trainers ein vorgegebenes Programm ausübt. Es besteht aus Warm-up, Mobility-, Skill-(Technik-) und Kraftteil, abgerundet wird die Veranstaltung immer mit dem Workout of the Day (WOD genannt). Warum genau diese Trainingsart eine solche Begeisterung auslöst? Prof. Lars Donath von der Sporthochschule in Köln weiß es: „CrossFit ist sehr kompetitiv“, so der Sportwissenschaftler. „Das entspricht dem Zeitgeist. Die Menschen wollen sich miteinander messen.“

Wie es Senf ganz nach oben schaffen will

Senf kam vor fünf Jahren durch einen USA-Austausch in den Schulferien zu CrossFit. Die Trainingsmethode wurde dort damals schon an Schulen angeboten – während sie in Deutschland noch von einem kleinen Kreis Eingeschworener betrieben wurde. „Mir war klar: Wenn ich jetzt einsteige, habe ich gute Chancen, bald oben mitzumischen“, sagt Senf zu FITBOOK.

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Die harten Trainingspläne schneidert ihm Coach Mike Lee in Arizona (USA) auf den Leib. Lee betreut unter anderem auch Tennil Beuerlein, die fitteste Frau der USA 2017. Sie war dreimal bei den CrossFit Games dabei. Senf studiert derzeit Sportwissenschaften in Berlin und finanziert sich mit Personal Training seinen Lebensunterhalt.

Bisherige Erfolge

„2016
* 2. Platz Belgian Throwdown Junioren
* 3. Platz Herkules Games (im Team)
2017
* 1. Platz Halfwaythere Throwdown
* 1. Platz Beasts of Berlin
2018
* 13. Platz bei den International Functional Fitness World Championships (bester Deutscher)
* Gewinner der Fitness-Bundesliga (mit Team Aorta)
* 2. Platz beim Halfwaythere Throwdown
* Qualifikation für die CrossFit Regionals als erstes deutsches Team“

10 Einheiten à 1,5 bzw. 3,5 Stunden – pro Woche

FITportrait: Crossfitter Hendrik Senf
Ursprünglich für Turner gedacht, hat auch CrossFit die Ringe im Repertoire. Das Training kostet extrem viel Kraft und benötigt sehr gute koordinative Fähigkeiten. Foto: FITBOOK

An diesem Montagvormittag steht für den 22-Jährigen ein klassisches Training auf dem Programm: Eine dreieinhalb Stunden dauernde, hochintensive, komplexe Abfolge bestehend aus auf Zeit ausgeübten Turnübungen, Gewichtetraining und Eigengewichtsübungen. Für jeden halbwegs fitten Hobbysportler unbezwingbar. Für Senf, der aktuell zu den stärksten deutschen Fitness-Athleten zählt, eine von zehn Einheiten pro Woche.

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Trainingsablauf im Video

Wie pusht er sich zu solchen Leistungen? Nach dem ersten Drittel setzt er sich hin, taucht die Hände in einen verbeulten Eimer, reibt die Hände mit Chalk (Magnesia) ein und starrt auf den Boden. Das muss der Moment sein, in dem er gedanklich in den Tunnel fährt, um sich zu pushen. „Kann sein, dass ich gleich etwas aggressiv wirke. Mein Trainingscharakter ist ein bisschen anders als der davor.“

CrossFit-Athlet Hendrik Senf beim Stoßen
Im Krafttrainings-Teil stößt Senf locker 95 Kilo vom Boden – sein Limit liegt aktuell bei 145 Kilo. Der 22-Jährige wiegt 80 Kilogramm. Foto: FITBOOK

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Wie ein Uhrwerk, das einmal aufgezogen wurde und kein Halten mehr kennt, packt er die Langhantel, legt sich nacheinander 85, 90, 95 und zuletzt 100 Kilo auf, reißt und stemmt das Gewicht ein ums andere Mal in die Luft. Eine Stunde später beendet Senf sein Training mit den Worten: „Das war der ruhige Teil, bis ans Limit geht’s heute Nachmittag beim zweiten Training.“ Ja nee, is klar… ! Den spektakulären Trainingsablauf sehen Sie im Video.

Das CrossFit-Universum: Es ist kompliziert

CrossFit entstand in den 80er-Jahren als Trainingsprogramm für Feuerwehrleute und Militärs, die schnell fit gemacht werden sollten. Später meldete der Erfinder, Greg Glassmann, das Patent an und kam auf die Idee, mit dem Unternehmen einen Wettkampf zu veranstalten: 2007 fanden die ersten CrossFit Games (in Aromas/Kalifornien) statt. Der Grundstein einer weltweiten Bewegung war gelegt.

Wie kommt ein Athlet zu den CrossFit Games?

In den folgenden Jahren professionalisierte sich die Weltmeisterschaft. Man schaltete zwei Vorstufen für potenzielle Teilnehmer: Die CrossFit Regionals (richten sich nach Dichte der Boxen und Leistungsniveau in einem Land) und die CrossFit Games Open (ein relativ ungenaues, weil schwer zu kontrollierendes Online-Ranking, das direkt aus den einzelnen CrossFit-Boxen heraus gefüttert wird).

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Mittlerweile gibt es unzählige Wettkämpfe solcher Art mit unterschiedlichem Niveau, die „CrossFit“ jedoch nicht im Namen führen dürfen. Beispielsweise die Functional World Championships in London, bei denen Senf 2018 als bester Deutscher Platz 13 belegte. Der Wettkampf wurde vom ersten Gewinner der CrossFit Games, James Fitzgerald, gegründet und hat das Ziel, olympisch zu werden.

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Ende 2018 wurden die Regionals abgeschafft und jedem Land zugesichert, dass es mit einen Athleten bei den Games vertreten ist. Die Qualifikation hierfür läuft – zusätzlich zu den CrossFit Open – über 16 weltweite, fremde Wettkampf-Veranstaltungen, die ab sofort die Marke CrossFit im Namen tragen dürfen. Dass mehrere Deutsche in absehbarer Zeit diese Hürde packen, gilt als extrem unwahrscheinlich. Senf will 2020 bei den CrossFit Open angreifen und dort sein Ticket für die Games lösen.

Ist die Kritik an CrossFit berechtigt?

CrossFit motiviert, ist abwechslungsreich und macht fit, das bestreitet wohl keiner. Doch einigen Kritikpunkten muss sich die CrossFit-Bewegung immer wieder stellen: Die Verletzungsgefahr ist laut Kritikern hoch – nicht zuletzt, weil der Wettbewerb untereinander Überanstrengung fördert. Und: Die Trainer sind oft unzureichend ausgebildet, wie uns auch Senf bestätigt. Es liegt daran, dass der Lizenzgeber dafür nicht ausreichende Fachkenntnis verlangt. Die Lizenz darf erwerben, wer einen zweitägigen Kurs macht und anschließend über das Level-1-Zertifikat des Mutterunternehmens in Santa Cruz (USA) verfügt.

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Darüber hinaus animiert CrossFit zu sehr zu hochintensiven Belastungen. Lässt die Kraft aber nach, und das ist unweigerlich der Fall, verschlechtere sich die Technik der Übungsausführung. Dann steigt die Verletzungsgefahr. Beim Training mit schweren Gewichten ist das besonders gefährlich. Man könnte jetzt entgegnen, dass, wer überanstrengt ist, immer pausieren kann – doch wenn man so gepusht ist von der lauten Musik und der Gruppendynamik, ist das sicher bei den meisten nicht der Fall.

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Darauf sollten Sie bei der Wahl der CrossFit-Box achten

Sie sind kein blutiger Sportanfänger, haben keine körperlichen Einschränkungen und ihr Interesse an CrossFit ist geweckt? Dann probieren Sie es aus! Mittlerweile gibt es in beinahe jeder Stadt CrossFit-Boxen. Die meisten von ihnen bieten ein kostenloses oder vergünstigtes Probetraining an. Die Kosten für eine spätere Kursteilnahme liegen durchschnittlich zwischen 100 und 140 Euro im Monat. Wichtig ist, dass Sie sich über die professionelle Ausbildung der Trainer zu vergewissern und idealerweise vorher beim Arzt ihre Sporttauglichkeit checken zu lassen. Nur so kann ein maximaler Trainingserfolg ohne Verletzungen garantiert werden. Optimal ergänzt wird CrossFit übrigens durch moderates Ausdauertraining – im Verhältnis 1:3.

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Themen Muskelaufbau und Krafttraining
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