1. Mai 2020, 14:53 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Das Medikament Remdesivir des US-Konzerns Gilead gilt als Hoffnungsträger in der Coronavirus-Pandemie. Es könnte die Standardtherapie gegen COVID-19 werden, hofft etwa die Weltgesundheitsorganisation (WHO). In diesem Sinne könnten erste positive Ergebnisse einer US-amerikanischen Regierungsstudie weiterhin optimistisch stimmen. Andere Fachleute hingegen mahnen zur Zurückhaltung.
Remdesivir wurde ursprünglich zur Behandlung von Ebola entwickelt, erzielte dabei aber nicht die beabsichtigte Wirkung. In Laborexperimenten zeigte sich, dass das Coronavirus darauf anschlägt – FITBOOK berichtete.
Ebola-Mittel gegen COVID-19
Für die Behandlung einer durch das Coronavirus ausgelösten COVID-19-Erkrankung ist Remdesivir noch nicht offiziell zugelassen. An verschiedenen Universitäten laufen jedoch Studien mit Patienten, die sich inzwischen als vielversprechend zu erweisen scheinen.
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Allein am Mittwoch wurden drei Untersuchungen zu Remdesivir gegen COVID-19 vorgestellt: eine des US-amerikanisches Forschungszentrums National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID), eine des Unternehmens Gilead selbst und eine aus China.
Vielversprechende Ergebnisse in NIAID-Studie
Zu Ersterer äußerte sich Dr. Anthony Fauci, Leiter des NIAID, in einer Pressekonferenz. Ethische Fragen hätten ihn zu dem ungewöhnlichen Schritt bewogen, schon vor der Veröffentlichung in wissenschaftlichen Fachzeitschriften über die Studienergebnisse zu sprechen. Er wolle sicherstellen, dass mehr Patienten das Mittel bekämen.
Die vorläufigen Ergebnisse deuten darauf hin, dass Patienten mit COVID-19 und Komplikationen an der Lunge in Krankenhäusern bei einer Behandlung mit Remdesivir um 31 Prozent schneller entlassen werden konnten als die Studienteilnehmer, die lediglich ein Placebo erhielten. An der Untersuchung nahmen insgesamt 1063 Menschen teil. Weiterhin sollen die Daten zeigen, dass die Überlebenswahrscheinlichkeit durch das antivirale Mittel steigen, auch wenn dieser Einfluss statistisch nicht signifikant ist. Die endgültigen Daten werden allerdings wohl erst im Laufe des kommenden Monats vorgelegt.
Gilead-Untersuchung und richtige Dosierung
Gilead ging der Frage nach, wie lange Patienten mit Remdesivir behandelt werden müssen. Dabei habe sich herausgestellt, dass bei schweren Fällen von COVID-19 fünf Tagesdosen Remdesivir genauso gut wirkten wie zehn Tagesdosen. Nach zwei Wochen hätten mehr als die Hälfte der Patienten das Krankenhaus verlassen. Sollte das Medikament letztlich zugelassen werden, könnte das die Kosten der Behandlung senken und die verfügbare Menge erhöhen.
Zudem deuteten die Ergebnisse der Studie darauf hin, dass auch der Zeitpunkt des Therapieeinsatzes von Bedeutung ist. Patienten, die kurz nach Beginn ihrer COVID-19-Erkrankung mit Remdesivir behandelt wurden, seien eher entlassen worden als diejenigen, die das Mittel erst später bekamen.
Allerdings wurde die Studie ohne Kontrollgruppe durchgeführt. Deswegen ist unklar, ob es den Studienteilnehmern besser ging als den an COVID-19 Erkrankten, die kein Remdesivir erhielten.
Keine Behandlungserfolge mit Remdesivir in China
Ernüchternde Ergebnisse kommen dagegen aus China: In Wuhan, wo die Pandemie ihren Ausgangspunkt hat, erholten sich die 158 Patienten, die Remdesivir gegen COVID-19 erhielten, nicht schneller als die 79 Erkrankten in der Kontrollgruppe. Das Medikament reduzierte zudem weder die Virenbelastung im Körper noch die Gefahr, an der Lungenkrankheit zu sterben.
Allerdings ist das Coronavirus in Wuhan inzwischen unter Kontrolle, seit Wochen infizieren sich kaum noch Menschen mit dem Virus. Forscher haben daher Schwierigkeiten, ausreichend Teilnehmer mit COVID-19 für ihre Studien zu rekrutieren. Heißt: Die Ergebnisse zur Wirksamkeit von Remdesivir sind statistisch nicht beweiskräftig. Allerdings muss man dazu sagen, dass die chinesische Untersuchung vor der Veröffentlichung im Medizinjournal „The Lancet“ von anderen Wissenschaftlern geprüft worden war – anders als die Ergebnisse der beiden anderen Studien.
WHO hat Remdesivir seit Februar im Auge
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hatte bereits im Februar Remdesivir als das aussichtsreichste Medikament im Kampf gegen das Coronavirus bezeichnet, weltweit laufen zahlreiche Studien. In den vergangenen Tagen wurden mehrfach vorläufige Daten aus den USA vorgelegt, wonach das Mittel nicht nur im Labor, sondern auch in der Praxis wirkt. Allerdings wurden dabei jeweils nur wenige Patienten behandelt, und Wissenschaftler warnten davor, allzu weitreichende Schlüsse zu ziehen.
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Suche nach Corona-Mittel läuft weiter
Fachleute mahnen zur Zurückhaltung. Eric Topol, Direktor und Gründer des Forschungsinstituts Scripps Research Translational Institute, verwies darauf, dass Remdesivir nur bescheidene Ergebnisse gegen COVID-19 gezeigt habe. „Es wurde mit einem überwältigenden Effekt gerechnet. Das hat es eindeutig nicht.“
Auch Fauci sagte, die Suche nach einem Corona-Mittel sei nicht beendet. Er verglich die Studienergebnisse mit den ersten Erfolgen im Kampf gegen HIV: Auch damals sei das Medikament ATZ nicht perfekt gewesen, aber ein erster Schritt. „Ähnlich wie ATZ ist Remdesivir der erste Tippelschritt hin zu einer hoffentlich größeren Zahl besserer Medikamente, die wir zur Behandlung von COVID-19 haben werden.“