3. Juli 2020, 17:36 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Bei den Olympischen Spielen in London 2012 zählte Kunstturner Philipp Boy zu den Medaillen-Favoriten. Doch der Traum platzte nach mehreren Verletzungen – und eigentlich wollte er ab diesem Zeitpunkt absolut nichts mehr mit Sport zu tun haben. Zum Glück kam es vollkommen anders.
Turn-Weltcup in Stuttgart im November 2011. Philipp Boy spult am Reck seine Übung ab, meistert die schwierigsten Elemente. Dann der Sturz – er verliert den Griff an der Stange, rutscht ab und staucht mit voller Wucht in die Matte. Es ist einer der Momente, den Sportler wohl nie im Leben wieder vergessen werden.
Kunstturner Philipp Boy, geboren und aufgewachsen in Schwedt an der Oder, zählte bei den Olympischen Spielen in London 2012 zu den Medaillen-Favoriten in der Königsdisziplin Mehrkampf (Boden, Pferd, Ringe, Sprung, Barren, Reck). Diese erarbeitete er sich durch kontinuierliche Erfolge in den Jahren zuvor: 2010 Vize-Weltmeister in Rotterdam, 2011 erneut Vize-Weltmeister in Tokio und Europameister beim Heimspiel in Berlin. Es war angerichtet! Doch dann der Sturz in Stuttgart und seine Auswirkungen. Weitere körperliche Probleme folgten.
Er habe unglaublich Glück gehabt, sagt Philipp Boy später in einem Interview im „rbb“. Die körperlichen Folgen seines Sturzes: Schmerzen im Rücken, Probleme mit Handgelenk und Schlüsselbein. Fast schon Alltag im Leben eines Turners. Bei Übungen am Reck wirken Kräfte von bis zum Achtfachen des Körpergewichts auf die Athleten. Stürze können da auch anders enden. „In diesem Moment habe ich angefangen, über das Turnen nachzudenken“, sagt Boy damals.
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Mit seinen körperlichen Handicaps und permanenten Schmerzen ging es in der Olympiavorbereitung 2012. Auch mentale Folgen durch den Sturz waren präsent. Boy arbeitete hart daran, die Blockade im Kopf bei Flugelementen am Reck zu überwinden. Der Traum von der Olympia-Medaille trieb ihn weiter an. Jedenfalls bis zu jenem bitteren Tag in London: Erster olympischer Wettkampftag, erstes Gerät: der Sprung. Boy zeigt ein Element, dass er normalerweise sicher steht und verletzt sich den Knöchel bei der Landung! Mehrkampf gelaufen, Medaille weg, Spiele vorbei! Wie groß und dunkel das Loch sein muss, in das Philipp Boy damals gefallen sein muss, kann wohl nur jemand erahnen, der ähnliches erlebt hat.
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Nach dem Karriereende wollte Boy eigentlich nichts mehr mit Sport zu tun haben
Sprach er deswegen unmittelbar nach Olympia vom Rücktritt vom Turnen? War es Wut und Enttäuschung, die ihn zu dieser Entscheidung im ersten Moment trieben? Nein. Sobald Boy fortan die Turnhalle betrat, war da diese generelle Antriebslosigkeit, das Feuer war weg. Vier weitere Jahre hartes Training mit viel Verzicht und Schmerzen – das wollte Philipp Boy nicht mehr. Er wollte etwas anderes kennenlernen, ohne dass der Sport sein Leben weiterbestimmt. Am 1. Dezember 2012 verkündete er sein Karriere-Ende.
Ende 2019 wieder eine Wende in seinem Leben
Ab diesem Zeitpunkt wollte Philipp Boy eigentlich absolut nichts mehr mit Sport zu tun haben – und nichts mit Medien. Der gelernte Versicherungskaufmann sattelte ins Finanzwesen um, arbeitet als Berater im eigenen Büro. Seit sieben Jahren lebt der heute 32-Jährige in Berlin und hat inzwischen seine langjährige Freundin geheiratet. 2013 kam Tochter Ophilia auf die Welt. In Cottbus, wo er seit seiner Zeit an der Sportschule und als Turner des SC lebte, gehört ihm ein Restaurant. Ende 2019 wieder eine Wende in seinem Leben. Ausgerechnet durch eine TV-Show fand er wieder zurück zum Sport. Nachdem er jahrelang konsequent Anfragen von den Medien ablehnte, kam 2016 das Angebot von „Dance, Dance, Dance“ (RTL). Boy war schnell Feuer und Flamme, sah darin die sportliche Herausforderung, die er gerne annehmen würde. Am Ende triumphierte er bei der Staffel sogar zusammen mit Freeskier Benedikt Mayr.
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Von „Dance, Dance, Dance“ bis „Ninja Warrior“
Es war der Auftakt zu Philipp Boys neuem Faible, durch die TV-Shows Deutschland zu tanzen, zu turnen, zu hangeln oder zu rennen: Hauptsache ein cooles Format, Hauptsache Sport, Hauptsache eine Challenge – so das Credo des Ex-Turnstars, der einst als erster Deutscher zum „elegantesten Turner“ einer Weltmeisterschaft gekürt wurde (2010 in Rotterdam). Es folgten mehrere Auftritte bei „Ninja Warrior Germany“ (2017,2018, 2019). Beim Promi-Special und in der normalen Staffel geht es darum, einen Vielseitigkeitsparcours zu überwinden und den „Mount Midoriyama“ zu erklimmen – auch für den ehrgeizigen Boy keine leichte Aufgabe. Doch sein turnerisches Bewegungstalent ist natürlich ein Vorteil. Bei den „Ewigen Helden“ 2018 (hier messen sich ehemalige Sportlegenden in Wettkämpfen) wurde Boy Zweiter . Auch beim Winterspecial 2018 von „Ewige Helden“ und bei „Catch! Die Deutsche Meisterschaft im Fangen“ 2019 war er am Start.
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Heute gibt er sein Wissen an Sportbegeisterte weiter
Doch auch abseits der Showbühne hat der Sport wieder einen festen Platz in Philipp Boys Leben. In Berlin hat er mit B-Parts Sport ein Fitness-Projekt gestartet. Auf dem Outdoor-Trainingspark, der kostenfrei zugänglich ist, gibt er in Kursen sein Wissen aus jahrelangem Profi-Alltag an alle Sportbegeisterten weiter. Während der Coronakrise stellte Boy für alle, die auf der Suche nach Inspiration für Bewegung mit ihren Kindern sind, ein Workout-Video für das Training mit den Kleinen online. In der Hauptrolle seine eigene Tochter. Damit wolle er unterstützen, den natürlichen Bewegungsdrang der Kinder in richtige Bahnen zu leiten, so Boy.
Die kindliche Freude und den Bewegungsdrang scheint auch der 32-Jährige wieder gefunden zu haben. Es scheint, als habe er Frieden mit seinem „ersten Leben“ gemacht. Das Feuer seiner alten Leidenschaft, dem Sport, ist neu entfacht. Nur eben nicht gemäß des alten Turner-Mottos „Turne, turne, turne – von der Wiege bis zur Urne“.