16. September 2019, 11:03 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Eine der psychisch belastenden Nebenwirkungen bei einer Chemotherapie ist für viele Krebspatienten der Haarverlust. Das Ergebnis einer aktuellen Studie lässt nun hoffen, dass der therapiebedingte Haarausfall zukünftig vermieden und schon geschädigte Haarfollikel wieder regeneriert werden können. FITBOOK erklärt die neue medizinische Methode!
Ein Forscherteam um Dr. Talveen Purba von der University of Manchester hat untersucht, wie Haarausfall verhindert werden kann, der während einer Chemotherapie auftritt. Das Ergebnis der Studie wurde jetzt im Fachmagazin „EMBO Molecular Medicine“ veröffentlicht. Demnach ist es den Wissenschaftlern gelungen, eine Strategie gegen den Haarverlust zu entwickeln.
Haarausfall durch Krebsmedikamente
Bestimmte Krebsmedikamente, sogenannte Taxane, schädigen beim Patienten die Haarfollikel. Das sind winzige Einstülpungen der Haut, in denen sich die Haarwurzeln bilden. Wie die Forscher herausfanden, kann der Einsatz einer neueren Wirkstoffklasse mit der Bezeichnung „CDK4/6 Inhibitoren“ das Ausfallen der Haare verhindern. Der Wirkstoff stoppt die Zellteilung und ist schon für die sogenannte „gezielte“ Krebstherapie zugelassen.
Studienleiter Dr. Talveen Purba erklärt: „Es erscheint zunächst widersprüchlich, aber wir stellten fest, dass CDK4/6 Inhibitoren vorübergehend eingesetzt werden können, um die Zellteilung zu stoppen, ohne dass dadurch zusätzliche toxische Effekte im Haarfollikel gefördert werden.“
Wie fanden die Forscher die Wirkung der Inhibitoren heraus?
Die Wissenschaftler an der Universität von Manchester tränkten menschliche Haar-Follikel in einer Lösung mit CDK4/6 Inhibitoren. Die Follikel seien daraufhin weniger anfällig für Schädigungen durch Taxane gewesen. Taxane seien laut Purba aber weiterhin notwendige Medikamente im Kampf gegen Krebs. Diese werden beispielsweise zur Behandlung von Brust- oder Lungenkrebs eingesetzt. Gerade Brustkrebs-Patientinnen entwickelten jedoch Ängste vor dem manchmal lang anhaltendem Haarausfall. Purba betont in diesem Zusammenhang, dass in den USA derzeit eine Klagewelle gegen den Pharma-Riesen Sanofi anrolle. Das Unternehmen habe nicht vor den Risiken von dauerhaften Haarausfall gewarnt, der durch die Behandlung mit dem Taxan „Taxotere“ auftreten könnte.
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Stammzellen müssen geschützt werden
Die Forscher fanden heraus, dass die spezialisierten Teilungszellen an der Basis des Haar-Follikels für die eigentliche Haarproduktion entscheidend seien. Und die Stammzellen, aus denen sie entstünden, seien am anfälligsten für Taxane. „Aus diesem Grund müssen wir diese Zellen am meisten vor unerwünschten Nebenwirkungen durch die Chemotherapie schützen – allerdings so, dass der Krebs davon nicht profitiert“, sagt Studienleiter Purba.
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Welche Strategie bietet die Studie, um Haarausfall zu stoppen?
Es gibt bereits medizinische Maßnahmen gegen die gefürchtete Nebenwirkung der Chemotherapie: Der medikamentös bedingte Haarausfall kann durch Kühlung der Kopfhaut behandelt werden. Das Forscherteam hofft nun, dass die Ergebnisse der Studie zur Entwicklung neuer Medikamente beitragen. Diese könnten zusätzlich zum Einsatz der sogenannten Kühlhauben den Haarschaden bei Krebspatienten mildern. Die Medikamente wirkten, indem sie die Zellteilung in den Haar-Follikeln in der Kopfhaut der Patienten verlangsamten oder kurzzeitig aussetzten.
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Es muss noch weiter geforscht werden
Taxane werden seit Langem in der Krebstherapie eingesetzt. Und seit Langem sei auch bekannt, wie sehr diese die Haare der Patienten schädigten. Auch wenn die Forscher mit dieser Studie das Rätsel um den medikamentös bedingten Haarausfall ein Stück weit lüften konnten, sie kratzten laut Purba noch immer an der Oberfläche. „Wir wissen nicht, weshalb einige Patienten einen stärkeren Haarausfall haben als andere, obwohl alle dieselbe Medikation in der gleichen Dosierung erhalten. Und warum es so ist, dass bestimmte Chemotherapien und Kombinationen der Medikamente schlechtere Ergebnisse haben als andere.“