17. Januar 2024, 14:14 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Long-Covid hat viele Symptome. Zu den häufigsten zählen unter anderem Geruchs- und Geschmacksverlust, Unwohlsein nach körperlicher Anstrengung und chronischer Husten. Forscher haben nun eine weitere Spätfolge einer Corona-Infektion aufgedeckt.
Weltweit haben etwa 65 Millionen Menschen, die an Covid erkrankt waren, mit einer Folgeerkrankung zu kämpfen. Etwa 50 Prozent der Long-Covid-Patienten erfüllen mit ihren Symptomen auch die Kriterien für die Diagnose einer sogenannten myalgischen Enzephalomyelitis (ME).1 Dabei handelt es sich um eine Neuroimmunerkrankung, die durch Energiemangel, Muskelschwäche und -schmerzen, kognitive Dysfunktion sowie Dysautonomie gekennzeichnet ist. Man spricht auch vom chronischen Fatigue-Syndrom. Was diese Erkrankung mit einer veränderten Struktur der Muskeln bei Long-Covid-Betroffenen zu tun hat, erfahren Sie hier.
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Übersicht
Das Hauptmerkmal einer ME
Eine ME ist durch eine „Post-Exertional Malaise“ (PEM) gekennzeichnet. Dieses Leitsymptom beschreibt eine Verschlechterung der ME-Symptomatik, die entweder unmittelbar nach einer ausgeführten Aktivität oder mit einer Latenz von ca. 12 bis 48 Stunden auftritt. Ausgelöst werden kann die Belastungsintoleranz durch jede Form von Anstrengung – sei es körperlich, kognitiv oder emotional. Es kann Tage oder Wochen dauern, bis PEM nachlässt. Auch eine dauerhafte Verschlechterung des Zustandes des Patienten ist möglich. Betroffene beschreiben PEM „als hätte man zugleich eine Grippe, einen Kater und einen Jetlag“.2
Obwohl PEM Betroffene stark beeinträchtigt, ist es bisher das am wenigsten aufgeschlüsselte Merkmal von ME und Long-Covid. Neue Forschungsergebnisse geben jedoch Aufschluss, warum insbesondere körperliche Aktivität Long-Covid-Symptome verschlimmert: Eine Studie fand heraus, dass Menschen mit Long-Covid Veränderungen in der Struktur ihrer Muskeln aufweisen.
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Studie entdeckt Veränderungen der Muskelstruktur durch PEM
Niederländische Wissenschaftler führten eine Fall-Kontroll-Studie durch, um herauszufinden, welcher Mechanismus dafür verantwortlich ist, dass Long-Covid-Symptome durch körperliche Belastung zunehmen.3
Hierfür analysierten die Forscher Muskelbiopsien und Blutproben von 25 Personen mit Long-Covid (Fälle) und 21 Personen, die bereits von einer Corona-Infektion genesen und nicht an Long-Covid erkrankt waren (Kontrolle). Die Teilnehmer in den Gruppen waren zwischen 18 und 65 Jahren alt, der Durchschnitt lag bei 41 Jahren.
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Studie lief zwei Wochen lang
Die Teilnehmenden kamen zu insgesamt vier Untersuchungen in einem Zeitraum von zwei Wochen.
- Tag 1: Blutabnahme im nüchternen Zustand und Muskelbiopsie am Oberschenkel
- Tag 7: 15-minütiger Belastungstest auf dem Fahrrad zur Anregung von PEM
- Tag 8: Blutabnahme im nüchternen Zustand und Muskelbiopsie am Oberschenkel
- Tag 15: Blutabnahme im nüchternen Zustand
Über den gesamten Zeitraum trugen die Probanden einen Schrittzähler und füllten Fragebögen zu ihrer Symptomatik aus.
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Schlechtere Muskelkraft trotz gleicher Anstrengung
Während des Fahrradtests zeigten die Long-Covid-Probanden im Vergleich zur Kontrollgruppe eine schlechtere Muskelkraft und eine geringere Sauerstoffaufnahme – trotz gleicher Anstrengung. Die Analyse der Muskelproben ergab zudem, dass jene mit Long-Covid einen höheren Anteil an weißen Muskelfasern aufwiesen. Diese Muskelfasern kontrahieren sehr schnell und sind für intensive, explosive sowie starke Bewegungen zuständig. Sie sind jedoch schneller ermüdet, da sie über weniger Mitochondrien verfügen (Energieversorger der Zelle).
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Belastung verschlechtert die Leistung der Mitochondrien
Tests an den Mitochondrien der Muskelgewebeproben ergaben, dass eine sportliche Betätigung die mitochondriale Funktion bei den Probanden mit Long-Covid verringerte. Das weist darauf hin, dass ihr Muskelgewebe während des Fahrrad-Belastungstests nicht nur eine verminderte Leistungsfähigkeit aufzeigte, sondern auch Schäden erlitten hatte.
Zusätzlich zeigten Untersuchungen von Molekülen in den Muskel- und Blutproben, dass Long-Covid-Patienten weniger lebenswichtige Moleküle aufweisen, die für die Glykolyse erforderlich sind. Das ist der Prozess, bei welchem Mitochondrien Zellen mit Energie versorgen. Ist die Funktion der Mitochondrien gestört, können die Muskelzellen nicht genügend Energie bereitstellen, um den Bedarf des Körpers bei Belastung zu decken. Dies könnte der Grund sein, warum Menschen mit Long-Covid nach dem Training stärkere Symptome verspüren.
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Offenbar schaden Immunzellen den Mitochondrien
Das Forschungsteam betrachtete weiterhin, welche Immunzellen im Muskelgewebe vorhanden waren. Sie fanden in den Proben von Long-Covid-Patienten vermehrt Immunzellen, die beide bei der Gewebereparatur helfen. Auch bevor die Probanden Sport trieben. Dies weist darauf hin, dass Long-Covid-Erkrankte als Reaktion auf Gewebeschäden lokal aktivierte Immunzellen im Gewebe ihrer Muskeln haben.
Da bekannt ist, dass Mitochondrien nicht nur Entzündungen auslösen können, sondern auch durch diese geschädigt werden können – etwa durch ein überaktives Immunsystem. Entsprechend könnte dies ein weiterer Grund für die Dysfunktionalität der Mitochondrien von Long-Covid-Patienten sein.
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Ausblick
Laut den Autoren der Studie unterstützen die gewonnenen Erkenntnisse bisherige Forschungsergebnisse, die erhebliche Anomalien in der Stoffwechsel-, Muskel- und Immunfunktion von Menschen mit Long-Covid – und damit auch Menschen mit ME – festgestellt haben. Eine mögliche Therapie wäre entsprechend eine gezielte Behandlung der Mitochondrien, um die Symptome von Long-Covid zu mildern.
Quellen