31. Januar 2024, 4:18 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
HIIT ist eine zeitsparende Variante zum klassischen Ausdauertraining. Es verspricht, in kurzer Zeit sowohl Ausdauer als auch Kraft zu trainieren und viele Kalorien zu verbrennen. Aber welche Vor- und Nachteil bringt die beliebte Trainingsmethode? Das wollte FITBOOK von Experten wissen.
Der Reiz von HIIT ist ziemlich einleuchtend. Man verausgabt sich komplett in nur wenigen Minuten und hat am Ende denselben Effekt wie nach einem deutlich längeren Workout. So wirkt die HIIT-Methode wie geschaffen für unseren Zeitgeist, bei dem alles, was wir tun, eigentlich nicht schnell genug gehen kann. Klingt verlockend – auch und vielleicht gerade für Sporteinsteiger, denen der Gedanke an ein langes Training die Lust schon nimmt, bevor es angefangen hat. Doch ist HIIT überhaupt sinnvoll und für Anfänger geeignet? Diese Fragen beantwortet Ihnen FITBOOK.
Übersicht
HIIT bedeutet 100-prozentige Intensität
Ein HIIT-Workout zeichnet sich durch kurze Belastungsphasen mit je 20 bis 300 Sekunden und einer aktiven Erholungsphase aus. Die erstgenannte Phase führt man mit maximaler Belastungsintensität aus, darauf folgt eine kurze Pause, die im Verhältnis zu der Belastungsdauer steht. Insgesamt reichen maximal 30 Minuten eines solchen Trainings aus – einer der größten Vorteile dieser Methode.
Allerdings gibt es verschiedene Workout-Pläne, die sich auf dieses Grundgerüst stützen. So zum Beispiel die Tabata-Methode, bei der man 20 Sekunden intensiv belastet und 10 Sekunden Pause einhält. Das wiederholt man achtmal und kommt damit insgesamt auf ein vierminütiges Training, bei Bedarf, kann der komplette Vorgang aber noch weitere Male ausgeführt werden. Bei der Gibala-Methode führt man 10 x 1 Minute hohe Intensitäten gefolgt von jeweils 60 bis 75 Sekunden Pause aus. Mögliche Belastungen können dabei Sprints, Burpees und Rudern sein.
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Expertenmeinung über HIIT im Zwiespalt
An der Frage, ob das HIIT sinnvoll ist, scheiden sich die Geister. Manche Experten sehen besonders darin den Vorteil, dass man Kraft und Ausdauer in nur kurzer Zeit trainieren soll und sich dadurch positive Effekte auf die Gesundheit ergeben. Diplom-Sportwissenschaftler und Personal Trainer Jörn Giersberg nimmt aber genau das als großen Nachteil wahr, wie er auf FITBOOK-Nachfrage betont: „Aus meiner Sicht ist das HIIT-Training ein Herumspringen ohne systematischen Leistungsaufbau.“
Laut dem Experten powere man sich mit diesem Workout zwar aus, aber ohne, dass man stärker werde oder sich im Cardio-Training verbessere, da die Leistungsspitzen zu hoch ausfielen und die Pausen nicht sinngebend diesbezüglich seien. „Der Muskeleffekt, den man zum Beispiel durch Kraftsport entwickelt, ist auch nicht gegeben, weil dafür wiederum die Intensität zu gering ist. Da ist es sinnvoller, eher Kraftsport mit schweren Gewichten zu machen.“ Generell beobachte er, dass viele das extreme Verausgaben beim HIIT mit einem systematischen Training verwechseln. Wer durch die Workouts vor allem optische Ergebnisse erzielen möchte, sollte Giersberg zufolge nicht auf diese Methode setzen.
Doch nicht immer ist das HIIT ein ungeeignetes Workout. Viele schätzen die gesundheitlichen Effekte wie etwa eine verbesserte Fettverbrennung sowie einen positiven Effekt auf das Herz-Kreislauf-System. In Bezug auf die Ausdauer sieht aber auch Prof. Dr. Billy Sperlich keine Verbesserung, dafür aber in Hinblick auf die Kraftausdauer. „Stattdessen gibt es aber funktionelle Zuwächse. Das heißt, nach mehreren Wochen schafft man wesentlich mehr Wiederholungen von den Kraftausdauer-Übungen als zu Beginn. 30 Sekunden an Wiederholungen reichen aber einfach nicht aus, damit sich das Herzkreislaufsystem anpasst. So führen beispielsweise die beliebten Sieben-Minuten-Workouts zwar dazu, dass man kräftiger wird, aber nicht ausdauernder“, erklärte der Experte seine nicht ganz so kritische Sicht auf HIIT in einem früheren Interview FITBOOK.
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Studie: Wird HIIT als angenehm empfunden?
Doch wie wird das Training hinsichtlich der Intensität wahrgenommen? Das untersuchte eine Studie von 2017: Forscher verglichen das HIIT-Workout mit der MICE-Methode (MICE = moderate-intensity continuous exercise), also eine Intervall- mit einer Ausdauertrainingsform.1 Untersucht wurde, inwieweit die Probanden das Workout währenddessen und direkt im Anschluss als angenehm empfanden. Punktsieger war dabei die MICE-Methode.
Die Studie im Detail: 24 Frauen mit starkem Übergewicht unterzogen sich einem HIIT-Workout. Dieses bestand aus:
- 3 Minuten Aufwärmen
- Viermal 3-Minuten Intervalle auf einem Liegerad bei 115 Prozent ihrer Funktionsleistungsschwelle
- viermal 2-Minuten-Intervalle bei 85 Prozent ihrer Funktionsleistungsschwelle
- 5 Minuten Cool-Down-Phase
Außerdem führten die Probanden noch ein MICE-Workout durch. Das bestand aus einem dreiminütigen Aufwärmen, 25 Minuten auf einem Liegerad bei 90 Prozent ihrer Funktionsleistungsschwelle fahren und einer 5-minütigen Cool-Down-Phase. Gemessen wurde während des Workouts die Feeling Scale (FS) und nach Ende der Cool-Down-Phase die Physical Activity Enjoyment Scale (PACES). In beiden Parametern schnitt die MICE-Methode besser ab.
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HIIT: Zeitersparnis vs. Motivation
Vielerorts wird leidenschaftlich diskutiert, ob die HIIT-Methode einen wichtigen Beitrag zur Volksgesundheit beisteuern könne. Was augenscheinlich für HIIT spricht: In vielen Umfragen gaben Fitnessmuffel an, vor allem aus Zeitmangel keinen Sport zu treiben. Hier könnte HIIT ansetzen, weil man in nur wenigen Trainingsminuten sehr viel Wirkung erzielen kann.
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Ist HIIT für Anfänger geeignet?
Auch bei dieser Frage kommen die Experten nicht auf einen gemeinsamen Nenner, allerdings macht sich eine gewisse Tendenz bemerkbar: Es wird eher davon abgeraten, sich als Einsteiger auf das HIIT zu fokussieren. „Für Anfänger halte ich das HIIT für ungeeignet, da es einfach zu anstrengend ist. Man ist meistens noch nicht in der Lage, sich so auszulasten, vor allem mental ist es eine zu große Herausforderung. Am Anfang finden es die meisten eventuell spannend, weil man denkt, etwas Effektives gemacht zu haben. Nach wenigen Trainingseinheiten nimmt diese Motivation aber bei vielen rasant ab und es entsteht sogar eine richtige Angst davor, sich wieder so zu erschöpfen“, so Jörn Giersberg.
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Auch Dr. Sperlich betont, dass man das HIIT eher als eine Ergänzung sehen sollte. „Für jemanden, der ins Fitnessstudio geht, eine starke Routine mit wiederkehrenden Übungen hat und dann zum Beispiel seine Leistung steigern will, für den ist HIIT erfolgversprechend. Wer aber schon immer Vollgas im Fitnessstudio gibt, da ist dann fraglich, ob er noch zusätzlich HIIT durchführen sollte. Auch bei einem Diabetiker würde ich eher dazu raten, lieber vier bis fünf niedrigintensive Trainingseinheiten pro Woche auszuführen.“
Generell ist es empfehlenswert von einem HIIT als Anfänger abzusehen oder es nur in Absprache mit einem Fitness-Experten oder einem Arzt mit in den Trainingsplan mitaufzunehmen.