7. März 2023, 5:02 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Um das Verletzungsrisiko zu senken und individuelle Fortschritte effizienter zu erzielen, sollten Trainingsprogramme für Frauen anders gestaltet werden als die für Männer, sagt Luise Walther. Die Expertin für Neurozentriertes Training über frauenspezifische Bedürfnisse beim Training.
Übersicht
Der biologische Unterschied
Um ein Training anzuwenden, das den spezifischen Bedürfnissen von Frauen gerecht wird, ist es notwendig zunächst die biologischen Unterschiede zwischen beiden Geschlechtern in Bezug auf sportliche Leistung und Ausdauer zu kennen. Generell können Männer mehr Kraft entwickeln als Frauen und verfügen über größere Muskelmasse sowie höhere aerobe Kapazitäten. Daher ist der Fokus auf muskulöses Gleichgewicht und Flexibilitätsübungen empfehlenswert. Weiterhin sollte man beachten, dass Athletinnen hormonelle Schwankungen erleben. Dies ist vor allem während der Menstruation der Fall und kann zu Müdigkeit und Erschöpfung führen. Es ist daher ratsam, ihnen niedrig intensive Workouts vorzuschlagen oder sogar Trainingseinheiten abzuhalten, um solche Auswirkungen zu minimieren. Frauenspezifisches Training betrifft viele Bereiche…
Gender Gap in der Sportwissenschaft
Der „Gender Gap“ bezieht sich auf die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Teilnahme an wissenschaftlichen Studien. Die Verfügbarkeit von Daten und Informationen über die Gesundheit von Frauen spielt eine große Rolle für den Einfluss von Wirksamkeit, Behandlung und Training. In der Vergangenheit wurden Frauen besonders in der medizinischen Forschung oft unterrepräsentiert je nach Studiendesign zum Teil sogar ausgeschlossen. Das führte im Trainingsbereich dazu, dass Kenntnisse über ihre spezifischen Bedürfnisse fehlen. Daher ist es wichtig, dass Frauen in wissenschaftlichen Studien angemessen berücksichtigt werden, da nur so eine Verzerrung der Ergebnisse ausgeschlossen werden kann.
In den letzten Jahren ist erfreulicherweise ein Trend zu erkennen, der diesen Gender Gap auflöst. Immer mehr Studien untersuchen sogar gezielt die Unterschiede im Training zwischen Frauen und Männern. Beispielsweise werden die generellen physiologischen Unterschiede zwischen den Geschlechtern, wie zum Beispiel der Einfluss von Hormonen auf die körperliche Leistungsfähigkeit im Ausdauertraining oder im Krafttraining untersucht.1,2 Andere betrachten die Unterschiede in der körperlichen Anatomie und in den Reaktionen auf körperliche Belastungen.3,4
Erhöhtes Verletzungsrisiko während der Ovulationsphase
Es gibt mehrere Studien, die darauf hinweisen, dass Frauen in der Phase um den Eisprung herum (Ovulationsphase) ein erhöhtes Verletzungsrisiko haben können.5,6,7 Auch wenn zum tieferen Verständnis weitere Forschung erforderlich ist, wird dieser Effekt im Kern auf zwei Faktoren zurückgeführt:
- Hormonelle Veränderungen, die die Beweglichkeit der Gelenke und die Schmerzempfindlichkeit beeinflussen können
- Körperliche Veränderungen, die dazu führen können, dass die Körperbalance beeinträchtigt wird
Es ist wichtig zu beachten, dass jeder Mensch individuell ist und dass es keine allgemeingültigen Empfehlungen für das Training von Frauen oder Männern gibt. Es ist jedoch hilfreich, die Ergebnisse dieser Studien zu kennen, um bessere Entscheidungen über das eigene Training zu treffen und die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Wenn man sich selbst nicht im Detail mit den Erkenntnissen auseinandersetzen möchte, gibt es immer mehr Experten und digitale Angebote, die sich auf das zyklusbasierte Training spezialisiert haben.
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Vom Profisport lernen am Beispiel Frauenfußball
Wie so häufig ist der Leistungssport um einiges weiter in der Entwicklung dieser Themen. Jedoch können die Erfahrungen und Erkenntnisse auf den Breitensport übertragen werden. Nicht jede Trainierende wird entsprechend begleitet und kann sich individuelles Coaching leisten. Dafür gibt es dank Digitalisierung aber immer mehr Optionen, sich proaktiv und niedrigschwellig Zugang zu den Informationen zu verschaffen.
Grundsätzlich werden Frauen und Männer im Fußball auf die gleiche Weise trainiert. Beide müssen lernen, wie man den Ball beherrscht, Passspiele ausführt, taktische Entscheidungen trifft und körperlich fit bleibt. Es kann jedoch Unterschiede in Bezug auf die körperliche Stärke und das Spielverständnis geben, die in der Trainingsmethodik berücksichtigt werden. Außerdem kann es Unterschiede in der Intensität und Dauer des Trainings geben – je nach individueller körperlicher Konstitution und den Zielen der Spielenden.
Folgende Aspekte spielen bei frauenspezifischem Training eine Rolle:
- Körperliche Stärke: Frauen haben im Durchschnitt eine geringere körperliche Stärke als Männer, daher kann das körperliche Training für Frauen spezifischer auf ihre Bedürfnisse abgestimmt werden.
- Spielverständnis: Frauen und Männer können unterschiedliche Spielstile haben, was sich auf das taktische Training auswirken kann.
- Intensität und Dauer des Trainings: Die individuelle körperliche Konstitution und die Ziele eines Spielers oder einer Spielerin können die Intensität und Dauer des Trainings beeinflussen.
Allerdings ist es wichtig zu beachten, dass diese Unterschiede nicht pauschalisiert werden sollten, da jede Spielerin individuelle Bedürfnisse hat. Ein gutes Trainingsteam wird die Trainingsmethoden an die Bedürfnisse jeder einzelnen Spielerin anpassen. Diese Erkenntnisse übertragen immer mehr Anbieter auch in digitale Produkte, um sie aus dem Leistungssport in den Breitensport zu übertragen.
Digitale Angebote für frauenspezifisches Training
Immer mehr digitale Fitnessanbieter fokussieren sich auf das Thema frauenspezifisches Training. In Apps können Userinnen nicht nur ihre Leistungen überwachen; das Training passt sich auch an die Trainierende an individuelle Phasen. Ein Beispiel für diese Form des personalisierten Trainings ist die Fußball-App „B42“, die in ihren Trainingsprogrammen einen „Menstruationsmodus“ eingebaut haben.
Auch andere Fitness-Apps wie „FitrWoman – Know Your Cycle“ oder „Wild AI“ gehen speziell auf das Training von Frauen während der Menstruation ein. Dabei wird über die Eingabe des eigenen Zyklus die Trainingsplanung individuell an den Zyklus angepasst. Sowohl die Trainingsintensität als auch die Auswahl der Übungen entspricht dann den individuellen Menstruationsphasen und orientiert sich an den wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Trainingsgestaltung. Das macht es Userinnen besonders einfach, gesundheitsbewusst zu trainieren.
Fazit
Es ist wichtig zu verstehen, dass Training und Gesundheit immer individuell zu betrachten sind. Besonders Frauen dürfen im Training auf ihre individuellen Bedürfnisse achten und das Training entsprechend anpassen. Ob man sich dabei selbst in das Thema zyklusbasiertes Training einliest, mit Expert*innen zusammenarbeitet oder digitale Angebote nutzt – der Markt wird diesbezüglich immer vielfältiger. Am Ende profitieren wir davon, indem wir unser Training individualisieren können – was sich mit Sicherheit nicht nur in der Leistung, sondern auch im Wohlbefinden widerspiegelt.
Experten und Studien Ist es sinnvoll für Frauen, den Sport auf ihren Zyklus abzustimmen?
Studie der Uni Uppsala Der mögliche Grund, warum Männer an bestimmten Tagen schlechter schlafen
Studie liefert Grund Bis zu diesem Alter verlieren Männer doppelt so schnell Fett bei einer Diät wie Frauen
Quellen
- 11. Gutiérrez A., Mesa J. Ruiz L. et al. (2017): Gender differences in physiological and performance responses to endurance training. Journal of Sports Medicine and Physical Fitness.
- 2. Da Boit M, Sibson R, Meakin J. R. et al. (2016): Sex differences in the response to resistance exercise training in older people. Physiological Reports.
- 3. Bex, T., Chung, W. (2016): Sex differences in skeletal muscle response to resistance exercise. Biology of Sex Differences. (aufgerufen am 15.01.2023)
- 4. Leveritt M., Abernethy P.J., Barry B. K. et. al (1999). Concurrent strength and endurance training.Sports Medicine.
- 5. Martínez-Fortuny N., Alonso-Calvete A., Da Cuña-Carrera I. et al. (2023): Menstrual Cycle and Sport Injuries: A Systematic Review. International Journal of Environmental Research and Public Health.
- 6. Wojtys E., Huston L., Greenfield M. L. et al. (2016): Association Between the Menstrual Cycle and Anterior Cruciate Ligament Injuries in Female Athletes. The American Journal of Sports Medicine.
- 7. Martínez-Fortuny N., Alonso-Calvete A., Da Cuña-Carrera I. et al. (2023): Menstrual Cycle and Sport Injuries: A Systematic Review. International Journal of Environmental Research and Public Health.