20. September 2021, 11:43 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
40 Jahre nicht geschlafen zu haben – das klingt nicht nur verdammt ermüdend, sondern eigentlich unmöglich. Die Chinesin Li Zhanying behauptet aber genau das. Deshalb haben chinesische Schlafforscher die Frau untersucht und interessante Entdeckungen gemacht. FITBOOK hat eine Expertin gefragt, was dahinter stecken könnte.
Eine Frau aus der chinesischen Provinz Henan behauptet, seit 40 Jahren nicht geschlafen zu haben. Ihr Ehemann bestätigte dies – er habe seine Frau noch nie schlafen sehen. Dies berichtet u. a. britischen Zeitung „Mirror“. Dem Bericht zufolge wollten Schlafforscher in Peking der Sache auf den Grund gehen und stellen fest: Li Zhanying schläft zwar, aber mit offenen Augen – ähnlich wie beim Schlafwandeln. Die Gehirnwellenmessung Zhanyings zeigte außerdem, dass die Chinesin nur insgesamt zehn Minuten am Tag ihre Augen schließt. FITBOOK hat Schlafforscherin Dr. Christine Blume gefragt, was hinter der angeblichen Insomnie wirklich stecken könnte und ob es überhaupt möglich ist, 40 Jahre nicht zu schlafen.
„Ich glaube nicht, dass sie nicht schläft“
Dass Li Zhanying wirklich 40 Jahre gar nicht geschlafen hat, weiß Dr. Blume mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Schlafmangel in diesem Ausmaß führe nämlich zum Tod, wie uns die Expertin erklärt. „Ich glaube nicht, dass diese Frau nicht schläft. Das ist gar nicht möglich, wie man durch diverse Tierstudien weiß. Wenn Tiere über einen längeren Zeitraum am Schlafen gehindert werden, dann bricht nach wenigen Wochen das Immunsystem zusammen und die Tiere sterben dann an einer systemischen Infektion.“
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Effizienter Schlaf oder Mikroschlafphasen?
Laut Dr. Blume gibt es zwei Erklärungsansätze für die offensichtlich sehr geringe Schlafdauer von Li Zhanying. „Zum einen gibt es das Phänomen, dass manche Menschen extrem wenig Schlaf brauchen. Das heißt, nach vier Stunden sind solche Kandidaten wirklich ausgeschlafen.“ Im Gegensatz zu „Normal-Schläfern“, die um die acht Stunden brauchen, um ihr Gehirn auf Normalniveau zu bringen, bräuchten solche Leute nur etwa halb so lang. Das liege daran, dass diese Kandidaten sehr effektiv und effizient schlafen. Dass dies auch auf Li zutrifft, bezweifelt Blume: „Zwischen vier Stunden und zehn Minuten gibt es natürlich einen großen Unterschied.“
Der Weltrekord für die längste Wachzeit liegt übrigens bei 266 Stunden (11 Tage) und wurde von dem Briten Tony Wright aufgestellt. Selbst diese im Vergleich zu Li Zhanying relativ kurze Wachzeit ist laut Blume vermutlich nur durch Mikroschlafepisoden möglich. Den zweiten Erklärungsansatz, dass sich Li durch Mikroschlafphasen über den Tag hinweg erholt, schätzt die Expertin ebenfalls als unwahrscheinlich ein.
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Beim Schlafwandeln macht man geübte Tätigkeiten
Wie der „Mirror“ berichtete, soll Li Zhanying im Rahmen der Messungen im Pekinger Schlaflabor während alltäglicher Aktivitäten und Gesprächen mit ihrem Mann in Sekundenschlafepisoden gefallen sein. Die Gehirnwellenmessung sei in diesen Situationen vergleichbar mit denen beim Schlafwandlern, so die Forscher. Laut Schlafexpertin Blume sind das aber zwei Paar verschiedene Schuhe: „Beim Schlafwandeln passieren meist gut geübte Tätigkeiten, also keine Tätigkeiten, auf die man reagieren muss. Wissenschaftlich ergibt das also wenig Sinn.“ Beim Schlafwandeln sei man außerdem nicht in der Lage Gespräche zu führen.
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Schlafen mit offenen Augen?
Genauso wenig könne man mit offenen Augen schlafen. „Die Muskulatur erschlafft im Schlaf, also auch die Muskulatur des Augenlids. Dadurch fallen die Augen zu oder der Kopf kippt zur Seite, wenn wir im Sitzen einschlafen.“ Also auch die These, dass Li Zhanying vielleicht mit offenen Augen schläft, ist nicht haltbar.
Das Phänomen der Chinesin, die angeblich seit 40 Jahren nicht geschlafen hat, ist aus Expertensicht folglich nicht erklärbar.