1. Dezember 2023, 17:11 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Während LDL als das „schlechte“ Cholesterin gilt, weil es Herzerkrankungen begünstigen kann, bezeichnet man HDL im Allgemeinen als das „gute“ Cholesterin. Doch offenbar spielt ebendieses eine negative Rolle, wenn es um die Gehirngesundheit geht. FITBOOK-Medizin-Redakteurin Melanie Hoffmann erklärt, welche Erkenntnisse diesbezüglich eine aktuelle Studie aus Australien liefert.
Dass es das „gute“ Cholesterin wirklich gibt, wird mittlerweile von einigen Forschern angezweifelt. So etwa von US-amerikanischen Wissenschaftlern. Diese kamen in einer Untersuchung zu dem Schluss: Das Vorhandensein von HDL bedeutet, anders als lange angenommen, nicht bei jeder Person einen gewissen Schutz vor Herzerkrankungen (FITBOOK berichtete).1 Die neue Studie aus Australien wirft nun bezüglich des Effekts von hohen HDL-Werten weitere Fragen auf. Denn sie konnte Hinweise liefern, dass das „gute“ Cholesterin womöglich einen Risikofaktor für Demenz darstellt.
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Übersicht
HDL versus LDL
Bei den Cholesterinwerten unterscheidet man zwischen den beiden Lipoproteinen LDL („Low Density Lipoprotein“) und HDL („High Density Lipoprotein“). Ersteres gilt als das „schlechte“ Cholesterin, weil es den fettartigen Naturstoff Cholesterin aus der Leber in verschiedene Gewebe transportiert. Dadurch kann es zu Fettablagerungen in den Blutgefäßen (und zu entsprechenden Folgeerkrankungen) kommen. Dagegen transportiert das „gute“ Cholesterin, also das HDL, eben jenes Cholesterin wieder zurück in die Leber. Es bewirkt so, dass es über die Galle aus dem Körper ausgeschieden werden kann.
Aus diesem Grund war man sich in der Medizin lange sicher, dass HDL wichtig für die Herzgesundheit ist und hohe Werte daher auch nicht schlimm sind. Doch wie eingangs bereits erwähnt, gibt es zunehmend Erkenntnisse, die dies in Zweifel ziehen. Und nun kommen weitere Argumente hinzu. Nämlich solche, die erklären, warum es wichtig sein könnte, auch die HDL-Werte genau im Blick zu behalten.
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Was wurde untersucht?
Ein Zusammenschluss aus Wissenschaftlern verschiedener Universitäten in Australien bediente sich für ihre Untersuchung an Daten aus einer Langzeitstudie des American College of Cardiology – der „Aspirin in Reducing Events in the Elderly (ASPREE)“. Insgesamt standen den Forschern die Daten von 18.668 Studienteilnehmern zur Verfügung. 2411 von ihnen waren 65 Jahre oder älter, 16.703 Personen waren 70 Jahre oder älter. Ein Kriterium für ihre Teilnahme, die zwischen 2010 und 2014 stattfand, war, dass sie zum Zeitpunkt der Aufnahme keine diagnostizierte Herz-Kreislauf-Erkrankung, Demenz, körperliche Behinderung oder lebensbedrohliche Krankheit hatten und kognitiv gesund waren.2
Zwischen Oktober 2022 und Januar 2023 analysierten die australischen Forscher die 18.668 Daten auf einen möglichen Zusammenhang zwischen dem HDL-Cholesterin (HDL-C) und Demenz.
Das HDL teilten sie gemäß der bei den Studienteilnehmern ermittelten Werte in verschiedene Kategorien ein:
- <40 mg/dL
- 40-60 mg/dL
- 60-80 mg/dL
- >80 mg/dL
HDL-Cholesterin erhöht offenbar das Risiko für Demenz
850 der 8.668 Probanden (4,6 Prozent) entwickelten über einen Zeitraum von 6,3 Jahren Demenz. Und tatsächlich fanden die Wissenschaftler bei ihrer Analyse Hinweise darauf, dass es einen Zusammenhang zwischen einem hohen HDL-C-Wert und Demenz gibt.
So kamen die Forscher zu der Erkenntnis, dass Studienteilnehmer mit einem hohen HDL-C-Wert (>80 mg/dL) ein 27 Prozent höheres Demenzrisiko hatten. Interessant ist auch, dass das Alter eine gewisse Rolle zu spielen scheint. Denn das Risiko für die neurologische Erkrankung war bei den älteren Probanden (75 Jahre und älter) höher als bei den Personen unter 75 Jahren. Doch auch bei den jüngeren Teilnehmern zeigte sich ein erhöhtes Risiko für Demenz bei erhöhtem HDL-Cholesterin. Der Zusammenhang blieb auch nach Berücksichtigung von Faktoren wie Geschlecht, tägliche Bewegung, Bildung, Alkoholkonsum, Gewichtsveränderung im Laufe der Zeit sowie genetischer Veranlagung bestehen.
Experten erklären: So hoch darf das Cholesterin sein
Die meisten Menschen wissen, dass hohe Cholesterinwerte ungesund sind. Weniger klar ist für viele, welche Werte in Ordnung sind – und entsprechend, welche eben nicht. Hier schaffte im Gespräch mit FITBOOK u. a. Internist und Ernährungsmediziner Matthias Riedl Klarheit: „Der Wert für das Gesamtcholesterin sollte unter 200 mg/dL liegen. Das LDL-Cholesterin sollte einen Wert von 150 mg/dL nicht überschreiten.“ Ergänzend fügte er hinzu: „Falls Sie aber Raucher sind, Bluthochdruck oder Übergewicht haben, ist ein Wert von 100 mg/dL besser für Sie, um so das Herzkreislauf-Risiko zu senken.“ Bezüglich des HDL-Cholesterins empfiehlt Prof. Dr. med. Johannes Wechsler, Präsident des Bundesverbands Deutscher Ernährungsmediziner: „Das HDL sollte bei Frauen möglichst über 45 mg/dL liegen, bei Männern über 40 mg/dL.“ Welche Tipps die Experten hatten, um Cholesterinwerte auf natürliche Weise zu senken, erfahren Sie hier.
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HDL-Wert bei der Demenz-Früherkennung berücksichtigen
Die Forscher halten ihre Studienerkenntnisse für so signifikant, dass sie dafür plädieren, HDL-Werte für die Früherkennung bzw. Beurteilung eines erhöhten Demenzrisikos heranzuziehen. Denn sowohl bei älteren Männern als auch bei älteren Frauen scheint das vermeintlich „gute“ Cholesterin im Zusammenhang mit der Entstehung von Demenz zu stehen.
Da die aktuelle Studie allerdings keine Kausalität aufzeigen und nicht erklären kann, warum und wie das HDL-Cholesterin Demenz begünstigt, ist nun weitere Forschung auf diesem Gebiet nötig. Doch klar ist: Es verdichten sich die Zeichen dafür, dass die Aufteilung in „gutes“ und „schlechtes“ Cholesterin zu simpel gedacht ist und die komplexe Realität der Prozesse im Körper nicht korrekt widerspiegelt.