26. September 2022, 19:27 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Eine schwache Beckenbodenmuskulatur kann mitunter der Grund für Inkontinenz sein. Ein Leidensbild vieler Menschen, dem ein neues Produkt aus „Die Höhle der Löwen“ entgegenwirken will. Doch was taugt „Gatepress“ wirklich?
Keine Probleme mehr mit einer schwachen Blase oder dem Darm und weniger Rückenschmerzen! Das verspricht Robin Städler in der VOX-Gründer-Show „Die Höhle der Löwen“ (DHDL) mit seinem Beckenboden-Trainer „Gatepress“. Mit dieser Erfindung will der Alleingründer dem sensiblen Thema der Inkontinenz begegnen und Männern wie Frauen zu einem kräftigen Beckenboden verhelfen. So wichtig ein offener Dialog hierbei auch ist, stellt sich gleichzeitig die Frage: Was taugt der „Gatepress“ und was macht ihn so besonders? FITBOOK hat Urologe Dr. Christoph Pies gefragt.
Übersicht
„Gatepress“ bei DHDL – Trainingsgerät aktiviert Beckenbodenmuskulatur
Das TV-Format „Die Höhle der Löwen“ hat so einige erfolgreiche Produkte hervorgebracht. Nun steht möglicherweise ein neues in den Startlöchern: „Gatepress“. Das Trainingsgerät ist eine Art Metall-Stab, der zwischen den Füßen positioniert wird und mit anschließender Druckausübung die Durchblutung anregen und den Beckenboden trainieren soll. Wie der Schweizer Personaltrainer und Alleingründer Robin Städler in der Sendung erklärt, sei das Gerät weltweit einmalig und könne im Sitzen, im Stehen und kniend durchgeführt werden. Doch wie sinnvoll ist der Gatepress aus DHDL für den Beckenboden wirklich?
Auch interessant: Amira Pocher: »Worum es beim Beckenbodentraining wirklich geht
Warum eine starke Beckenbodenmuskulatur?
Der Beckenboden sorgt mitunter dafür, dass die Organe gestützt werden und die Schließmuskulatur der Blase und des Darms funktionieren, wie Erfinder Robin seinen Pitch richtig einleitet. Die Beckenbodenmuskulatur kann aber noch mehr: „Der Beckenboden ist mit Beinen, Rücken und Bauch verbunden und hat dadurch eine große Bedeutung für die Ausrichtung von Wirbelsäule und Rumpf“, erklärt Urologe Dr. Christoph Pies im Gespräch mit FITBOOK. „Er stabilisiert unsere gesamte Körperhaltung und die koordinierte Bewegung. Der Beckenboden ist aber nicht nur wichtig beim Einhalten von Stuhlgang und Urin, sondern durch eine Entspannung der Muskulatur auch für die Entleerung von Darm und Blase verantwortlich.“ Das veranschaulicht der Experte auch in seinem Buch „In der Sprechstunde: Harnblase: Verstehen – behandeln – heilen“.
Mit „Gatepress“ verfolgt Städler deshalb einen sinnvollen Ansatz, denn „bei Patienten mit Inkontinenz-Problemen funktioniert dieses System leider nicht“, ergänzt er. Sein Trainingsgerät solle daher die Beckenbodenmuskulatur von Menschen mit Inkontinenz stärken und Frauen nach der Entbindung bei der Rückbildung unterstützen. Wie effektiv ein Beckenbodentraining während der Schwangerschaft sein kann, zeigt auch eine Studie aus 2003. Intensives Beckenbodentraining kräftigte hier nicht nur die Beckenbodenmuskulatur, sondern beugte auch Harninkontinenz während der Schwangerschaft und nach der Entbindung vor.1
Ursachen und Folgen eines schwachen Beckenbodens
Aber wie kommt es überhaupt zu einer schwachen Beckenbodenmuskulatur? Die Ursachen sind vielfältig:
- Schwangerschaft
- Geburt
- Bewegungsmangel
- Übergewicht
- Genetisch bedingtes, schwaches Bindegewebe
- Operationen an der Gebärmutter
- Schwere körperliche Arbeit
- Rauchen
Stärken Betroffene ihre schwache Beckenbodenmuskulatur nicht durch spezifisches Training, kann das nicht nur zu Rückenschmerzen, Harn- und Stuhlinkontinenz oder einer schlechten Körperhaltung führen. Sogar einer Fehllage der Organe im Bauchraum und immer wiederkehrende Blasenentzündungen können daraus resultieren.
Was macht „Gatepress“ aus DHDL besonders?
Die Stärkung des Beckenbodens kann also zahlreiche gesundheitliche Vorteile haben. Doch was unterscheidet ein Trainingsgerät wie die „Gatepress“ von herkömmlichen Beckenboden-Übungen? Eine Frage, die auch die DHDL-Investoren interessiert. Um sein Produkt optimal zu verkaufen, hat sich Robin Städler Unterstützung an die Seite geholt: den ehemaligen Eishockey-National- und NHL-Spieler Timo Helbing sowie die Physio- und Sexualtherapeutin Andrea Falconnier. Ersterer führt den DHDL-Investoren die Anwendung mit dem „Gatepress“ vor und macht die Vorteile für den Beckenboden klar: Das Praktische sei, dass die Beckenbodenmuskulatur während des Trainings komplett unbewusst und automatisch aktiviert würde und schon sechs Minuten täglich ausreichen.
Noch eindrucksvoller ist allerdings die Vorführung von Sexualtherapeutin Andrea: Sie trägt einen Vaginal-Sensor mithilfe dessen die An- und Entspannungen im Beckenbodenbereich gemessen und auf einem Monitor die Intensität des Ausschlags erkennbar wird. Während Übungen ohne Trainingsgerät bzw. einfache An- und Entspannungsübungen oder gar Kniebeugen einen niedrigen Ausschlag anzeigen, steigen die Werte bei der Verwendung von „Gatepress“ enorm an. Anders als beispielsweise Liebeskugeln würde „Gatepress“ den Beckenboden nicht nur halten, sondern auch die Muskeln um das Becken herum aktivieren. Zu viel versprochen oder durchaus eine lohnenswerte Investition?
Auch interessant: Auch mit Liebeskugeln können Frauen den Beckenboden trainieren
Das sagt der Experte zur „Gatepress“
„Der Ansatz ist interessant und plausibel“, gesteht Dr. Pies dem Dreiergespann zu. „Die Frage von Medizinern ist aber immer: Gibt es eine vergleichende Studie zu herkömmlichem Beckenboden-Training oder eine kontrollierte Studie versus kein Training? Oder beruht die Empfehlung alleine auf der Annahme, dass es wirksam ist?“ Eine Frage, die auch einen der DHDL-Investoren interessiert. Wie Gründer Robin Städler erklärt, sei eine Studie zwar in Auftrag gegeben – die Ergebnisse stünden aber noch aus.
Ein anderer Kritikpunkt ist der Preis: 163,50 Euro soll das Gerät kosten. Um diese beachtliche Summe zu rechtfertigen, wären also entsprechende Studien interessant, die verdeutlichen, dass die ausgelöste Intensität wesentlich höher ist, als bei klassischen Übungen. „Herkömmliche Übungen, wie beispielsweise die Ballpresse, sind sehr ähnlich und stärken die Beckenbodenmuskulatur ebenfalls“, so der Experte.
Ballpresse statt „Gatepress“ – eine gute Alternative fürs Beckenboden-Training
Bei der sogenannten Ballpresse legt man sich auf den Rücken, winkelt die Beine an und legt einen weichen Ball (oder ein Kissen) zwischen die Knie. Anschließend drückt man die Knie gegen den Ball und aktiviert so die Spannung nach innen bzw. den Beckenboden.
Beckenboden-Tipps für den Alltag
- auf eine gerade Körperhaltung achten und beim Husten, Niesen, Lachen aufrecht bleiben
- beim Wasserlassen oder Stuhlgang nicht pressen (aber Beckenboden nach jedem Toilettenbesuch einmal kräftig anspannen)
- auf rückengerechtes Bücken und Tragen achten (mit aufrechtem Rücken und gebeugten Knien nach unten in die Hocke gehen – Rücken nicht beugen und Knie nicht gestreckt lassen)
- keine einengende Kleidung um den Bauch tragen
Auch interessant: Der Fehler, den viele Menschen mit Blasenschwäche machen
Deal oder kein Deal bei DHDL?
Um das Unternehmen und sein Produkt voranzutreiben, benötigte Gründer Robin Städler 150.000 Euro und bot dafür zehn Prozent Firmenanteile. Gemeinsam mit Timo Helbing und Andrea Falconnier konnte er die Löwen von ihrem neuen Beckenboden-Trainingsgerät aber leider nicht überzeugen. Den Investoren war der Trainingsstab aus Metall mitunter zu unhandlich und statisch, zu teuer und vor allem: ohne wissenschaftlich-medizinische Grundlage, wie es auch FITBOOK-Experte Dr. Pies kritisierte. Dass es noch keine abgeschlossene Studie zu gesundheitlichen Vorteilen gäbe und auch der Zulassungsantrag des „Gatepress“ als medizinisches Sportgerät noch laufe, sei für die Löwen zu risikoreich.
Die komplette DHDL-Folge können Sie bei „TVNow“ anschauen.
Kontrolle über Harndrang gewinnen Ursache für Inkontinenz und mögliche Behandlung
Nicht nur als Sex-Spielzeug „nützlich“ Auch mit Liebeskugeln können Frauen den Beckenboden trainieren
Beckenbodentraining Darum sollten Frauen und Männer „Kegel Exercises“ machen
Quellen
- 1. Mørkved, S., Bø, K., Schei, B., Salvesen, K.A. (2003) Pelvic floor muscle training during pregnancy to prevent urinary incontinence: a single-blind randomized controlled trial. Obstetrics & Gynecology.