19. März 2021, 16:45 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Laut der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA überwiegen die Vorteile des Impfstoffs von AstraZeneca den Risiken. Der zwischenzeitliche Impfstopp in Deutschland wird deshalb aufgehoben. Allerdings könnte (vor allem bei Frauen unter 55) nach einer Impfung mit AstraZeneca die Gefahr von Thrombose weiterhin bestehen.
1,78 Millionen Menschen in Deutschland haben laut Robert-Koch-Institut (RKI) bereits eine Impfung mit dem Vakzin von AstraZeneca erhalten. In den vergangenen Wochen dann wurden 13 Fälle von Blutgerinnseln in Hirnvenen gemeldet, die im Zusammenhang mit einer AstraZeneca-Impfung aufgetreten sein sollen. Drei davon endeten tödlich. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte die Impfungen mit dem Präparat deshalb am Montag (15. März) vorerst gestoppt. Nun gibt er wieder grünes Licht für das Vakzin von AstraZeneca –trotz der Thrombose-Fälle. Und das, obwohl die Gefahr von Thrombose – wenn auch nur mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit und innerhalb einer kleinen Risikogruppe – weiterhin bestehen könnte.
Übersicht
EMA empfiehlt AstraZeneca – trotz Gefahr von Thrombose
Der Kurswechsel beruht auf der Einschätzung der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA. Diese hatte das Präparat von AstraZeneca nie negativ bewertet, nach dem vorläufigen Stopp aber noch einmal überprüft. Hinweise darauf, dass die Impfungen die oben genannten Vorfälle verursacht hätten, hat die EMA nicht gefunden. Allerdings kann sie einen Zusammenhang auch nicht mit Gewissheit ausschließen.
Trotz allem zeigt sich EMA-Chefin Emer Cooke davon überzeugt, dass der Impfstoff folgende Voraussetzungen erfüllt: Er sei sicher und wirksam gegen eine Erkrankung an Covid-19. Deshalb überwögen die Vorteile bei Weitem den Risiken. Ebenso sehe das deutsche Paul-Ehrlich-Institut (PEI) „keine unvertretbar höheren Gesundheitsgefahren“.
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Wie es mit AstraZeneca weitergehen soll
Ab Freitag (19. März) starten in den Bundesländern die Impfungen mit dem AstraZeneca-Vakzin wieder. In der Folge sollen allmählich überall auch wieder neue Impftermine vergeben werden können.
Als Reaktion auf die Geschehnisse soll das Vakzin mit der Warnung versehen werden, dass „in seltenen Fällen“ nach einer Impfung mit AstraZeneca bei Frauen unter 55 Jahren eine Thrombose an Hirnvenen auftreten könnten. Ärzte und Patienten sollen Aufklärungsbögen über die Thromboserisiken erhalten. Solange diese nicht in gedruckter Form vorliegen, sollen Ärzte die Informationen handschriftlich ergänzen können.
Trotz Kritik – Spahn verteidigt Entscheidung für Impfstopp
Gesundheitsminister Spahn hatte für den Impfstopp einige Kritik geerntet. Die Aussetzung des Einsatzes von AstraZeneca bezeichnete etwa FDP-Chef Wolfgang Kubicki als „kommunikativen Supergau“. Und tatsächlich ist davon auszugehen, dass die Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung bleiben wird.
Seiner eigenen Einschätzung nach war der Impfstopp dennoch richtig. Nutzen und Risiken seien abgewogen worden. „Wichtig für das Vertrauen ist jedoch die informierte Entscheidung, das informierte Impfen“, so Spahn.
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Zwischenstand der Corona-Impfungen in Deutschland
10 Millionen Impfdosen sind mittlerweile verabreicht worden: 8 Millionen von BioNTech/Pfizer, 1,78 Millionen von AstraZeneca und 0,35 Millionen von Moderna. Das geht aus offiziellen Zahlen des RKI hervor. 3,7 Prozent der Bevölkerung sind vollständig mit zwei Dosen geimpft. 6,97 Menschen haben mindestens eine Impfung erhalten.
Impftempo könnte endlich angehoben werden
Auf längere Sicht dürfte kein Mangel an Impfstoff herrschen. Ab der zweiten Aprilhälfte soll das Präparat des US-Konzerns Johnson-&-Johnson-Stoffs geliefert werden. Der Impfstoff von Curevac (Tübingen/Niederlande) könnte im Sommer folgen. Außerdem prüft die EMA derzeit eine Zulassung des russischen Impfstoffs Sputnik V.
Impfgipfel am Freitag (19. März)
Die Regierungschefs von Bund und Ländern wollen am Freitag das weitere Vorgehen beraten. Zentral ist, wann die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte flächendeckend ins Impfen einsteigen. Nach einer Empfehlung der Gesundheitsminister von Bund und Ländern soll dies frühestens in der 16. Kalenderwoche geschehen – abhängig davon, dass genügend Impfstoff für so einen Schritt geliefert wird.
Mit Material von dpa.