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Untersuchung mit älteren Menschen

Tägliche Dosis Aspirin kann laut Studie Risiko für Hirnblutung erhöhen

aspirin hirnblutung: Tabletten
Bei einer dauerhaften Therapie mit ASS (Aspirin) ist Vorsicht geboten, wie eine neue Studie zeigt Foto: Getty Images

24. August 2023, 17:37 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten

Als Kopfschmerz-Medikament ist Aspirin wohl jedem bekannt. Was viele vielleicht nicht wissen: Die Acetylsalicylsäure (ASS) kommt auch bei Herzleiden zum Einsatz. Dann sogar als regelmäßige, z. B. tägliche, medikamentöse Therapie. Diese Maßnahme gilt es jedoch womöglich zu überdenken. Denn eine neue Studie deutet auf ein großes Gesundheitsrisiko durch die tägliche Aspirin-Einnahme hin. Andererseits zeigt eine weitere neue Studie den Nutzen des Medikaments. Es kommt offenbar auf den Anwendungsfall an.

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Bei jeder Medikamenteneinnahme gilt es, abzuwägen, inwieweit der Nutzen größer ist als etwaige Nachteile bzw. Risiken. Das ist besonders dann der Fall, wenn das Mittel nicht nur in Einzelfällen wie z. B. bei Kopfschmerzen, sondern kontinuierlich über einen längeren Zeitraum genommen wird. Alle Medikamente haben neben ihrer positiven Wirkung auch potenzielle Nebenwirkungen – dessen sollte man sich stets bewusst sein. Im Fall von Aspirin liefern Forscher jetzt beunruhigende Hinweise, die einen täglichen Einsatz des Medikaments infrage stellen könnten: ein erhöhtes Risiko für eine Hirnblutung bei älteren Menschen. Auf der anderen Seite bekräftigt eine weitere, kürzlich erschienene, Forschungsarbeit den Nutzen der Behandlung von Herzpatienten mit Aspirin. Wir erklären die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse.

Aspirin bei Herzpatienten

Nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall verschreiben Ärzte ihren Patienten häufig Aspirin, um einen erneuten Verschluss der Gefäße zu verhindern. Nach aktuellem Wissensstand sollen 100 Milligramm ASS täglich das Risiko eines erneuten Blutgerinnsels verhindern.1,2

Nicht ganz so eindeutig sind die Erkenntnisse der Forschung, wenn es um Aspirin als generell vorbeugendes Mittel für Herzinfarkte und Schlaganfälle geht. Gemeint ist die Einnahme des Medikaments ohne bereits erfolgten Herzinfarkt oder Schlaganfall, als rein präventive Maßnahme, etwa bei Menschen, die genetisch bedingt ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben.

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Studie mit Senioren ohne akute Herz-Beschwerden

Weil der Einsatz von Aspirin in diesen Bereichen durchaus umstritten ist, wollte ein internationales Team bestehend aus Wissenschaftlern aus den USA und Australien potenziellen Gefahren von Aspirin auf den Grund gehen. Dafür nutzten sie Gesundheitsdaten von 19.114 Senioren (65 Jahre oder älter) aus dem „The ASPREE Project“. Dabei handelt es sich um eine Langzeitstudie, die den langfristigen Effekt von Aspirin auf die Gesundheit alter Menschen untersucht. Alle Probanden waren zu Beginn der Studie frei jeglicher Symptome, die mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung stehen. Die erste Datenerfassung fand zwischen 2010 und 2014 statt, der Beobachtungszeitraum betrug im Durchschnitt viereinhalb Jahre. Die Analyse der Daten fand zwischen August 2021 und März 2023 statt.3

Den rund 19.000 Studienteilnehmern wurde nach dem Zufallsprinzip entweder eine tägliche Dosis von 100 Milligramm Aspirin oder ein Placebo-Mittel verschrieben. 9525 Personen erhielten Aspirin, 9589 Menschen das Placebo.

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Schlaganfälle während der Studie

Während des Studienzeitraums erlitten 312 Probanden einen ersten ischämischen Schlaganfall. Diese Form des Schlaganfalls wird durch eine Minderdurchblutung des Gehirns ausgelöst. Häufig aufgrund einer zuvor schon länger bestehenden Arteriosklerose (Gefäßverkalkung.) 24 Betroffene starben an den Folgen.

Bei 187 Teilnehmer traten Hirnblutungen auf, bei 49 Personen führten diese zu einem Schlaganfall. Schlaganfälle, die aufgrund von Hirnblutungen entstehen, bezeichnet man als hämorrhagische Schlaganfälle. Sie sind in den meisten Fällen auf langjährigen Bluthochdruck zurückzuführen, die im schlimmsten Fall die Hirnblutung und den Schlaganfall auslösen.

Arten von Schlaganfällen

Ein ischämischen Schlaganfall erfolgt aufgrund einer Minderdurchblutung des Gehirns aufgrund verstopfter Blutgefäße im Gehirn.

Ein hämorrhagischer Schlaganfall wird durch eine Hirnblutung – zumeist aufgrund von Bluthochdruck – ausgelöst. Es besteht ein zu hoher Druck auf die Blutgefäße im Gehirn, die letztendlich reißen.

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Aspirin kann bei Menschen ohne Herz-Vorgeschichte womöglich Risiko für Hirnblutungen erhöhen

Bei der Analyse der Krankheitsdaten in Bezug auf die Aspirin- bzw. Placebo-Einnahme kamen die Forscher zu einem klaren Ergebnis. Personen, die täglich Aspirin nahmen, hatten im Vergleich zu den Placebo einnehmenden Probanden ein um 38 Prozent erhöhtes Risiko für eine Hirnblutung.

Zugleich konnten die Wissenschaftler keinen eindeutigen Vorteil für die Aspirin-Gruppe erkennen. Die Einnahme des Medikaments schien keinen nennenswerten, schützenden Effekt vor jeglicher Art von Schlaganfall zu haben. Demgegenüber steht den Forschern zufolge das statistisch relevant erhöhte Risiko durch Aspirin für Hirnblutungen.

Die Schlussfolgerung der Studienverantwortlichen lautet daher: Das Vorgehen, älteren Menschen als Schlaganfällen vorbeugende Maßnahme Aspirin zu verschreiben, sei kritisch zu überdenken.

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Einordnung der Studie

Die Erkenntnisse der Studie untermauern die Tatsache, dass Medikamente mit teils starken Nebenwirkungen bzw. langfristigen gesundheitlichen Folgen einhergehen können. Im Fall von Aspirin scheint es die Gefahr einer Hirnblutung zu sein. Weswegen einmal mehr der Hinweis auf die Kosten-Nutzen-Rechnung gilt: Also überwiegt der Nutzen oder überwiegt das Risiko bzw. die Gefahr (also die „Kosten“ für die Gesundheit)?

Was die aktuelle Analyse aber nicht beantworten kann, ist die Frage, wie sinnvoll die Behandlung mit Aspirin nach bereits erfolgten Herzinfarkten und Schlaganfällen ist. Da die Probanden zu Beginn der Studie weder einen Herzinfarkt noch einen Schlaganfall gehabt hatten, kann die Studie keine Hinweise darauf geben, ob das erhöhte Hirnblutungsrisiko durch Aspirin auch für derart vorbelastete Patienten gilt.

Andere Studie zeigt: Effekt von Aspirin als Therapie nach Herzattacke

An der Stelle gibt eine andere Studie, die auf dem vom 25. bis 28. August stattfindenden ESC Congress 2023 in Amsterdam vorgestellt werden wird, Aufschluss. Die Studienverantwortlichen untersuchten, was passierte, wenn Herzpatienten eine Behandlung mit Aspirin absetzten. Die „Therapie-Abbrecher“ wurden mit Patienten verglichen, die die Aspirin-Behandlung fleißig fortsetzten.

Bei den Probanden handelte es sich um Patienten über 40 Jahre, die einen ersten Herzinfarkt erlitten hatten, einen Koronarstent erhalten hatten und im ersten Jahr nach ihrer Attacke eine Therapie mit Aspirin begonnen hatten. Insgesamt nahmen 40.114 Herzpatienten (Studien- und Kontrollgruppe) an der Untersuchung teil.

Über einen Zeitraum von acht Jahren ermittelten die Forscher alle zwei Jahre, wie regelmäßig die Probanden Aspirin einnahmen und wie es ihnen gesundheitlich ergangen war.

Absetzen von Aspirin erhöhte das erneute Erkrankungs- sowie Sterberisiko

Zum einen erhielten die Wissenschaftler Erkenntnisse darüber, inwiefern Patienten ihrer Therapie treu blieben. So nahmen zwei Jahre nach erfolgter erster Herzattacke noch 90 Prozent der Patienten regelmäßig Aspirin ein, im achten Jahr nach dem Herzinfarkt waren es noch 81 Prozent.

Bei denen, die das Aspirin absetzten, zeigte sich, dass sich ihr Risiko für eine weitere Herzattacke, einen Schlaganfall sowie das Sterberisiko erhöhte. War das Risiko zwei Jahre nach dem ersten Herzanfall um 29 Prozent erhöht, war es im vierten Jahr um 40, im sechsten Jahr um 31 und im achten Jahr um 20 Prozent erhöht.4

Es kommt auf die Anwendung an

Was die beiden scheinbar gegensätzliche Ergebnisse liefernde Studien verdeutlichen: Ob ein Medikament sinnvoll ist oder nicht, hängt vom Anwendungsfall ab. Während Menschen Aspirin wohl eher nicht täglich vorbeugend einnehmen sollten, scheint das Medikament nach einer bereits erlittenen Herzattacke von großem Nutzen zu sein. Letztendlich sollte stets der behandelnde Arzt gemeinsam mit dem Patienten abwägen und entscheiden, welche Medikamenteneinnahme bzw. Therapie die beste ist.

Aspirin als Schmerzmittel

Wem nun dennoch mulmig dabei ist, überhaupt Aspirin zu nehmen, den wollen wir beruhigen. Von einer sporadischen Nutzung – etwa bei Fieber oder Kopfschmerzen braucht man im Allgemeinem keine Angst zu haben. Wenn es keine grundsätzlichen gesundheitlichen Gründe gibt, auf Aspirin vollständig zu verzichten, ist gegen die Einnahme in Einzelfällen nichts einzuwenden. Vorausgesetzt, man hält sich an die Anweisungen bezüglich Dosierung und Dauer der Einnahme.

Grundsätzlich ist es natürlich immer ratsam, vor Medikamenteneinnahme ärztlichen Rat einzuholen. So können z. B. mögliche Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln oder potenzielle allergische Reaktionen ausgeschlossen werden.

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Schmerzen aushalten – nicht immer ratsam

Gerade im Fall von Schmerzen (Kopfschmerzen, Rückenschmerzen) ist es nämlich auch nicht immer ratsam, komplett auf schmerzstillende Medikamente zu verzichten. Zwar sollte man auch nicht pauschal sofort zu Mitteln greifen und womöglich erst mal – je nach Schmerz – Alternativen zur Linderung testen, doch ist es ebenso wenig empfehlenswert, jeglichen Schmerz stets auszuhalten.

Prof. Göbel, Facharzt für Neurologie, spezielle Schmerztherapie, Psychotherapie, Psychologie und Chefarzt der Schmerzklinik Kiel, erklärte FITBOOK in einem früheren Beitrag zu diesem Thema: „Hat man häufiger Schmerzen, wird das Nervensystem sensitiver. An Schmerzen kann man sich nicht gewöhnen. Es ist paradox. Je mehr Schmerzen man hat, umso schmerzempfindlicher wird man. Schmerz macht wieder erneut Schmerz.“ Tatsächlich kann sogar der Effekt der Chronifizierung auftreten, wie uns Prof. Irnich, Leiter der interdisziplinären Schmerzambulanz an der Klinik für Anästhesiologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, erläuterte. So erhöhe sich das Risiko, dass Schmerzen chronisch werden, je häufiger Schmerz auftrete und je länger er dauere. Der Körper reagiere mit dem sogenannten Schmerzgedächtnis. Das bedeute, dass sich ein immer wiederkehrender Schmerz quasi festsetze, z. B. auf Ebene des Rückenmarks oder des zentralen Nervensystems.

Was man bei der Einnahme von Schmerzmitteln beachten sollte, was hinter der 10-20-Regel steckt und wie man chronische Schmerzen behandelt, erfahren Sie in diesem Artikel.

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Quellen

Themen Medikamente
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