13. Juni 2023, 15:52 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Grundsätzlich sollte man beim Alkoholkonsum zurückhaltend sein, um seiner Gesundheit nicht zu schaden. Denn die Mehrheit der Studien zeigt schädliche Auswirkungen auf unseren Körper. Doch eine neue Untersuchung hat einen bemerkenswert positiven Effekt von Alkohol auf das Herzinfarktrisiko aufgedeckt. Was hat es damit auf sich?
Alkohol gehört für viele Menschen als Genussmittel zum Leben einfach dazu. Wie so oft macht auch hier die Menge das Gift. Denn es gibt Studien, die zeigen, dass Alkohol in kleinen Mengen genossen positive Eigenschaften haben kann. Insbesondere Rotwein gilt aufgrund seiner sekundären Pflanzenstoffe als die wohl „gesündeste“ Form von Alkohol.1 Dennoch sollte man es nicht übertreiben „Ab 20 Gramm für Frauen und ab 30 Gramm für Männer nehmen die gesundheitlichen Risiken immer mehr zu, sodass durch die Inhaltsstoffe insgesamt kein Vorteil mehr für den Körper erkennbar ist“, erklärte uns der renommierte Wissenschaftler Prof. Worm in einem früheren FITBOOK-Interview. Denn in hohen Mengen genossen schädigt Alkohol speziell die Leber und das Gehirn. Umso überraschender ist nun das Ergebnis einer neuen Studie, die zeigt, dass Alkohol einen positiven Effekt auf das Herzinfarktrisiko haben kann.
Übersicht
Kurzfristig wirkt Alkohol entspannend auf Menschen
Amerikanische Forscher wollten herausfinden, warum Alkohol in kleinen Mengen einige positive Eigenschaften aufweisen kann. Dabei fokussierten sie sich auf die Prozesse im Gehirn. „Wenn man an den kurzfristigen Effekt von Alkohol denkt, ist die erste Wirkung, die Menschen verspüren eine leicht entspannte Reaktion“, wird der Studienleiter Dr. Ahmed Tawakol, leitender Autor der Studie und Co-Direktor des kardiovaskulären Forschungszentrums am Massachusetts General Hospital von der Nachrichtenseite CNN zitiert.
Um der Wirkung von Alkohol nachzugehen, haben Dr. Tawakol und sein Team das Trinkverhalten Tausender Menschen untersucht. Dabei griffen sie auf Daten aus einer Biodatenbank zu, in der Probanden Angaben zu ihrer Lebensweise gemacht hatten. Davon wurden 53.064 Personen für diese Studie rekrutiert. Ihr Durchschnittsalter lag bei 60 Jahren und 60 Prozent der Teilnehmer waren weiblich. 23.920 der Probanden gaben an, keinen oder nur ganz selten Alkohol zu trinken. 27.053 Probanden tranken hingegen wenig bis moderate Mengen Alkohol.2
Die Forscher beobachteten den Gesundheitszustand der Probanden über 3,4 Jahre. In diesem Zeitraum hatten 1914 der Studienteilnehmer eine „schwere kardiale Komplikation“. Unter dieser Formulierung versteht man Ereignisse wie einen Herzinfarkt, Tod durch eine Herzkreislauf-Erkrankung oder eine Bypass-OP.
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Wie Forscher den positiven Effekt von Alkohol auf das Herzinfarktrisiko erklären
Eine Auswertung der Daten ergab, dass diejenigen Probanden, die ein bis 14 alkoholische Getränke pro Woche konsumierten, ein geringeres Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall hatten als diejenigen, die weniger als ein Getränk pro Woche zu sich nahmen. Damit das Ergebnis nicht durch andere Lebensumstände verfälscht wird, haben die Forscher auch genetische Risikofaktoren sowie ungesunde Lebensweisen wie beispielsweise das Rauchen in der Berechnung berücksichtigt.
Um herauszufinden, was für den positiven Effekt verantwortlich sein könnte, analysierten die Forscher zusätzlich Gehirnaufnahmen von Hunderten der Probanden. Dabei stellten sie fest, dass die moderaten Alkoholtrinker weniger Stressreaktionen in der Amygdala (Mandelkern) aufwiesen. In diesem Teil des Gehirns werden zum Beispiel Ängste und Bedrohungen verarbeitet. Und eben diese Probanden hatten weniger Herzinfarkte sowie Schlaganfälle im Vergleich zu den Nicht-Trinkern.
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Besonders Menschen mit Angstzuständen profitieren von moderatem Alkoholkonsum
„Wir fanden heraus, dass die Gehirnveränderungen bei leichten bis moderaten Trinkern einen erheblichen Teil der schützenden Wirkung auf das Herz erklärten“, kommentiert der verantwortliche Studienleiter Dr. Tawakol laut CNN. Diese Wirkung war insbesondere bei Menschen ausgeprägt, die früher mit Angstzuständen zu kämpfen hatten. Bei diesen Personen sank das Herzinfarktrisiko durch leichten Alkoholkonsum um etwa das Doppelte im Vergleich zu Menschen, die keine Angstzustände hatten. „Bei den meisten Probanden lag die relative Risikoreduktion bei etwa 20 Prozent, bei Personen mit früheren Angstzuständen jedoch bei 40 Prozent“, erläutert der Wissenschaftler.
Moderater Alkoholkonsum erhöht gleichzeitig Krebsrisiko
Die Studie ist aber komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Denn die Forscher fanden gleichzeitig heraus, dass selbst moderater Alkoholkonsum das Risiko für eine Krebserkrankung erhöht. „Bei der gleichen Menge Alkohol, die vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen ‚schützt‘, sahen wir ein ähnlich erhöhtes Krebsrisiko. Daher behaupten wir nicht, dass es eine gute Menge Alkohol zur Verbesserung der Gesundheit gibt“, erklärt Dr. Tawakol. Und somit rät der Forscher davon ab, regelmäßig moderate Mengen Alkohol zu trinken, um das Herzinfarktrisiko zu senken. Denn schon kleinen Mengen Alkohol erhöhen das Krebsrisiko. Die Ergebnisse der Studie seien weniger als Trinkempfehlung interessant, sondern eher in Bezug darauf, dass sie helfen, Prozesse im Gehirn besser zu verstehen.
Stattdessen sollte man lieber auf Methoden wie Meditation und Bewegung setzen, um den Stress in der Amygdala des Gehirns zu reduzieren und somit das Herzinfarktrisiko zu senken. Laut dem Forscher wirkt sich Sport erwiesenermaßen positiv auf das neuronale Stressnetzwerk im Gehirn aus. Derzeit laufen Studie, um eine ähnlich starke Wirkung von Meditation auch auf das Herz-Kreislauf-System nachzuweisen.
Studie zeigt Moderater Alkoholkonsum kann bei Menschen mit Herzleiden positiv wirken
Daten von 350.000 Personen Studie widerlegt Mythos vom „gesunden“ moderaten Alkoholkonsum
Laut Studie Schädlich fürs Herz! Wie viel Wein und Bier pro Woche gerade noch okay sind
Quellen
- 1. Snopek, L., Jiri Mlcek, J., LSochorova, L. (2018). Contribution of Red Wine Consumption to Human Health Protection. Molecules.
- 2. Mezue K., Osborne M., Abohashem S., et al. (2023). Reduced Stress-Related Neural Network Activity Mediates the Effect of Alcohol on Cardiovascular Risk. Journal of the American College of Cardiology.