16. Februar 2025, 8:06 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Wenn die Tage kürzer werden und das Sonnenlicht schwindet, fühlen sich manche Kinder zunehmend antriebslos und traurig. Winterdepression ist nicht nur ein Erwachsenenthema – auch Kinder können darunter leiden. Doch was steckt hinter der sogenannten „saisonalen affektiven Störung“? Das verrät FITBOOK-Autorin Doris Tromballa.
Winterdepression bei Kindern ist ein oft unterschätztes Phänomen. Dass Kinder oder Jugendliche mal frustriert sind oder sich zurückziehen, ist schließlich fast normal. Aber woran erkennt man dann eine „echte“ Winterdepression, was sind die Ursachen, und wie kann man Kindern helfen, wenn sie plötzlich in das winterliche Stimmungsloch fallen?
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Übersicht
Was ist eine Winterdepression?
In der medizinischen Fachsprache bezeichnet man Winterdepression als „saisonale affektive Störung“. „Affektive Störung“ heißt, dass die Stimmungslage deutlich verändert ist. Entweder ist man ungewöhnlich fröhlich oder ungewöhnlich traurig.1 Im Fall der Winterdepression stellt sich ein bedrücktes Gefühl ein. Die Lust schwindet, irgendetwas zu machen. Man fühlt sich niedergeschlagen und ist leicht reizbar. Die Symptome sind also dieselben wie bei einer „echten“ depressiven Episode.2 Allerdings treten sie nur in bestimmten Zeiten auf, nämlich vor allem dann, wenn die Tage kürzer werden und es immer weniger Sonnenstunden gibt.
Die Ursache für diese saisonale Niedergeschlagenheit ist noch unklar. Eine Vermutung ist, dass die Winterdepression durch den Mangel an Tageslicht in den Wintermonaten ausgelöst wird. Weniger Tageslicht bedeutet eine verringerte Produktion von Serotonin – dem sogenannten Glückshormon. Gleichzeitig steigt durch die Dunkelheit der Melatoninspiegel. Das kann Müdigkeit und Antriebslosigkeit fördern.3 In einer Studie wurde beobachtet, dass Patienten mit saisonaler affektiver Störung tatsächlich eine messbare Veränderung in ihrer nächtlichen Melatoninausschüttung zwischen Sommer und Winter haben. Diese Veränderung könnte als eine Art biologisches Signal dienen, das den Körper darauf hinweist, dass eine neue Jahreszeit beginnt.4 Von einer Winterdepression spricht man, wenn die depressiven Symptome mindestens zwei Jahre in Folge auftreten.5
Was sind die typischen Symptome einer Winterdepression bei Kindern?
Kinder mit Winterdepression fühlen sich vermehrt traurig und einsam, ohne, dass es dafür einen konkreten Grund gibt. Manche Kinder werden dann sehr anhänglich und brauchen viel Zuspruch. Andere werden quengelig und leicht reizbar, ziehen sich oft zurück oder werden ungewöhnlich in sich gekehrt. Das kann sich auf die Leistungen in der Schule auswirken und auch Freundschaften auf die Probe stellen. Hobbys und Interessen werden vernachlässigt, das Bett wird erst am Nachmittag verlassen, viele grübeln stundenlang, oder entwickeln Zukunftsängste. Dazu können Kopfschmerzen und Bauchschmerzen kommen. Auch ein vermehrtes Schlafbedürfnis und ein gesteigerter Appetit – vor allem auf Kohlenhydrate (also Zucker, Reis, Nudeln, Brot und Kartoffeln) – wurden beobachtet.
Viele Eltern deuten die schlechteren Schulnoten oder die miese Stimmung als Stress in den besonders lernintensiven Phasen – deswegen bleibt Winterdepression oft unentdeckt.6 Kein Wunder – Kinder haben oft Stimmungsschwankungen: Sie sind frustriert, wenn es mal in der Schule nicht läuft oder wenn es Stress im Freundeskreis gibt. Eltern sollten deshalb genau hinschauen, ob sich Stimmungstiefs relativ abrupt intensivieren oder sich ein neues Muster erkennen lässt: Wenn Hausaufgaben beispielsweise plötzlich komplett liegen bleiben oder ein sonst recht lebhaftes Kind sich plötzlich oft nur noch widerwillig morgens aus dem Bett quält. Starke Alarmzeichen sind, wenn die Leistungen in der Schule massiv einknicken, die Hobbys aufgegeben werden oder sich eine Essstörung ankündigt.
Kehren diese Symptome jeden Herbst bzw. Winter wieder oder haben auch andere Familienmitglieder die gleichen Probleme, ist das ein Anzeichen dafür, dass es sich tatsächlich um eine jahreszeitbedingte Depression handelt: Geht es wieder mehr Richtung Frühling, verschwinden die Beschwerden nämlich wieder.7
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Risikofaktoren für eine Winterdepression bei Kindern
Bisher ist noch nicht ganz klar, wodurch die Winterdepression entsteht. Im Moment geht man davon aus, dass mangelndes Sonnenlicht dazu beiträgt, dass die Stimmung plötzlich in den Keller geht.8 Demnach ist der Hauptrisikofaktor: zu wenig Sonnenlicht. Gerade im Winter schränken viele Kinder und Jugendliche ihre Freizeitaktivitäten draußen stark ein und verbringen die Zeit lieber drinnen, im Warmen. Dadurch wird Sonnenlicht Mangelware. Das könnte auch ein Grund sein, warum besonders Menschen in den nördlicheren Bereitengraden öfter betroffen sind: weil es dort unerbittlich lange, dunkle Winter gibt.
Auch ein zu niedriger Vitamin-D-Spiegel könnte zum Entstehen einer Winterdepression beitragen. Vitamin D wird in unserer Haut mithilfe von Sonnenlicht gebildet und ist wichtig für die Aktivität des Glückshormons Serotonin. Ein niedriger Vitamin-D-Spiegel reduziert die Serotoninaktivität, was die Symptome verstärken könnte.
Ein weiterer Risikofaktor ist, dass auch andere Familienmitglieder die gleichen Beschwerden oder andere psychische Erkrankungen haben.9 Auch Kinder, die unter ADHS leiden, haben Studien zufolge ein höheres Risiko, eine Winterdepression zu entwickeln.10
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Wie kann man Winterdepression bei Kindern behandeln?
Die am häufigsten eingesetzte „Waffe“ gegen das saisonale Stimmungstief ist eine Lampe. Aber nicht irgendeine, sondern eine spezielle, sehr lichtstarke Tageslichtlampe. Die notwendige Lichtstärke sind 2500 bis 10.000 Lux – das ist deutlich heller als jede Zimmerbeleuchtung. Auch enthält das Licht keinen UV-Anteil mehr, sodass die Lichtbehandlung unschädlich ist.
Diese Tageslichtlampe soll vor allem morgens zum Einsatz kommen, um der inneren Uhr zu helfen, zur richtigen Zeit das richtige Maß an Serotonin und Melatonin zur Verfügung zu stellen. Die Lampe wird etwa 80 Zentimeter vor dem Gesicht aufgestellt. Bei einer Dosis von 10.000 Lux wird dann eine halbe Stunde lang „lichtgeduscht“. Diese Lichttherapie hatte zumindest bei Erwachsenen moderate therapeutische Effekte.11 Bei Kindern ist die Studienlage noch nicht eindeutig.12 Die deutschen Gesundheitsversorger bewerten die Effekte der Lichttherapie zwar als „tendenziell positiv“ – die Therapie gilt aber als sogenannte „Leistung der Individuellen Gesundheitsvorsorge (IGeL)“. Therapiesitzung oder Lampe müssen deshalb aus eigener Tasche bezahlt werden.13
Weitere Möglichkeiten, um dem Winterblues zu vertreiben, sind:
- Bewegung im Freien: Selbst an grauen Tagen bekommt der Körper Licht ab (3.000 bis 5.000 Lux!), und Bewegung ist eine der besten natürlichen Stimmungsaufheller.
- Vitamin-D-Supplemente: Ein Labortest kann klären, ob ein Vitamin-D-Mangel vorliegt. Dann kann Vitamin D in Form von Kapseln oder Öltropfen helfen, den Spiegel wieder zu normalisieren.
- Feste Tagesstrukturen: Regelmäßige Schlafenszeiten und Routinen helfen. Vor allem eine frühere Schlafenszeit scheint sich positiv auf die Stimmung auszuwirken.14
- Gespräche und emotionale Unterstützung: Gerade Nähe und Aufmerksamkeit sind ein gutes Mittel, damit Kinder mit Winterdepression wieder die „Verbindung zur Welt“ finden und ihren Selbstwert verbessern können.
- Schlechte durch gute Gedanken ersetzen: Statt Grübeln und Zweifeln sollte der Fokus darauf gerichtet werden, was man gern tut, Aktivitäten, die Spaß machen – ob drinnen oder draußen. Die sogenannte „Verhaltensaktivierung“ hat in Studien gute Effekte gezeigt, um jemandem wieder aus dem Stimmungsloch herauszuhelfen.15