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Nachgefragt beim Experten

Was ist eine Winterdepression und wie kann ich mich davor schützen?

Mann mit Winterdepressionen steht draußen vor einem Baum.
Nicht nur das Wetter ist im Winter trüb, auch die Stimmung vieler Deutscher leidet unter der dunklen Jahreszeit – viele bekommen eine Winterdepression. Foto: Getty Images
Martin Lewicki
Freier Autor

11. November 2024, 11:04 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Besonders im Herbst oder Winter fallen viele Menschen in ein Stimmungsloch. Wenn die trüben Gedanken länger als zwei Wochen anhalten, dann handelt es sich womöglich um eine Winterdepression, auch „Winterblues“ genannt. Doch wie kommt man aus dem Tief wieder heraus? Und kann man sich davor schützen? FITBOOK hat bei einem Experten nachgefragt.

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Noch vor ein paar Jahren galten die Begriffe „Winterdepression“ und „Winterblues“ als schwammig. Sie wurden kritisiert, ernsthafte depressive Störungen zu verharmlosen, weil sie diese mit unspezifischen und wetterbedingten Gemütsschwankungen in einen Topf werfen würden. Doch Wissenschaftler haben sich mit dem Thema auseinandergesetzt und den Begriff einer „saisonal-bedingten Depression“ (SAD) festgelegt. Damit ist die SAD grundsätzlich eine spezielle Ausprägung der Depression. Und so kann es sich bei einer schweren Winterdepression um eine ernsthafte Erkrankung handeln. Wie bei jeder Depression liegt hier eine Stoffwechselstörung des Gehirns vor, wobei der Austausch von Botenstoffen zwischen den Nervenzellen verändert ist. Besonders stark beteiligt sind Noradrenalin und Serotonin, weshalb medikamentöse Therapien oft bei diesen Botenstoffen ansetzen.

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Lichtmangel kann eine Winterdepression auslösen

Dabei führen die kurzen Tage und die niedrigere Lichtintensität (als im Sommer) bei einigen Menschen dazu, dass weniger Botenstoffe im Gehirn produziert werden. Gleichzeitig wird vermehrt das Schlafhormon Melatonin gebildet, was zu chronischer Müdigkeit führen kann. Zusammen mit einer genetischen Veranlagung ergibt es eine ungünstige Konstellation, die eine SAD verursachen kann.

Wie man eine saisonal-bedingte Depression behandelt und sie eventuell vorbeugen kann, hat FITBOOK im Gespräch mit Prof. Dr. Ulrich Hegerl erfahren. Er ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe.1

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Was sind Anzeichen einer Winterdepression?

Um von einer Depression zu sprechen, müssen Hegerl zufolge von bestimmten Krankheitszeichen mehrere über mindestens zwei Wochen vorliegen: „Dazu zählen unter anderem eine gedrückte Stimmung, Interessen- und Freudlosigkeit, ein permanentes Erschöpfungsgefühl, die Neigung zu Schuldgefühlen und das Gefühl der Ausweglosigkeit.“ Von saisonal abhängiger Depression – auch Winterdepression genannt – werde gesprochen, wenn sich Symptome einer depressiven Episode ausschließlich im Herbst und Winter zeigen. „Neben den klassischen Symptomen einer Depression treten bei der saisonalen Depression atypische Symptome wie Heißhunger statt Appetitverlust und vermehrter Schlaf statt Ein- und Durchschlafstörungen auf.“

Wie viele Menschen sind in Deutschland betroffen?

Hegerl: „Die sogenannte saisonal abhängige Depression ist eine im Vergleich zur typischen Depression weniger häufige Unterform der Depression. Schätzungsweise entfallen nur etwa zehn Prozent aller Depressionen in den Herbst- und Wintermonaten darauf.“

Woran liegt es, dass Frauen häufiger betroffen sind?

Bei Frauen stellen Ärzte etwa doppelt so häufig die Diagnose Depression wie bei Männern. Für diesen Geschlechterunterschied gibt es Hegerl zufolge verschiedene biologische und psychosoziale Erklärungen: Bei Männern sei eine Depression manchmal schwieriger zu erkennen. Frauen würden eher über ihre Ängste und Stimmungsschwankungen, sprechen, sodass die Diagnose häufiger gestellt werde. „Das erklärt aber nicht die großen Häufigkeitsunterschiede. Hier spielen auch Unterschiede in den Genen, den Hormonen und anderen biologischen Aspekten eine Rolle. Spezialfälle wie das prämenstruelle Syndrom zeigen, dass Geschlechtshormone die Stimmung beeinflussen können“, so Hegerl.

Warum bekommen einige Menschen eine SAD und andere nicht?

Hegerl: „Ob jemand depressiv wird oder nicht, hat mit Veranlagung zu tun. Es gibt Menschen, die erleben viel Frust und bekommen nie eine echte Depression. Bei anderen fragt man sich: Wie kann dieser erfolgreiche Mensch mit einem liebevollen Partner bitte depressiv sein? Die Erkrankung kann jeden treffen. Wer die Veranlagung hat, erleidet meist mehrere Erkrankungsphasen.“

Hilft Licht gegen die Winterdepression?

Hegerl: „Bei Winterdepressionen kann eine Lichttherapie helfen. Wie diese genau wirkt, ist bisher nicht geklärt. Licht kann über die Netzhaut den Biorhythmus und andere Hirnfunktionen beeinflussen. Beispielsweise wird bei Lichtmangel vermehrt das Hormon Melatonin ausgeschüttet, das Hirnfunktionen beeinflusst. Eingesetzt werden von den Ärzten bei der Lichttherapie spezielle Therapielampen, die besonders stark leuchten: mit mindestens 2.500 Lux, manchmal bis zu 10.000 Lux. Zum Vergleich: Eine Bürolampe etwa hat nur 75 Lux.“

Reicht es, bei einer SAD viel draußen bei Tageslicht zu sein?

Hegerl: „Die Lichtmenge bei einem Spaziergang während eines auch bewölkten Wintertages ist kaum geringer als die einer Tageslichtlampe. Hinzu kommt der Vorteil von frischer Luft und Bewegung. Bei schweren saisonal abhängigen Depressionen reicht eine Lichttherapie allerdings oft nicht aus und eine medikamentöse oder psychotherapeutische Behandlung kann notwendig sein.“

Wie kann man eine Winterdepression vorbeugen?

Hegerl: „Die Bettzeit nicht ausdehnen, die sportlichen Aktivitäten nicht reduzieren, den Tagesrhythmus beibehalten – das wären Empfehlungen von meiner Seite.“ Ätherische Öle, Ginseng, Wechselduschen oder Saunieren haben dem Experten zufolge keine belegbare Wirkung. Eine gesunde Ernährung sei zu empfehlen, „wissenschaftlich belegte Ernährungstipps bei einer SAD gibt es aber leider nicht. In einer europäischen Studie, an der ich beteiligt war, schnitt die Gruppe, die Nahrungsergänzungsmittel erhalten hatte, sogar etwas schlechter als die Plazebogruppe ab“.

Kann Sport gegen eine Winterdepression helfen?

Hegerl: „Sport ist für alle eine gute Idee und vermutlich auch etwas antidepressiv wirksam. Sport kann aber bei depressiven Erkrankungen nicht die Behandlung mit Antidepressiva und/oder Psychotherapie ersetzen. Zudem sind die Belege für Sport nicht eindeutig und die Studien mit methodischen Problemen behaftet. Zum Beispiel kann man so eine Behandlung nicht verblinden. Das hat zur Folge, dass in der Gruppe ohne Sport weniger und in der mit Sport mehr Hoffnung vermittelt wird. Auch kann der Effekt vielleicht gar nicht der Sport selbst, sondern nur die allgemeine Aktivierung sein.“

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An wen sich Betroffene wenden können

  • Erster Ansprechpartner bei Verdacht auf eine Depression oder Suizidgedanken ist der Hausarzt, Psychiater oder psychologischer Psychotherapeut
  • Deutschlandweites Info-Telefon Depression 0800 33 44 5 33 (kostenfrei) 
  • Wissen, Selbsttest und Adressen rund um das Thema Depression unter www.deutsche-depressionshilfe.de
  • Hilfe und Beratung bei den sozialpsychiatrischen Diensten der Gesundheitsämter 
  • fachlich moderiertes Online-Forum zum Erfahrungsaustausch www.diskussionsforum-depression.de
  • Für Angehörige: www.bapk.de und www.familiencoach-depression.de
Themen Depression Psychologie

Quellen

  1. Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention. Vorsitzender Ulrich Hegerl. (aufgerufen am 08.11.2024) ↩︎
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