3. März 2022, 20:12 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Watsu ist eine aquatische Körpermassage, die zu tiefer Entspannung führen und körperliche wie seelische Blockaden lösen soll. FITBOOK-Redakteurin Nadja Demel hat die Massage im Wasser ausprobiert.
Im warmen Salzwasser gedehnt und bewegt werden, das Gefühl von Schwerelosigkeit erleben, tiefe Entspannung finden: Was ich über Watsu lese, spricht mich sofort an – auch wenn ich mir noch nicht viel unter einer Wasser-Massage vorstellen kann. Doch beim Spa-Besuch mit einer Freundin will ich mir etwas Besonderes gönnen und buche schließlich eine 35-minütige Session für 50 Euro. Noch ahne ich nicht, dass vor mir ein außergewöhnliches Erlebnis liegt, das in keinster Weise vergleichbar mit einer „normalen“ Massage ist.
Übersicht
Was ist Watsu?
Watsu ist eine Form der aquatischen Körperarbeit und wurde 1980 von Harold Dull, dem ehemaligen Leiter der Schule für Shiatsu und Massage in Harbin Hot Springs, Kalifornien, entwickelt. Der Name setzt sich aus den Begriffen „Water“, also Wasser, und „Shiatsu“, einer japanischen Akupressur-Technik, zusammen. Die Philosophie des Shiatsu: Das Massieren der Energiebahnen des Körpers, sogenannter Meridiane, durch Druck, Dehnung und Akupressur soll die Muskeln entspannen und die inneren Organe kräftigen. Außerdem soll die Lebensenergie, das Chi, in Körper und Geist verstärkt werden.1
Neben Watsu gibt es auch andere Wassertherapien, z. B. Wata, der Wassertanz. Im Unterschied zum Watsu, bei dem der Körper stets an der Wasseroberfläche bleibt, taucht man beim Wata komplett unter.
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Einsatzbereiche von Watsu
Während Watsu – wie in meinem Fall – oft als Wellness-Anwendung angeboten wird, so gibt es auch alternativmedizinische hydrotherapeutische Behandlungen, die auf die entspannende Wirkung der Wasser-Massage setzen. So kommt Watsu insbesondere zur Prävention von körperlichen Beschwerden wie Verspannungen, Rückenschmerzen und Gelenkproblemen zum Einsatz.
Die medizinische Wirksamkei wurde bislang in nur wenigen Studien untersucht. Wissenschaftler der Universität Dortmund stellten etwa fest, dass sich Watsu – in Kombination mit anderen klinischen Maßnahmen – positiv auf die Behandlung von Menschen mit Depressionen auswirken kann.2 Auch bei der Behandlung von Fibromyalgie wurde diese besondere Form der Massage bereits erfolgreich als unterstützende Maßnahme eingesetzt.3
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Mein Watsu-Erlebnis
Ob es in meinem Körper tatsächlich Meridiane gibt, durch die mein Chi fließt – ich weiß es nicht. Woran ich sicher glaube, sind Verspannungen und Blockaden, unter denen ich – wie viele Menschen, die die meiste Zeit des Tages am Schreibtisch sitzen – vor allem im Schulter-Nacken-Bereich leide.
Wasser-Massage mit Publikum
Im Spa angekommen, entspannen wir uns zunächst im 35 Grad warmen Therme-Becken. Durch den Auftrieb und mithilfe einer Schwimmnudel kann man sich hier im wahrsten Sinne des Wortes einfach mal treiben lassen. Ich schließe die Augen und lausche der Unterwasser-Musik, bis mich meine Freundin antippt: „Ist das nicht das Watsu, das du gebucht hast?“ Sie zeigt auf zwei Personen, die ich wohl zunächst für ein, sagen wir mal, spirituell orientiertes Pärchen gehalten hätte: Sie schwebt mit geschlossenen Augen an der Wasseroberfläche, während er mit einer Hand ihren Kopf stützt und mit der anderen ihren Arm lang nach hinten zieht. Gemeinsam drehen sie sich um die eigene Achse.
Ich bin etwas schockiert: Die Wasser-Massage findet hier, mitten im großen Sole-Becken, vor den Augen aller Leuten statt? Einen kurzen Moment überlege ich, zu einer normalen Massage umzubuchen. Gleichzeitig bin ich fasziniert, mit welcher Leichtigkeit der Massage-Therapeut den Körper während der Watsu-Session durch das Wasser bewegt und wie die Person in seinen Armen ganz die Kontrolle abgibt. Ob ich wohl auch so gut loslassen kann?
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Meditieren, entspannen, atmen
Zum vereinbarten Zeitpunkt treffe ich auf Kirill, den Mann, den ich vorher bereits im Wasser gesehen habe. Wie er mir später erzählen wird, arbeitet er bereits seit 30 Jahren als Masseur. Mit Watsu hat er vor circa sechs Jahren begonnen. In einem kurzen Vorgespräch erklärt er mir den Ablauf, fragt, ob körperliche Einschränkungen oder Beschwerden bestehen, und ob ich bereits Erfahrung mit Watsu habe. Wenn ich mich unwohl fühle, mir schlecht wird oder sonstige Probleme auftreten, könne ich ihn jederzeit antippen. Dann gehen wir in den Thermen-Pool. Ich bemerke die neugierigen Blicke der anderen Badegäste – klar, ich hab’ vorhin ja auch zugeguckt. Aber ob ich mich unter diesen Voraussetzungen gleich wirklich entspannen kann?
Zunächst bekomme ich kleine Luftkissen für die Beine angelegt. Diese unterstützen dabei, mit dem gesamten Körper an der Oberfläche zu bleiben. Kirill versichert mir, dass mein Gesicht die ganze Zeit an der Wasseroberfläche sein wird und ich zu jeder Zeit frei atmen kann. Ob ich noch Fragen habe. –„Was muss ich tun?“ Kirill lacht. „Meditieren. Entspannen. Und das Atmen nicht vergessen.“
Dann geht es los. Ich begebe mich in Rückenlage, Kirills Hand liegt unter meinem Kopf. Ich schließe die Augen. Das Stimmengemurmel geht in sanftes Plätschern über, dann sind meine Ohren ganz unter Wasser und ich höre leise Klänge. Zunächst fühlt es sich so an, als würde mich Kirill durchs Wasser ziehen. Während er meinen einen Arm über den Kopf hält, baumelt mein anderer Arm irgendwo ungeschickt im Wasser umher. Ich muss mich anstrengen, locker zu lassen. Ich überlege, wie das für die Außenstehenden jetzt wohl aussieht. Gleichzeitig versuche ich, mich ganz auf das Gefühl des Wassers auf meiner Haut zu konzentrieren. Ich atme tief ein und aus und spüre, wie mein Körper mal höher, mal tiefer an der Wasseroberfläche gleitet.
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Ich schwebe – glaube ich
Dann breitet sich eine wahnsinnige Ruhe in mir aus. Hatte ich bis gerade eben noch eine ungefähre Vorstellung, in welcher Position ich mich gerade im Wasser befinde, habe ich nun jegliches Gefühl für Raum und Zeit verloren. Es fühlt sich schön an, getragen zu werden. Ich spüre nur das rauschende Wasser, das an mir vorbeizieht – oder bin ich es, die vorbeigezogen wird? Wie lange liege ich schon hier? Egal. Hauptsache, es dauert noch ein bisschen.
Hin und wieder spüre ich eine Hand, die langsam meine Halswirbelsäule entlang fährt und einzelne Punkte mit sanftem Druck bearbeitet. Dann auch an meinen Armen und Beinen. Nichts fühlt sich unangenehm an. Alles verschwimmt wortwörtlich mit den Bewegungen des Wassers. Dann geraten meine Ohren für einen Moment an die Wasseroberfläche. Ich nehme wieder die Stimmen der Leute wahr. Mit geschlossenen Augen versuche ich, mich zu orientieren. Ich fühle mich irgendwie verdreht. Dann, für einen kurzen Moment, glaube ich, zu fallen. Doch die Hand unter meinem Kopf trägt mich. Alles ist gut. Ich bin sicher.
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Da ich inzwischen überhaupt nicht mehr einschätzen kann, wie lange ich schon durchs Wasser schwebe, frage ich mich, woran ich merke, dass die Session beendet ist. Einfach loslassen wird er mich hoffentlich nicht, denke ich. Trotzdem blinzle ich kurz, um sicherzugehen. Doch das wäre gar nicht nötig gewesen. Die kleinen Luftpolster werden nach und nach langsam abgenommen. Es folgen noch einige Bewegungen im Wasser, ehe Fuß für Fuß auf den Boden des Pools gestellt wird und die Watsu-Session mit einer sanften Stirn-Akupressur endet.
Als ich wieder aus dem Wasser steige, bin ich leicht neben der Spur, als hätte ich einen ausgiebigen Mittagsschlaf gemacht. Gleichzeitig fühlt sich mein Körper wunderbar warm und entspannt an. Bei einer Tasse Apfeltee lasse ich das eben Erlebte nachwirken und komme langsam wieder im Hier und Jetzt an.
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Fazit: Das muss ich unbedingt noch mal machen!
Vielleicht liegt es daran, dass ich ohne Erwartungen in die Watsu-Session gegangen bin, doch die Wasser-Massage hat mich tief beeindruckt. Das Gefühl der Wärme und des Getragenwerdens hat mich – zumindest eine Zeit lang – alles um mich herum vergessen lassen. Überrascht bin ich vor allem davon, wie gut man sich tatsächlich entspannen kann, während man durch das Wasser gleitet. Das kann auch Kirill bestätigen: „Als ich mit Watsu angefangen habe, konnte ich mir nicht vorstellen, dass Leute dabei tatsächlich einschlafen. Und jetzt liegen sie manchmal mit Mund und Nase nur ein paar Zentimeter über dem Wasser und ich höre sie leise schnarchen.“
Was den ausgebildeten Masseur und Watsu-Therapeut persönlich an der Technik fasziniert: „Man arbeitet bei einer Watsu-Massage mit dem Wasser. Im Wasser ist vieles einfacher. Man kann den Menschen drehen, kann die Wirbelsäule weiter dehnen. Das geht auf der Massage-Liege nicht.“ Seiner Meinung nach ist Watsu für jeden geeignet – egal, ob man auf der Suche nach tiefer Entspannung ist oder körperliche Beschwerden hat. Voraussetzung für ein intensives Watsu-Erlebnis ist Vertrauen. „Manchmal merke ich, dass die Leute währenddessen total angespannt sind. Das ist schade. Denn so verschwenden sie nur ihre Zeit“, sagt der Experte.
Für mich war die Watsu-Session in zweifacher Hinsicht eine besondere Erfahrung: Zum einen habe ich eine so tiefe Form der Entspannung erlebt, wie ich sie nur selten durch Autogenes Training, Yoga oder Meditation erreicht habe. Zum anderen habe ich gelernt, dass es befreiend sein kann, die Kontrolle abzugeben und einfach loszulassen – für mich ein wertvoller Erfahrungswert. Mein persönliches Fazit: Es lohnt sich, Watsu auszuprobieren. Für mich wird es definitiv nicht die letzte Massage im Wasser gewesen sein.
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Quellen
- 1. Watsu. Was ist WATSU? (aufgerufen am 2.3.22)
- 2. Maczkowiak, S., Hölter, G., Otten, H. (2007). WATSU – Zur Wirksamkeit unterschiedlich akzentuierter bewegungstherapeutischer Interventionen bei klinisch depressiven Patienten. Bewegungstherapie und Gesundheitssport.
- 3. Kieren Faull. (2005). A pilot study of the comparative effectiveness of two water-based treatments for fibromyalgia syndrome: Watsu and Aix massage. Journal of Bodywork and Movement Therapies.