24. Dezember 2021, 12:37 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Die meisten Menschen haben eine dominante Hand, bekanntlich in den meisten Fällen die rechte. Aber woher kommt diese „Mehrheit“ und wovon hängt es überhaupt ab, ob man zum Rechts- oder doch zum Linkshänder wird?
Die Veranlagung dafür, ob man Links- oder Rechtshänder wird, steckt in den Genen, wie uns der Frankfurter Neurologe Dr. med. Waldemar Schuster erklärt. Tatsächlich wird die Mehrheit der Menschen als Rechtshänder geboren. Warum sich die Evolution dafür entschieden hat, ist aber noch Gegenstand der Forschung und nicht eindeutig geklärt. Fossilienfunde legen nahe, dass es bereits vor rund 1,8 Millionen eine Dominanz der Rechtshändigkeit gegeben haben könnte.1 Eine Theorie besagt, dass es für unsere, auf Werkzeuge setzende Spezies vorteilhaft gewesen sein könnte, die Werkzeuge von anderen nutzen zu können.
Natürlich gebe es laut Dr. Schuster aber auch geborene Linkshänder, wenn sie nicht umtrainiert werden. Das habe man früher getan – einfach, weil es gängiger und praktischer sein sollte. Wenn Kinder von Geburt an daran gewöhnt wurden, fällt ihnen das Schreiben, Essen, Schneiden mit rechts natürlich nicht schwer. Selbstverständlich kann aber auch Linkshändigkeit erlernt sein.
Übersicht
Woran erkennt man einen „echten“ Rechts- oder Linkshänder?
Um tatsächlich ermitteln zu können, ob jemand anatomisch Rechts- oder Linkshänder ist, müsste man eine Hirnuntersuchung vornehmen. Die Wissenschaft geht davon aus, dass bei „echten“ Rechtshändern das Sprachzentrum in der linken Gehirnhälfte sitzt – und bei Linkshändern dementsprechend in der rechten Hemisphäre. Die Lokalisierung gestaltet sich allerdings etwas schwierig. Schuster zu FITBOOK: „Man müsste eine Gehirnhälfte betäuben. Wenn der Patient in diesem Experiment die Fähigkeit zu sprechen verliert, weiß man, dass auf der entsprechenden Seite das Sprachzentrum sitzt.“
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Schuster räumt jedoch ein, dass derartige Maßnahmen extrem selten ergriffen werden. Denn: „Wer würde sein Hirn betäuben lassen, nur um herauszufinden, ob er von Natur aus Rechts- oder Linkshänder ist?“
Einfacher wäre es übrigens – aber das ist auch nur in den allerersten Lebensjahren möglich –, einem Kind einen Ball zuzuwerfen und abzuwarten, mit welcher Hand es danach greift. Solche instinktiven Bewegungen sollte man aber nicht überbewerten. Es könnte nämlich sein, dass beim nächsten Versuch die jeweils andere Hand zum Einsatz kommt. Man sagt, dass Kinder beide Gehirnhälften noch gleichmäßiger nutzen als Erwachsene. Diese Fähigkeit verliert sich mit den Jahren und in der Regel prägt sich eine dominante Seite aus.
Studie sieht einen Vorteil bei Linkshändern
Im Zusammenhang mit der Links- bzw. Rechtshändigkeit haben Forscher der University of Oxford – die ebenfalls davon ausgehen, dass die deutliche Mehrheit Rechtshänder sind („etwa 90 Prozent der Menschen, und so ist es seit mindestens 10.000 Jahren) – in einer Untersuchung von 400.000 Probandendaten spannende Erkenntnisse gewonnen. Diese sind im Fachmagazin „Brain“ erschienen.2
„Wir haben herausgefunden, dass im Fall von Linkshändern die Sprachbereiche der linken und rechten Gehirnhälfte koordinierter miteinander kommunizieren“, erklärt Dr. Akira Wiberg, einer der Autoren der Studie. Das Ergebnis eröffne faszinierende Möglichkeiten für zukünftige Forschungen, wobei überprüft werden soll, ob Linkshänder sich besser ausdrücken können als Rechtshänder. Aber warum sollte das so sein?
Die Rolle der beiden Gehirnhälften
„Man sagt, dass die linke Hemisphäre die dominante und für verschiedene wichtige Funktionen von großer Bedeutung ist“, sagt Dr. Schuster zu FITBOOK. Dort sollen Vernunft und der Sinn fürs Praktische sitzen. Die rechte Gehirnhälfte hingegen stehe für Kreativität, Gefühl und Intuition.
Dr. Schuster betont, dass es sich bei Linkshändigkeit und einer entsprechend dominanten rechten Gehirnhälfte nicht um etwas Krankhaftes, sondern um einen sogenannten Situs inversus handelt. Bei einer solchen Besonderheit der Anatomie befinden sich einzelne Organe auf der spiegelverkehrten Seite des Körpers. Vergleichbar mit Personen, bei denen das Herz rechts schlägt.
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Fazit
Dass es deutlich mehr Rechts- als Linkshänder gibt, liegt einerseits an der natürlichen, über Jahrtausende herausgebildete menschlichen Veranlagung und des Weiteren auch an Gewöhnung. Deshalb sind Rechtshänder natürlich nicht besser als Linkshänder oder umgekehrt. Was Sie aber natürlich mal machen können: versuchsweise mit der jeweils anderen Hand schreiben oder schneiden. Das würde in die Kategorie bilaterale Hemisphärenstimulation (= Training für beide Gehirnhälften) fallen. Und dadurch soll man bekanntlich leistungsfähiger und fitter im Kopf werden.
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Quellen
- 1. Frayer DW, Clarke RJ, Fiore I, Blumenschine RJ, Pérez-Pérez A, Martinez LM, Estebaranz F, Holloway R, Bondioli L. OH-65: The earliest evidence for right-handedness in the fossil record. J Hum Evol. 2016 Nov;100:65-72. doi: 10.1016/j.jhevol.2016.07.002. PMID: 27765150.
- 2. Akira Wiberg, Michael Ng, Yasser Al Omran, Fidel Alfaro-Almagro, Paul McCarthy, Jonathan Marchini, David L Bennett, Stephen Smith, Gwenaëlle Douaud, Dominic Furniss, Handedness, language areas and neuropsychiatric diseases: insights from brain imaging and genetics, Brain, Volume 142, Issue 10, October 2019, Pages 2938–2947, https://doi.org/10.1093/brain/awz257