27. Dezember 2021, 5:37 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Viele Menschen sagen von sich aus, sie seien wenig kreativ. Oder sie hätten einen so stressigen Alltag, dass sie einfach keine Kreativität entwickeln können. Nun hat eine französische Studie gezeigt, wie ein Powernap, also ein Nickerchen, dabei helfen kann, kreativer zu werden. Dadurch lassen sich sogar Probleme besser lösen.
Heutzutage spricht man ungern davon, einen Mittagsschlaf oder ein Nickerchen halten zu wollen. Schließlich suggerieren beide Begriffe eine gewisse Schwäche, dass man erschöpft sei und sich ausruhen möchte. In der leistungsorientierten Gesellschaft spricht man lieber vom Powernap (zu Deutsch Energie-Nickerchen) bzw. dem Powernapping. Man tankt also kurz mal Energie auf im Laufe des Tages, um wieder voll leistungsfähig zu sein. Französische Forscher fanden heraus, dass ein Powernap die Kreativität ankurbelt und dabei helfen kann, Probleme besser zu lösen. Wir erklären, wie es funktioniert und wie lange der perfekte Powernap dauert.
Übersicht
Wie lange dauert ein Powernap?
Das Nickerchen zum Energietanken sollte auf keinen Fall länger als 30 Minuten dauern, denn sonst kommt man in die Tiefschlafphase. Wer daraus wieder erwacht, der fühlt sich eher schlapp als fit. Der Energiebooster-Effekt geht also völlig verloren. Optimal ist ein Zeitraum zwischen 10 und 20 Minuten, um wegzunicken. Dabei befindet man sich im Leichtschlaf, der in der Schlafmedizin in die Non-REM-Phasen N1 und N2 unterteilt wird. Wer daraus wieder erwacht, der fühlt sich erholter und fitter. An der Universität Düsseldorf fand man heraus, dass sogar schon sechs Minuten Schlaf ausreichen können, um das Erinnerungsvermögen zu verbessern.1
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Wie wirkt sich ein Powernap auf die Kreativität aus?
Um herauszufinden, ob ein Powernap auch eine positive Wirkung auf die Kreativität hat, haben Pariser Forscher von der Sorbonne ein sogenanntes Edison-Experiment mit 103 Probanden durchgeführt.2 Das Experiment ist nach dem großen amerikanischen Erfinder Thomas Alva Edison benannt, der eine ganz spezielle Methode hatte, um seine Kreativität anzukurbeln: „Edison machte einfach in einem bequemen Sessel ein Nickerchen. Dabei hielt er eine metallene Kugel in der Hand. Sobald der Schlaf ihn übermannte, entspannten sich seine Muskeln und die Kugel fiel zu Boden. Das Geräusch weckte ihn auf. So konnte er sich erinnern an das, was in seinem Geist beim Übergang vom Wachsein zum Schlaf vor sich ging“, erklärt Thomas Andrillon, einer der Studienautoren.
Um zu überprüfen, ob diese Methode auch bei anderen Menschen funktioniert, wählte man 103 Probanden für die Studie aus. Man stellte ihnen eine mathematische Aufgabe, die sich einfach lösen lässt, sofern man auf die Formel kommt, die dahinter steckt. Nach einer bestimmten Zeit gab es eine Pause, eine Art Powernapping. In der Pause gingen die Probanden in einen abgedunkelten Raum und durften sich in einem Sessel für 20 Minuten ausruhen. Dabei hielten sie in der einen Hand ein Objekt. Sobald sie einnickten (also die N1-Leichtschlafphase erreichten), fiel das Objekt zu Boden und sie wachten auf. Daraufhin sollten sie beschreiben, was im Kopf vorging und was für Gedanken sie hatten. Anschließend konnten sie wieder in die Ruheposition gehen bis die 20-minütige Pause vorbei war.
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Das Ergebnis war erstaunlich: Diejenigen Probanden, welche die N1-Leichtschlafphase erreichten, knackten die mathematische Formel zur Lösung der vorgegebenen Aufgabe fast dreimal so häufig wie jene Probanden, die nicht einschliefen. Oder anders ausgedrückt: Nur 30 Prozent der wach gebliebenen Probanden erkannten die Formel, während von den eingenickten Probanden es 80 Prozent schafften. Wer jedoch tiefer eingeschlafen war, bekam keinen Kreativitätsschub.
Anzumerken ist, dass die Kreativität sich nicht sofort nach dem Aufwachen aus dem Powernap bemerkbar machte. Die Probanden sind also nicht mit einer Lösung für die Aufgabe aufgewacht, sondern kamen auf diese erst, als sie die Aufgabe weiter bearbeiteten.
Was passiert im Gehirn beim Nickerchen?
Offensichtlich ist unser Gehirn im wachen Zustand mit so vielen Prozessen beschäftigt, dass uns kreative Lösungen manchmal schwerfallen. „Der Schlaf ist eine Zeit, in der das Gehirn viel effizienter arbeiten kann als im Wachzustand“, erklärt Colin Espie, Professor für Schlafmedizin an der Universität Oxford dem australischen Nachrichtenportal „The Sydney Morning Herald“.3 „Viele von uns betrachten Schlaf als Ausfallzeit. Dabei ist es für das Gehirn eher so, als wenn man die Kinder ins Bett bringt und man andere Dinge erledigen kann, bei denen sie nicht stören. Das Gehirn denkt sich: ‚Toll, du störst nicht – ich kann endlich meine ganzen Dinge erledigen‘“, so der Wissenschaftler.
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Laut Colin Espie lassen sich die Prozesse im Gehirn durch elektrische Aktivität erklären. Bei der Arbeit oder beim Gespräch produziert das Gehirn beispielsweise schnelle elektrische Wellen mit geringer Amplitude, sogenannte Beta-Wellen. Dabei werden kreative Prozesse unterdrückt. Beim Ausruhen produziert das Gehirn langsamere Alpha-Wellen mit höherer Amplitude. Dann fangen wir an einzunicken. Jetzt nähern wir uns dem Schlaf und es bilden sich sogenannte Theta-Wellen. Die werden auch mit Tagträumen in Verbindung gebracht. Im Tiefschlaf produzieren wir dann Delta-Wellen.
Insbesondere Theta-Wellen, die beim Einschlafen und beim Nickerchen aktiv sind, könnten dafür verantwortlich sein, dass wir Probleme und Situationen aus einem anderen Blickwinkel wahrnehmen oder sogar einen Geistesblitz bekommen.
Fazit
Laut der französischen Studie kann schon eine Minute leichten Schlafs die Kreativität und damit auch die Lösungsfähigkeit von Problemen anregen. Dabei ist es allerdings ein schmaler Grat, denn der positive Effekt entsteht nur in der Einschlafphase, der sogenannten N1-Leichtschlafphase. Wenn man in die Tiefschlafphase rutscht, geht der Effekt verloren. Doch mit einem einfachen Trick kann man sich beim Powernapping davor bewahren, zu tief einzuschlafen: Man macht es sich am besten in einem Sessel oder auf der Couch bequem und hält etwas in der Hand. Wenn es zu Boden fällt und ein Geräusch macht, wird man sofort wach, bevor man zu tief einschläft. Die perfekte Dauer für einen Powernap wird also dadurch bestimmt, wie schnell man in die Leichtschlafphase hinübergleitet.
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Quellen
- 1. Lahl, O., Wispel, C., Willigens, B., Pietrowsky, R. (2008). An ultra short episode of sleep is sufficient to promote declarative memory performance. J Sleep Res.
- 2. Lacaux, C., Andrillon, T., Bastoul, C., Idir, Y., Fonteix-Galet, A., Arnulf, I,. Oudiette, D. (2021). Sleep onset is a creative sweet spot. Sciences Advances.
- 3. The Sydney Morning Herald. How to harness the power of sleep’s ‘twilight zone’ (aufgerufen am 23.12.2021)