9. Mai 2022, 19:03 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Es schlägt und schlägt und schlägt: Das Herz ist der Motor unseres Körpers. Für seine Gesundheit spielt unser mentales Wohlbefinden eine große Rolle –das gilt allerdings auch umgekehrt. Eine Studie hat jetzt herausgefunden, dass sich psychische Erkrankungen negativ auf das Herz-Kreislauf-System auswirken können.
Ein Herz und eine Seele sein: Dieser Satz gilt auch, wenn es um die Gesundheit geht. „Geht es der einen Seite nicht gut, leidet oft auch die andere darunter“, sagt der Mediziner Prof. Volker Köllner. Manchmal reiche es deshalb nicht, bei der Behandlung nur die eine Seite zu berücksichtigen, so der Chefarzt für Psychosomatik am Reha-Zentrum Seehof in Teltow bei Berlin. Aber warum schlägt Dauerstress eigentlich aufs Herz?
Übersicht
Stress als Krankmacher
Es ist hilfreich, die Wechselwirkungen zwischen mentaler Gesundheit und Herzgesundheit in den Blick zu nehmen – wofür es mit der Psychokardiologie sogar eine eigene Spezialdisziplin in der Medizin gibt. Eine Vielzahl von Studien belegt, dass die Gesundheit von Herz und Psyche eng miteinander verflochten sind. Depressionen etwa erhöhen das Risiko für einen Herzinfarkt fast so stark wie Rauchen.
„Wir wissen zudem, dass Stress, den Menschen sehr früh in ihrer Lebensgeschichte erfahren, ein Krankmacher ist“, sagt Köllner. Gewalt und sexuelle Misshandlungen in der Kindheit erhöhen das Risiko für Herzerkrankungen – auch wenn diese sich womöglich erst Jahrzehnte später zeigen.
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Broken-Heart-Syndrom – Effekte von akutem Stress aufs Herz
Dass enormer Stress – eine Todesnachricht oder ein Jobverlust zum Beispiel – ganz unmittelbar auf das Herz schlagen kann, zeigt das Broken-Heart-Syndrom. Dabei handelt es sich um eine akute Herzschwäche, bei der die Pumpleistung des Organs nachlässt. Viele Betroffene müssen auf der Intensivstation behandelt werden, wobei sich das Herz – anders als bei anderen Erkrankungen – wieder erholt.
Dauerstress schlecht fürs Herz, weil Blutplättchen verkleben
Für das Herz wird Stress aber viel häufiger zum Problem, wenn er chronisch wird. Dabei sind es die körperlichen Stressreaktionen selbst, die dem Herzen auf Dauer schaden. Zentral ist dabei das vegetative Nervensystem, das lebenswichtige Funktionen wie den Herzschlag steuert. Unter Stress klopft unser Herz nicht nur schneller, um den Körper auf maximale Leistung einzustellen: Auch die Blutplättchen verkleben stärker, um Blutungen besser stillen zu können.
„Der Körper stellt sich darauf ein, verwundet zu werden“, sagt Prof. Christoph Herrmann-Lingen, Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsmedizin Göttingen. Die unerwünschte Folge: So wird die Entstehung von verengten Herzkranzgefäßen begünstigt.
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Das permanente Hochfahren des Herz-Kreislauf-Systems kann zudem zu Bluthochdruck führen, wodurch die Herzgefäße Schaden nehmen können. Das Risiko für einen Herzinfarkt oder eine Herzinsuffizienz steigt.
Dazu kommt: In stressigen Zeiten leidet oft das Gesundheitsverhalten. Die eine streicht ihren wöchentlichen Sportkurs und greift häufiger zur Zigarette, der andere isst fast täglich Fast Food. Was diese Verhaltensweisen gemeinsam haben: Sie sind Risikofaktoren für Herzerkrankungen. Der Schlüssel zur Vorbeugung ist also, auch in stressigen Phasen an gesunden Routinen festzuhalten. Sonst schädigt der Dauerstress das Herz.
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Psychische Erkrankungen schaden Herz-Kreislauf-System
Eine im Magazin „Biomedical Engineering“ erschienene Studie belegt die negativen Auswirkungen von Dauerstress durch psychische Erkrankungen auf das Herz-Kreislauf-System. Für gewöhnlich passe sich ein Herz äußerlichen Stressoren und Umwelteinflüssen an, so die Forscher. Eine sich ständig ändernde Herzfrequenz sei demnach ein Zeichen für eine gute Gesundheit. Menschen, die an einer psychischen Erkrankung leiden, weisen jedoch häufig nur geringe Herzfrequenzvariationen auf. Dies könne die negativen Folgen von chronischem Stress sogar noch verschlimmern.
Ein weiteres Ergebnis der Studie: Während bei gesunden Menschen nachts der Blutdruck, genauer gesagt der systolische Druck, um zehn bis 20 Prozent sinkt, fällt er bei Menschen mit psychischen Erkrankungen während des Schlafens nicht ausreichend ab. Das Herz kann sich somit niemals richtig ausruhen. Grund dafür sind häufig Begleiterscheinungen von psychischen Problemen, wie z. B. eine schlechte Schlafqualität.
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Wenn Herzerkrankungen auf die Psyche schlagen
Umgekehrt erleidet oft auch die Psyche Schrammen, wenn Menschen erleben, dass ihr Herz versagt. „Eine Herzkrankheit wie etwa ein Herzinfarkt ist nicht nur ein verstauchter Knöchel“, sagt Christoph Herrmann-Lingen. „Ein solches Erlebnis kann das Urvertrauen in den eigenen Körper erschüttern.“
Ängste und Besorgtheit sind – gerade in der ersten Zeit – eine normale psychische Reaktion auf so ein Ereignis. „Beim Großteil der Patientinnen und Patienten normalisiert sich die Psyche nach einiger Zeit wieder“, sagt Volker Köllner. Aber nicht bei allen.
„Es gibt Patientinnen und Patienten, die übermäßig auf den eigenen Körper achten, um Vorboten eines neuen Herzinfarktes zu erkennen“, sagt Klinikdirektor Herrmann-Lingen. Das sorgt für ein hohes Stresslevel und mitunter auch dafür, dass Betroffene ihren Körper kaum noch fordern. „Dabei ist regelmäßige körperliche Aktivität wichtig. Schließlich verringert Sport das Risiko für neue Herzerkrankungen und auch für Depressionen.“
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Wie lässt sich der Teufelskreis durchbrechen?
Zunächst ist ein Gespräch mit der Ärztin oder dem Arzt sinnvoll, um die Befürchtungen mit der Realität abzugleichen. „Ein hilfreiches Angebot sind auch die vielen Herzsportgruppen“, sagt Volker Köllner. Diese werden von Sportvereinen, Reha-Kliniken oder anderen Trägern angeboten. Außerdem kann eine Psychotherapie helfen, wieder Vertrauen in das eigene Herz zu fassen und die Körperwahrnehmung zu schulen.
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Quellen
- Volker Köllner, Eike Langheim, Judit Kleinschmidt: „Mein Herz + meine Seele. Das Zusammenspiel von Psyche und Herz – Spannende Einblicke in die Psychokardiologie“, Trias-Verlag.
- Shahimi, N.H., Lim, R., Mat, S. et al. (2022). Association between mental illness and blood pressure variability: a systematic review. Biomedical Engineering Online.
- University of South Australia. (2022). Mental illness plays havoc with blood pressure and heart rate.
Mit Material von dpa