1. Oktober 2019, 7:07 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Yoga bedeutet für ganz viele Menschen ganz viele unterschiedliche Dinge. Autorin und Yoga-Lehrerin Anna Wengel hat typische Vorurteile gegen Yoga zusammengeschrieben und darauf geantwortet.
1. „Yoga ist kein Sport, sondern bloß Stretching“
Vorurteil Nummer eins kommt meist von Sportlern – und steckt meiner Ansicht nach tief vergraben in einer Schublade ohne Boden. Will sagen: Wer glaubt, Yoga sei kein Sport, hat keine Ahnung und fällt augenscheinlich bloß ein vorschnelles Urteil. Yoga beinhaltet viel Stretching, ist aber unendlich viel vielschichtiger als das. Wer sich einmal durch eine komplette Ashtanga-Runde gekämpft und dabei bächeweise Schweiß vergossen hat oder vor Muskelzucken fast aus seinem Minuten dauernden Warrior II geflogen ist, weiß warum. Und das sind zwei extremere Beispiele. Für jemanden, der sich wenig bewegt, kann schon ein kurzer Sonnengruß richtig anstrengend und anspruchsvoll sein.
Ich gehe aber insoweit mit: Yoga ist nicht nur ein, sondern viel mehr als nur Sport. Im Westen wird Yoga meist mit den Asanas, also den Übungen, gleichgesetzt. Die sind jedoch nur einer von acht Teilen, die in der Tradition unter dem Begriff „Yoga“ zusammengefasst werden. Yoga als Bezeichnung für die Übungen ist also nicht ganz richtig. Ganz kurz zusammengefasst meint Yoga so viel mehr, weil es eine komplette achtsame Lebenseinstellung und philosophische Lehre ist, zu der neben körperlicher auch die Pflege des Geistes gehört. Das Wort an sich bedeutet übrigens so viel wie Einheit oder Harmonie. Alles ist also Yoga, solange jemand bewusst lebt.
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2. „Yoga ist nur was für Esos, Spirituelle, Hippies, Hipster, Frauen …“
Ja, es gibt viele spirituell und Esoterik-angehauchte Hippies, die die Sonne grüßen. Ja, es gibt viele Hipster, für die der nach unten schauende Hund Teil der Trendkultur ist. Ja, im Westen sind es ganz viele Frauen, die auf allen Vieren Katze und Kuh abwechseln. Yoga ist trotzdem nicht nur für Gruppe X gut und schließt alle anderen aus.
Yoga ist was für Menschen mit einem Körper. Wenn ein einigermaßen funktionierender Geist dazukommt, ist das hilfreich. Geht aber auch ohne.
3. „Ich bin nicht flexibel genug für Yoga“
Blödsinn und herzlichen Glückwunsch! Wer mit einem gefühlt unflexiblen Körper anfängt, merkt viel schneller, dass sich etwas verändert und er flexibler wird – wenn er die Übungen regelmäßig wiederholt. Superflexible Menschen müssen viel mehr Aufwand betreiben, um an körperliche Grenzen zu kommen. Das weiß ich, weil ich auch zum Kreis der Steifkörper gehöre: Als ich anfing regelmäßig Hatha Yoga zu machen, konnte ich beim Vornüberbeugen gerade mal meine Knie berühren. Dann war Schluss. Verkürzte Sehnen hat mal ein Arzt gesagt. Heute schiebe ich meine Handflächen ganz einfach und ohne doofes Beinziepen unter meine Fußsohlen. Da bleiben sie, ist bequem. Yoga kann ganz schön was, wenn man es denn macht.
4. „Ich bin zu unruhig“
Es gibt keinen besseren Grund, um jetzt sofort mit Yoga und vor allem mit ruhigen Stilarten wie Yin anzufangen. Ja, es ist vielleicht hart am Anfang. Der Kopf scheint vor lauter Wortsalven zu explodieren. Ich verrate Ihnen aber was: Tut er nicht. Nichts kann passieren. Einmal durch dieses anfängliche Ungemütlichkeits-Gefühl durch, wird es immer besser. Ganz sicher. Und wer sich trotzdem auspowern will, hat jede Menge Yoga-Stile zur Auswahl, bei denen das fast garantiert wird. Stichwort: Ashtanga.
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5. „Ich bin zu alt“
Meine Oma ist 86 Jahre alt und setzt sich auf einen Stuhl. Da kann sie Yoga drauf machen. Genau so, dass es für ihren Körper passt. Yoga ist vermutlich der flexibelste Sport der Welt. Die Stilrichtungen reichen vom super entspannten Yin bis zum anstrengendem Ashtanga und jede Übung kommt mit Optionen, kann also einfacher und schwerer gemacht werden. Und da Yoga eben nicht nur die Asanas sind, gibt es auch noch diverse andere Dinge, die ein Mensch beim Yoga machen kann. Bewusst atmen zum Beispiel.
6. „Ich bin zu dick“
Kann gar nicht sein. Solange ein Körper sich wenigstens minimal bewegen kann, kann er auch Asanas ausführen. Und Flexibilität hat übrigens nicht unbedingt was mit Körpergewicht zu tun, wie diverse korpulente und überaus verrenkbare Yogalehrer etwa auf Instagram beweisen.
7. „Yoga ist langweilig“
Diesen Satz höre ich immer wieder von Menschen, die nicht gern über einen längeren Zeitraum mit sich allein sind. Und genau das ist vermutlich der Grund. Wer daran nichts ändern will, gut, für den ist und bleibt Yoga vermutlich langweilig. Wer aber genau seine eigene Gesellschaft und sich selbst mehr schätzen lernen möchte, der ist mit Yoga gut beraten. Denn das, was wir im Yoga lernen, ist Bewusstsein, Achtsamkeit, im Hier und Jetzt bleiben. Egal, wie abgedroschen die Phrase mittlerweile ist, gerade jetzt, wo alles so schnell ist und wir ständig mit Infos und Bildern zugemüllt werden – Stichwort Social Media – fällt das bewusste im Jetzt bleiben, vielen von uns ganz schön schwer. Yoga kann sich dem entgegensetzen.
8. „Yoga meint so krasse Verrenkungen, wie ich sie von Instagram kenne“
Ja, auch. Aber nicht nur. Haben Sie schon mal was von der Kinds-Pose gehört? Oder noch einfacher: Sevasana? Asanas sind genauso vielseitig wie die Menschen, die sie ausführen. Wie gesagt, Yoga ist der wohl vielschichtigste Sport, gerade, weil JEDER Yoga machen kann.
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9. „Ich werde nie gut im Yoga sein“
Gut, schlecht … – was bedeutet das? „Gut“ ist immer nur ein sehr subjektives Urteil und tatsächlich gibt es sowas im Yoga einfach nicht. Deshalb sagen so viele Yogalehrer so oft, dass die Schüler bei sich und auf ihrer Matte bleiben und nicht auf die anderen um sie herum achten sollen. Die Asanas ebenso wie Meditation und die Atemübungen des Pranayama sind wie alles andere ein ganz individueller Lernprozess und der ist weder gut noch schlecht.