14. Februar 2022, 11:29 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Warum verdrängen manche Mütter ihre Schwangerschaft? Nach Auskunft von Therapeuten ist das ein Zeichen von Überforderung und von der Unfähigkeit, Konflikte auszutragen. Und kann in seltenen, schrecklichen Fällen sogar dazu führen, dass die Frauen ihr Baby töten.
Wenn eine Frau nicht wahrhaben möchte, dass sie ein Baby erwartet, ist Hilfe gefragt. Denn eine verdrängte Schwangerschaft kann zur Kindstötung führen. Doch wie kann es bloß soweit kommen? Nach Ansicht einer Psychotherapeutin gibt es in diesen extremen Fällen immer Konflikte im Leben der Betroffenen. „Entweder ist die Ehe am Zerbrechen oder sie sind mit ihrer Lebenssituation aus einem anderen Grund maximal überfordert“, sagte Johanna Graf von der Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Universitätsklinik in Tübingen.
Übersicht
Verdrängte Schwangerschaft und Neonatizid
Unter Neonatizid versteht man die Tötung eines schutzlosen Neugeborenen während oder direkt nach der Geburt. Studien hätten gezeigt, dass die Verdrängung und Verheimlichung der Schwangerschaft ein Hintergrund solcher Taten sein könne. „Solche Fälle sind aber sehr selten“, sagt die Psychotherapeutin, die an der Uniklinik eine psychogynäkologische Sprechstunde in Kooperation mit der Frauenklinik aufgebaut hat.
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„Ganz normale Frauen“
Die Daten aus einer Studie zu Kindstötungen zeigen, dass solche Taten in Deutschland von Frauen jeden Alters und keineswegs nur von Erstgebärenden begangen werden. Die Täterinnen wiesen weder in ihrer sozioökonomischen Lage noch bezogen auf ihre Persönlichkeit besonders auffällige Merkmale auf.1 „Einfacher ausgedrückt: Die allermeisten Frauen, die Neonatizide begangen haben, sind – mit der Ausnahme dieser Tat – ganz normale Frauen.“
Meist handelt es sich laut Graf um Frauen, die Konflikten aus dem Weg gehen. „Präventive Maßnahmen wie beispielsweise die Inanspruchnahme einer Babyklappe oder einer anonymen Geburt greifen bei diesen Frauen nicht“, sagt Graf. Die Verdrängung sei ein psychologischer Abwehrmechanismus. „Solche Frauen wollen die Schwangerschaft nicht wahrnehmen. Sie sind nicht in der Lage, nach Lösungen zu suchen und handeln deswegen nicht planvoll oder präventiv.“
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Frühe Hilfe ist wichtig
Viele Fälle blieben unentdeckt. Hilfe sei im Vorfeld enorm wichtig. Die psychogynäkologische Sprechstunde behandelt Frauen, die aufgrund der Schwangerschaft in Konflikte geraten. So könnten eine verdrängte Schwangerschaft und deren mögliche Folgen vermieden werden.
In Baden-Württemberg gibt es nach Auskunft des Sozialministeriums acht Babyklappen. Die erste wurde 2001 in Karlsruhe eröffnet. In den Klappen befindet sich ein Wärmebettchen, in das der Säugling gelegt werden kann. Dann wird nach ein bis zwei Minuten ein interner Alarm ausgelöst, damit das Kind schnell herausgenommen und versorgt werden kann.
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Quellen
- 1. Höynck T, Zähringer U., Behnsen M. (2011). Neonatizid. Expertise im Rahmen des Projekts „Anonyme Geburt und Babyklappen in Deutschland – Fallzahlen, Angebote, Kontexte“. Deutsches Jugendinstitut.
- Mit Material von dpa