2. Juli 2021, 13:29 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Neue Trainingsmethoden erhalten im Profifußball schnell Einzug. Jüngst zu beobachten beim Belgier Thorgan Hazard, der mit seinem Team den EM-Titelverteidiger Portugal aus dem Turnier kickte. Beim Jubel über sein Tor zeigte der 28-Jährige eine Handkoordinationsübung, mit der man sich entscheidende Fähigkeiten erarbeiten kann. Kriegen Sie das auch hin?
Das EM-Achtelfinale Belgien gegen Portugal endete vergangenen Sonntag mit einem 1:0-Sieg für Belgien und für FITBOOK mit einer interessanten Beobachtung: Der Fingerübung, mit der Torschütze Thorgan Hazard nach seinem Treffer über den Platz fegte. Mit jeder Hand spreizte er zwei andere Finger ab und wechselte die Positionen schnell. Links ausgestreckter Zeige- und Ringfinger (Victory-Zeichen), rechts Daumen und Zeigefinger, dann andersrum, immer im Wechsel.
Eine Übung aus dem gehirnbasierten Training
Womit der 28-jährige Mittelfeldspieler seiner Freude über das 1:0 Ausdruck verlieh, ist eine Handkoordinationsübung, wie sie im neurozentrierten (gehirnbasierten) Training bzw. in der Neuroathletik zum Einsatz kommen, erklärt Luise Walther, Expertin auf diesem Gebiet, im Gespräch mit FITBOOK. Sie weiß: Im Profifußball werden solche Übungen eingesetzt, um Entscheidungsfindung, Passgenauigkeit und Konzentration der Spieler zu verbessern. Auch die deutschen Leichtathleten fuhren 2016 mit spezieller Betreuung auf diesem Gebiet zu den Olympischen Spielen nach Rio de Janeiro.
Thorgan Hazards Hände müssen bei dieser Übung unterschiedliche Bewegungen ausführen. Der Wechsel zwischen beiden Händen erschwert die Aufgabe. Und was bringt das fürs Spiel? Luise Walther: „Man kann sich das so vorstellen: Die rechte und linke Gehirnhälfte haben unterschiedliche Aufgaben. Wenn der Spieler den Ball mit dem rechten Bein schießt, muss die linke Körperhälfte stabilisiert werden, damit er nicht umfällt. Gleichzeitig müssen die Augen nicht nur die Gegenspieler, sondern auch das Tor und Mitspieler für einen eventuellen Pass im Blick haben.“
Das Gehirn, erklärt die Expertin, berechnet kontinuierlich, wie weit das Tor, der nächste Mitspieler und der Gegenspieler entfernt sind. Mit wie viel Kraft müsste der Fuß den Ball treffen, wie viel Schwung braucht das Bein und wie viel Spannung braucht der Rumpf, um nicht umzufallen? Dies geschieht innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde. „Je besser die unterschiedlichen Hirnbereiche zusammenarbeiten und miteinander kommunizieren, umso besser das Ergebnis“, erklärt Walther.
Entscheidungsfindung, Passgenauigkeit, Konzentration
Hazard arbeitet wie viele andere Profis aus unterschiedlichen Sportarten – auch Thomas Müller (31) und sein Kumpel Felix Neureuther sind Fans – mit dieser Technik. Sie würden durch den schnellen Wechsel zwischen zwei unterschiedlichen Aufgaben mit der rechten und linken Hand die unterschiedlichen Hirnbereiche vorab trainieren, um im Spiel (bzw. beim jeweiligen Wettkampf) eine „schnelleren Entscheidungsfindung, höhere Passgenauigkeit und bessere Konzentration“ zu erreichen. Walther: „Das Ergebnis in diesem Fall war ein perfekter Torschuss“.
Vielleicht wollte uns Thorgan Hazard etwas zeigen
Im Moment würden besonders Profispieler mit diesem Ansatz arbeiten, die für ihren Ehrgeiz bekannt seien, so die Expertin für neurozentriertes Training. Ihre Beobachtung stützt, was Hazards Vater Thierry (55) vor Jahren dem „Spiegel“ einmal verriet: „Was den Fleiß angeht, ist Thorgan vorne.“ Möglich, dass uns Thorgan Hazard mit der Geste nach dem laut eigener Aussage „wichtigsten Treffer in meiner Karriere“ signalisieren wollte, woher der Wind weht. „Vielleicht wollte er uns damit zeigen, dass er smart, holistisch (ganzheitlich, Anm. d. Red.) und gehirnbasiert trainiert“, mutmaßt Walther.
Bei so viel Konkurrenz in der eigenen Familie vielleicht auch kein schlechter Ansatz, ganz eigene Wege zu gehen. Die Hazards sind eine bekannte Fußballerfamilie. Thorgan spielt mit seinem Bruder Eden (30) in der belgischen Nationalelf, Thierrys Söhne Kylian (25) und Ethan (17) sind ebenfalls Fußballprofis, genauso, wie er selbst einer war.
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Jetzt sind Sie dran!
Probieren Sie die Handkoordinationsübung doch mal für sich selbst aus! Zeigen Sie links das Victory-Zeichen und spreizen Sie rechts Zeigefinger und Daumen ab. Dann wechseln. Der erste Versuch braucht erfahrungsgemäß etwas Zeit und viel Konzentration. Können sie das Tempo steigern? Spoiler: Sieht definitiv leichter aus, als es ist. Auch die FITBOOK-Redaktion tut sich mit der Übung extrem schwer. Wie gut oder schlecht sie auf Anhieb gelingt, hängt laut Luise Walther davon ab, was Körper und Gehirn im Alltag gewohnt seien. Wer ein Instrument spielen kann, dürfte leichteres Spiel haben. Aber wie immer gilt: Übung macht den Meister!
P.S.: Wer uns und die Leser und Leserinnen an seinem Können teilhaben lassen möchte, schickt uns ein kurzes Video an info@fitbook.de. Mutige vor! Oder markiert uns auf Instagram – wir teilen es in unserer Story!