22. April 2024, 13:48 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Für Superstar Taylor Swift ist L-Theanin nach eigener Aussage ein wahres Wundermittel gegen Stress und sogar gegen Angstzustände. Ist es sinnvoll, die Aminosäure als Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen? FITBOOK klärt, ob es einen wissenschaftlichen Nachweis der gesundheitlichen Wirksamkeit gibt und fragte beim Ernährungswissenschaftler nach, wie sich der Konsum auswirkt und welche Gefahren er birgt.
Anlässlich ihres 30. Geburtstags 2019 schrieb die Sängerin Taylor Swift für die amerikanische Zeitschrift „Elle“ einen Artikel mit dem Titel „30 Dinge, die ich gelernt habe, bevor ich 30 wurde“. Unter Punkt 15 ist zu lesen: „Ich nehme L-Theanin, ein natürliches Nahrungsergänzungsmittel gegen Stress und Angst.“ Dieser kurze Satz dürfte Millionen von Swifties dazu veranlasst haben, teure L-Theanin-Präparate zu kaufen, in der Hoffnung, auch von Stress und Angstzuständen befreit zu werden. Hilft das Supplement, das größtenteils als Grünteeextrakt angeboten wird, tatsächlich – oder sollte man sich das Geld lieber sparen?
Übersicht
Was ist L-Theanin?
L-Theanin ist eine Aminosäure, die der Körper nicht selbst produzieren kann und die daher über die Nahrung aufgenommen werden muss. Da sie aber nicht lebensnotwendig ist, sondern nur in bestimmten Situationen nützlich sein kann, spricht man bei L-Theanin auch von einer bedingt essenziellen Aminosäure. L-Theanin, auch einfach Theanin genannt, kommt natürlicherweise in grünem Tee vor und passiert nach dem Genuss die Blut-Hirn-Schranke. Dort bewirkt es die Freisetzung der Neurotransmitter Dopamin, Serotonin und GABA. Diese Kombination ist laut Forschung höchstwahrscheinlich für die entspannende, stresslösende und aufmerksamkeitsfördernde Wirkung verantwortlich. Denn sie neutralisiert ebenso die negativen Effekte des Koffeins, was wiederum erklärt, warum grüner Tee so sanft wach macht.1
Das weiß die Wissenschaft über L-Theanin
Taylor Swifts Begeisterung für L-Theanin hat also eine wissenschaftliche Grundlage. Allerdings beruhen die meisten aussagekräftigen Studienergebnisse auf Tiermodellen, unter anderem mit Mäusen und Ratten. Bei ihnen konnte, zumindest unter Laborbedingungen, eine beruhigende und angstlösende Wirkung von L-Theanin nachgewiesen werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Ergebnisse eins zu eins auf den Menschen übertragbar sind.2 Beim Menschen gibt es bisher nur wenige Studien. Meist sind die Teilnehmerzahlen zu gering und die Versuchszeiträume zu kurz, um allgemeingültige Aussagen treffen zu können. Die vorhandenen Studien geben aber vielversprechende Hinweise. Nach einer kleinen japanischen Studie mit 30 psychisch gesunden Frauen und Männern führte eine vierwöchige Einnahme von L-Theanin zu einer leichten Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit und des Wohlbefindens.3
„Wundermittel“ L-Theanin – hat Taylor Swift recht?
Achtung, wer jetzt gleich die Online-Shops besucht, um sich große Mengen L-Theanin zu bestellen, sollte auch dies wissen: Es ist absolut nicht absehbar, wie der menschliche Organismus auf isoliertes L-Theanin auf Dauer reagiert. Es gibt sogar Hinweise, dass Grünteeextrakt in hohen Dosen toxisch und damit zellschädigend sei. Das kann unter Umständen auch für die Leber gefährlich werden (FITBOOK berichtete). Auch das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) sieht L-Theanin als Nahrungsergänzungsmittel kritisch, weshalb hierzulande der Einsatz von künstlich zugesetztem L-Theanin in Getränken nicht erlaubt ist. 4 Außerdem: Werbung mit gesundheitsbezogenen Aussagen ist in Deutschland bei Nahrungsergänzungsmitteln, die nicht so streng wie Medikamente kontrolliert werden, nicht erlaubt.
Das sagt der Ernährungswissenschaftler Uwe Knop
Wie bei allen Nahrungsergänzungsmitteln gibt es auch bei L-Theanin keinen wissenschaftlichen Nachweis der gesundheitlichen Wirksamkeit. Genauso wenig kann irgendwer sagen, wie sich der Konsum von angereichertem Tee oder anderen Getränken mit dieser Aminosäure, einem Eiweißbaustein, auswirkt. Es ist und bleibt eine persönliche ‚Fühlwirkung‘, die man glaubt, zu spüren. Das ist alles. Auf der potenziell negativen Seite hingegen muss auch erwähnt werden: Niemand weiß, wie sich ein unkontrollierter dauerhaft hoher Konsum langfristig auf die Gesundheit auswirkt.
Uwe Knop, Diplom-Ernährungswissenschaftler und Autor des Buches „Intuitiv Essen“
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Fazit – abwarten und grünen Tee trinken
Grüner Tee ist nachweislich eines der gesündesten Getränke der Welt. Wahrscheinlich auch, weil er L-Theanin enthält. Und es ist davon auszugehen, dass die Substanz, die von der Wissenschaft als vielversprechend eingestuft wird, vor allem als belebendes Heißgetränk seine beste und damit volle Wirkung entfaltet. Solange die Forschung aber nicht genau weiß, wie es um L-Theanin als Nahrungsergänzungsmittel bestellt ist, sollten Taylor-Swift-Fans lieber abwarten und köstlichen grünen Tee trinken, bevor sie viel Geld für L-Theanin-Kapseln ausgeben, die möglicherweise mehr Schaden anrichten als Nutzen.