22. November 2024, 17:14 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Die dunkle Jahreszeit macht vielen Menschen zu schaffen. Sie fühlen sich antriebslos, haben miese Laune und sind ständig müde. Abhilfe gegen eine solche Winterdepression versprechen Lichttherapien – etwa mit Tageslichtlampen. Doch gibt es überhaupt Beweise für deren antidepressive Wirkung? FITBOOK sprach mit einem Psychiater und Somnologen über das Thema und erklärt, worauf man beim Kauf einer Tageslichtlampe achten sollte und wie man möglichst stark von ihrer Wirkung profitiert.
Am liebsten möchte man sich in die eigenen vier Wände verkriechen und das Bett nicht mehr verlassen, der Alltag wird ohnehin nur von häufigem Gähnen begleitet. Am Ende mündet die ständige Müdigkeit in schlechte Laune. Der Volksmund nutzt für ein solches Erleben den Begriff „Winterdepression“ oder „Winterblues“. In der Psychologie verwendet man der Begriff „saisonal abhängige Depression“ (SAD), wenn depressive Episoden klar in einem saisonalen Muster auftreten. Zu den empfohlenen Behandlungsansätzen zählt die Lichttherapie mit Tageslichtlampen. Was Lichtmangel im Körper bewirkt – und wie man eine SAD mit einer Tageslichtlampe selbst behandeln kann, darüber sprach FITBOOK mit dem Psychiater und Somnologen Dr. Dirk Schwerthöffer. Er ist Oberarzt an der Klinik für Suchtmedizin und Psychotherapie des kbo-Isaar-Amper-Klinikums Region München sowie ärztlicher Leiter des schlafmedizinischen Zentrums im Klinikum rechts der Isar.
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Übersicht
- Begriffe – Winterblues, SAD und Winterdepression
- Das bewirkt Lichtmangel im Körper – und so stark fällt er im Winter aus
- Das kann man dagegen tun
- Winterdepression mit Tageslichtlampe behandeln? Mediziner antwortet
- Das sagen Studien zur antidepressiven Wirkung der Lampen
- Darauf sollte man beim Kauf einer Tageslichtlampe achten
- Zu welcher Uhrzeit und wie lange sollte man sich vor die Lampe setzen?
- Fazit: Tageslichtlampen können helfen, einer Winterdepression vorzubeugen
- Quellen
Begriffe – Winterblues, SAD und Winterdepression
- Der Begriff Winterblues ist umgangssprachlich und bezeichnet eine „gedrückte Stimmungslage in den Wintermonaten“, sagt Dr. Dirk Schwerthöffer. Von diesen leichteren Stimmungstiefs im Winter sind viele Menschen betroffen.
- Die saisonal abhängige Depression (SAD) ist eine „regelhaft, typischerweise im Herbst und Winter, auftretende depressive Erkrankung, die bestimmte Diagnosekriterien erfüllt“. Zu den häufigen Symptome zählen anhaltende Niedergeschlagenheit, ein erhöhtes Schlafbedürfnis, Energielosigkeit sowie Heißhunger auf Kohlenhydrate.
- Die Winterdepression ist der umgangssprachliche Begriff einer SAD, die im Winter auftritt.
Hinweis: Wir verwenden die Begriffe „Winterdepression“ und SAD in diesem Artikel synonym – auch wenn eine saisonal abhängige Depression nicht nur Winterdepressionen umfasst, sie kann theoretisch auch im Sommer auftreten – eine Sommerdepression ist jedoch weitaus seltener als eine Winterdepression.
Wann sollte man einen Arzt aufsuchen?
Sollten die depressiven Verstimmungen länger als zwei Wochen andauern, sich verschlimmern oder zu starker Beeinträchtigung im Alltag führen, sollte ein Arzt oder Therapeut konsultiert werden. Mehr zu möglichen Symptomen einer echten Depression lesen Sie hier.
Das bewirkt Lichtmangel im Körper – und so stark fällt er im Winter aus
Der Körper nimmt über die Haut und die Augen Licht auf. Das hat einen starken Einfluss auf unseren Hormonhaushalt: Absorbieren wir zu wenig Licht über die Netzhaut der Augen, kann das sogenannte Glückshormon Serotonin nicht in ausreichender Menge produziert werden – wir fühlen uns niedergeschlagen. Gleichzeitig wird bei Lichtmangel dem Körper signalisiert, dass es dunkel ist, wodurch wir mehr vom Schlafhormon Melatonin produzieren.
„Im Winter stellen sich – auch durch die verminderte Lichtmenge – Organismus und Biorhythmus um“, erläutert Schwerthöffer FITBOOK. Dies könne messbare biologische Veränderungen hervorrufen, wie beispielsweise einer Veränderung der Konzentrationen von Melatonin und Vitamin D. Das macht uns müde und schläfrig, selbst tagsüber, und wirbelt so unseren Schlafrhythmus durcheinander. Gleichzeitig könne es „auch zu spürbaren psychischen Beeinträchtigungen wie depressiven Symptomen“ führen. Besonders Menschen, die zu einer SAD neigen oder weitere erschwerende Lebensbedingungen haben (wie Schichtarbeit, körperliche Erkrankungen oder eine starke psychosoziale Belastung), können hiervon betroffen sein.
Ein paar Beispiele zur Lichtintensität gemessen in Lux, der Einheit der Beleuchtungsstärke: In der prallen Sommersonne werden bis zu 100.000 Lux erreicht. An hellen Sommertagen sind es etwa 40.000 bis 50.000 Lux. Im Schatten sind es immer noch 10.000, während eine Bürobeleuchtung nur auf 300 bis 750 Lux kommt.
Wer im Winter die Tage hauptsächlich im Büro und in geschlossenen Räumen verbringt, hat ein Lichtdefizit – und dabei handelt es sich laut Forschung um die Hauptursache einer Winterdepression. Wichtig: Es gibt mehrere Faktoren, die bei der Entstehung eine Rolle spielen (FITBOOK berichtete). Bei einer Diagnose prüfen Psychologen daher auch, ob die Symptome auf etwa chronische Erkrankungen, Stress oder Lebensumstände zurückzuführen sind.
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Das kann man dagegen tun
Dem Lichtmangel, wie erwähnt Hauptauslöser einer Winterdepression, kann man mit zwei unterschiedlichen Maßnahmen entgegenwirken. Schwerthöffer empfiehlt, jeden Tag einen ein- bis zweistündigen Spaziergang an der frischen Luft und natürlich bei Tageslicht. Auch an bewölkten Wintertagen werden noch etwa 1500 bis 3500 Lux erreicht, was deutlich mehr als in geschlossenen Räumen ist! Dadurch wird nicht nur der Serotonin-Spiegel angehoben, sondern auch die wichtige Vitamin-D-Produktion angekurbelt.
Da viele Menschen im Berufsalltag oft nicht die Zeit für einen langen Spaziergang in der Mittagszeit haben, lautet die zweite Maßnahme: Lichttherapie – und zwar mit Tageslichtlampen.
Winterdepression mit Tageslichtlampe behandeln? Mediziner antwortet
Die Frage nach der Wirksamkeit von Tageslichtlampen bei einer Winterdepression beantwortet Schwerthöffer mit „eindeutig ja“. Neben der stimmungsaufhellenden Wirkung stoppt das Licht die Melatonin-Ausschüttung im Körper, was uns wach macht. Insbesondere in den Morgenstunden helfe das, um auf Touren zukommen.
Wichtig: Tageslichtlampen sind kein Allheilmittel bei Depressionen. Der Experte gibt zu bedenken: „Besonders bei Menschen, die zu Depressionen neigen, sind ausreichende Bewegung und frische Luft unverzichtbar“, so Schwerthöffer. Und: Wer an starken depressiven Beschwerden leide, solle in jedem Fall einen Arzt aufsuchen.
Das sagen Studien zur antidepressiven Wirkung der Lampen
Es gibt Untersuchungen, die die Wirksamkeit bei Winterdepressionen belegen. Etwa eine 2006 in Kanada durchgeführte Studie mit 96 Patienten.1 Für die Studie hatte man die Probanden in zwei Gruppen aufgeteilt: Die eine Gruppe wurde täglich über acht Wochen jeden Morgen 30 Minuten lang mit einer Tageslichtlampe behandelt und erhielt zudem ein Placebo-Medikament. Die andere Gruppe wurde über acht Wochen mit nicht wirksamen Tageslichtlampen, dafür aber mit einem echten und wirksamen Antidepressivum behandelt. Die Therapie erfolgte insgesamt über drei Jahre jeweils in der Wintersaison.
Das Ergebnis: Die Lichttherapie wirkte genauso gut wie das Antidepressivum – und dabei sogar schneller. Die meisten Probanden berichteten bereits nach einer Woche Behandlung mit der Lichtdusche über positive Effekte. Außerdem zeigte die Lichttherapie keine Nebenwirkungen. Die Lichttherapie wirkte jedoch nicht bei allen Menschen gleich gut: Ein Drittel der Probanden hatte weder bei der Lichttherapie noch beim Antidepressivum einen stimmungsaufhellenden Effekt wahrgenommen.
Den positiven Einfluss von Licht auf Depressionen bestätigte auch eine Meta-Studie aus dem Jahr 2020, die im Auftrag des „Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWiG) von Wissenschaftlern der Donau-Universität Krems durchgeführt wurde.2 Die Wissenschaftler überprüften 21 verschiedene Studien zur Lichttherapie mit insgesamt 1441 erwachsenen Teilnehmern im Hinblick auf depressionsbezogenen Symptome. Im Ergebnis stellten sie einen „Hinweis auf einen kurzfristigen Nutzen von Lichttherapie mittels Lichtlampen“ fest.
Darauf sollte man beim Kauf einer Tageslichtlampe achten
„Bei Tageslichtlampen ist besonders darauf zu achten, dass sie eine ausreichend hohe Lux-Stärke aufweisen und als medizinisches Gerät geprüft sind“, gibt Schwerthöffer zu bedenken. Entsprechende Lampen sollten eine Helligkeit von mindestens 10.000 Lux erreichen, um der Winterdepression den Kampf anzusagen. Das starke Licht kurbelt die Serotoninproduktion an und wirkt dadurch stimmungsaufhellend.
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Zu welcher Uhrzeit und wie lange sollte man sich vor die Lampe setzen?
Schwerthöffer zu FITBOOK: „Die Lichtexposition sollte morgens erfolgen, um die Konzentration des Restmelatonins aus der Nacht zu senken.“ Seine Empfehlung lautet, sich für etwa 45 Minuten – in ausreichender Nähe – zur Lampe zu setzen. Je weiter die Lampe von den Augen entfernt ist, desto geringer der Effekt und desto länger muss man sie nutzen, um einen Effekt zu erzielen.
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Fazit: Tageslichtlampen können helfen, einer Winterdepression vorzubeugen
Tageslichtlampen können helfen, einen Winterblues oder eine Winterdepression zu überbrücken (sofern sie selbst behandelbar ist). Studien belegen die stimmungsaufhellende Wirkung, ähnlich einem Antidepressivum. Außerdem stoppt das Licht der Lampen die Melatonin-Ausschüttung im Körper, was uns wach macht. Insbesondere in den Morgenstunden hilft das, auf Touren zu kommen. Doch nicht bei allen Menschen wirkt die Lichttherapie mit Tageslichtlampen gleich gut. Anstatt sich 30 Minuten pro Tag vor eine Lampe zu setzen, kann man auch einen einstündigen Spaziergang in der Mittagspause einlegen. Das hat noch mehr positive Effekte, denn neben der Bewegung wird durch das UV-Licht auch Vitamin D im Körper produziert. Das können die UV-Licht-armen Tageslichtlampen nicht bieten. Sollten die depressiven Verstimmungen länger als zwei Wochen andauern, sich verschlimmern oder zu starker Beeinträchtigung im Alltag führen, sollte ein Arzt oder Therapeut konsultiert werden.