20. Januar 2025, 4:45 Uhr | Lesezeit: 11 Minuten
Kennen Sie den Spruch: „Unter Druck entsteht ein Diamant“? Was nach Optimismus in schwierigen Zeiten klingt, sieht es in der Realität etwas anders aus: Dauerhafter Druck, also Stress, schlägt nicht nur auf die Stimmung, sondern kann auch negative Auswirkungen auf den Körper haben. Welche genau das sind, welche Signale der Körper als Warnung schickt und was man dagegen tun kann – erfahren Sie hier.
Viele tun Stress als etwas Schlechtes ab, doch so einfach ist es nicht. Im Prinzip ist Stress zunächst eine natürliche und nützliche Reaktion des Körpers. In manchen Situationen ist er sogar lebensnotwendig. Im Alltag kann Stress aber belastend sein und sich auf Wohlbefinden und Gesundheit niederschlagen kann. Deshalb ist es wichtig, Signale des Körpers, die auf Stress hindeuten, nicht dauerhaft zu ignorieren.
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Übersicht
Was ist eigentlich Stress?
Arbeitsstress, Beziehungsstress, Klausurenstress – mittlerweile gibt es so viele Bezeichnungen, dass man schnell den Überblick verlieren kann. Doch diese ganzen Begriffe haben eine Gemeinsamkeit: Unter Stress versteht man eine starke Beanspruchung des Menschen duch innere oder äußere Reize, beispielsweise durch Schlafentzug, Schmerzen, Beziehungskonflikte oder Zeitdruck. Die dadurch ausgelösten Stressreaktionen versorgen den Körper mit mehr Energie, wodurch man Spitzenleistungen vollbringen kann. Diese Stressreaktionen bewirken eine verstärkte Ausschüttung von Hormonen wie Cortisol und Adrenalin. Somit wird die Reaktionsfähigkeit und Wachsamkeit des Körpers erhöht. Allerdings kann eine sich anhaltende Stressbelastung nicht nur die negativ auf die Psyche sondern auch auf den Körper auswirken. Stress tritt aber nicht nur in schwierigen Situationen auf. Auch als positiv empfundene Situationen, wie beispielsweise eine Beförderung oder die Fahrt auf einer Achterbahn, können Stress verursachen.1
Welche Funktion Stress eigentlich für unseren Körper hat
Und das steckt dahinter: Sobald wir eine Situation als bedrohlich wahrnehmen, schaltet unser Körper auf Alarmbereitschaft um. „Die Reaktion wird im Gehirn ausgelöst“, erklärte der Mediziner Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Gesundheitswissen, im Jahr 2023 der „dpa”.
Unser Körper setzt dadurch mehr Energie frei – wir werden wacher, können schneller reagieren. Das war für unsere Vorfahren entscheidend, wenn plötzlich ein gefährliches Tier auftauchte, vor dem man die Flucht ergreifen musste.
Ursachen für Stress
Allerdings ist es heutzutage nur selten die Begegnung mit dem wilden Bären, die eine Stressreaktion in uns auslöst. Stattdessen ist es unser Alltag: hohe Anforderungen, ständiger Zeitdruck, Reizüberflutung. All das kann für dauerhaften Stress sorgen, der sich negativ auf unsere Gesundheit auswirkt. Man unterscheidet in:
- Innere Stressoren: können Dinge wie unerfüllte Sehnsüchte oder Perfektionismus sein, aber auch Langeweile, Sorgen oder Ängste
- Äußere Stressoren: umfassen Faktoren wie Verkehrsstau, Lärm, Krankheiten, Streit, und Kritik
- Psychisch-mentale Stressoren: machen sich in Form von Über- oder Unterforderung sowie durch Leistungs-, Zeit- oder Konkurrenzdruck bemerkbar
- Soziale Stressoren: zeichnen sich durch Probleme wie ein schlechtes Arbeitsklima, Mobbing oder eine Überlastung durch Überstunden aus2
Eine anhaltende Belastung lässt dem Körper keine Zeit, sich zu erholen. So können sich krankmachende Prozesse bei chronischem Stress beschleunigen. „Ein direkter Zusammenhang zwischen Stress und bestimmten Krankheiten lässt sich allerdings in Studien nicht ganz so einfach belegen“, schränkte Suhr ein.
Dennoch werden diverse Krankheiten mit chronischem Stress in Verbindung gebracht. So kann er das Immunsystem unterdrücken – in der Folge ist man oft anfälliger für Infekte. Dazu kommt: Gestresste Menschen entwickeln oft ungesunde Verhaltensweisen. Sie schlafen zum Beispiel schlecht oder zu wenig, essen hastig oder ungesund oder rauchen.
Weitere Folgen von dauerhaftem Stress
Zudem können folgende Faktoren auftreten:
- Depressionen
- Häufigere Infektionen
- Bluthochdruck
- Migräne und Spannungskopfschmerzen
- Höheres Risiko für Herzinfarkt
- Zyklus- und sexuelle Störungen
- Probleme bei der Verdauung
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Mit diesen Signalen zeigt unser Körper, wenn wir zu viel Stress haben
1. Im Magen-Darm-Bereich
Eine Folge von Stress können Verdauungsprobleme sein – auch dann, wenn man Lebensmittel gegessen hat, die man eigentlich prima verträgt. „Manche haben dann eine Neigung zum Durchfall“, sagte Prof. Mazda Adli, Psychiater an der Fliedner Klinik Berlin und Stressforscher an der Charité, im Jahr 2023 der „dpa“.
Bei Dauerstress kann es aber auch passieren, dass der Darm eher träge wird. Auch der Appetit nimmt bei manchen ab. Stress kann auch dazu beitragen, dass es zu Sodbrennen oder einem Reizdarm-Syndrom kommt, wie Adli erklärt.
2. Im Herz-Kreislauf-System
Bei akutem Stress schlägt unser Herz schneller, der Blutdruck steigt. Wird der Stress zum Dauerzustand, fördert das Krankheiten wie Bluthochdruck. „Auch Herzrhythmusstörungen sind möglich“, so Mazda Adli in einer Aussage aus dem Jahr 2023.
Chronischer Stress ist auch ein Risikofaktor für Herzinfarkte oder Schlaganfälle, was durch ungesunde Verhaltensweisen wie Rauchen etwa noch einmal verstärkt werden kann.
3. In der Muskulatur
Stress kann zu Verspannungen führen. Das kann die Nackenmuskulatur sein, die so verhärtet ist, dass man den Kopf kaum drehen kann. Auch Rückenschmerzen können auftreten. All das führt nicht selten zu Fehlbelastungen des Bewegungsapparates. Schmerzhafte, mögliche Folgen: ein Bandscheibenvorfall oder auch ein Hexenschuss.
4. Im Stoffwechsel
Stress trägt womöglich dazu bei, dass Stoffwechselerkrankungen wie Typ-2-Diabetes oder erhöhte Cholesterinwerten auftreten.
„Bei Stress setzt der Körper, weil er sich bedroht fühlt, vermehrt seine Energievorräte frei, sowohl Zucker wie Fett“, erklärt Mazda Adli. „Gleichzeitig befördern Stresshormone eine Resistenz gegenüber Insulin.“ Die Folge: Der Blutzuckerspiegel steigt an.
Das Stresshormon Cortisol sorgt zudem dafür, dass der Körper laufend seine Zucker- wie Fettdepots wieder auffüllt. So kann es dazu kommen, dass dem Körper mehr Energie zur Verfügung gestellt wird, als er letztendlich braucht.
Dieses Mehr an Zucker wie Fett kann zur vermehrten Einlagerung von Bauchfett führen, die Blutbahn verengen und die Blutgefäße belasten sowie Stoffwechselerkrankungen begünstigen.
5. In der Psyche
„Das Gehirn und damit die Psyche reagieren bei chronischem Stress sehr empfindlich“, sagt Mazda Adli. Denn andauernder Stress versetzt den Körper in permanente Alarmbereitschaft. Diese Daueraktivierung führt zu psychischen Erkrankungen. „Die bekannteste psychische Stressfolgeerkrankung ist die Depression“, erklärt Adli in einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2023.
Durch die vermehrte Ausschüttung von Cortisol kann zudem die Konzentration nachlassen, dauerhafter Druck kann sich in Form von Gedächtnisproblemen äußern. Da Stress meist auch mit einem Gefühl von Angst verbunden ist, kann es mittel- bis langfristig zu Angst- und Panikattacken kommen.
Was man gegen Stress tun kann
Wenn der Körper bereits Signale sendet und man merkt, dass der Stress dauerhaft ins eigene Leben eingezogen ist, sollte man versuchen, gegenzusteuern. Bewusste, regelmäßige Erholungsphasen im Alltag sind dabei ein guter Anfang. Das können kurze Achtsamkeitsübungen wie bewusstes Ein- und Ausatmen sein. Auch regelmäßiger Sport wirkt chronischem Stress entgegen.
Langfristig hilfreich: stressfördernde Denk- und Verhaltensmuster bearbeiten. So zum Beispiel Glaubenssätze wie „Ich muss perfekt sein und darf keine Fehler machen“.
Was ebenfalls wichtig ist, um einen Weg aus dem Stress zu finden: Freundschaften pflegen, einem Hobby nachgehen. „Das alles führt nicht nur zur psychischen Entspannung und zur Förderung positiver Emotionen, sondern wirkt dem biologischen Daueralarm im Körper unmittelbar entgegen“, sagt Mazda Adli.
Stress mit neurozentriertem Training reduzieren
Eine Methode, Stress zu reduzieren, ist ein spezielles Training. „Durch neurozentriertes Training werden gezielt Bereiche aktiviert, die zur Stressreduktion beitragen und zugleich die kognitive Leistungsfähigkeit fördern. So regen Atem- und Achtsamkeitsübungen den präfrontalen Kortex an, ein Hirnareal, das besonders für Emotionen wie Zufriedenheit, Einfühlungsvermögen, Regulierung und Planung zuständig ist“, erklärte Expertin Luise Walther im Jahr 2023.
Techniken, die man anwenden könne, seien:
- Bauchatmung
- 2-2-4-2-Atmung
- Achtsamkeitsübung
- Palming
Wie diese Methoden genau funktionieren, hat FITBOOK bereits berichtet.
Weitere Entspannungsverfahren
Neben neurozentriertes Training, gibt es auch die Möglichkeit Autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung auszuprobieren.
Autogenes Training
Unter autogenem Training versteht man eine Entspannungsmethode, die den Geist und Körper des Menschen beruhigen soll. Dabei bedeutet der Begriff „autogen“ etwa „aus sich selbst heraus“ und weist gleichzeitig auf die zentrale Technik der Methode hin. Es handelt sich nämlich um eine Art Selbsthypnose, bei der die Übenden im Geiste bestimmte Formeln wiederholen, die sich auf den eigenen Körper beziehen. Ein Beispiel wäre „Mein Herz schlägt gleichmäßig und ruhig.“ Durch eine Reihe von Übungen und gezielten Formeln soll im Idealfall eine körperliche Entspannung erreicht werden, die sich positiv auf die Gesundheit des Menschen auswirkt.
Auswirkungen des Trainings
Indem man autogenes Training korrekt anwendet, soll es möglich sein, Körperfunktionen die vom vegetativen Nervensystem gesteuert werden (wie z.B Atmung und Puls) positiv zu beeinflussen. Daher werden der Methode auch zahlreiche Vorteile zugesprochen:
- Verbesserung bei Magen- und Darmproblemen
- Linderung von Muskelverspannungen und Vorbeugung von Haltungsschäden
- Erhöhung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit
- Minderung von Konzentrationsstörungen
- Reduzierung von chronischen Schmerzen, Kopfschmerzen und Migräne
- Unterstützung bei psychischen Belastungen
- Förderung von innerer Ruhe und Gelassenheit
Progessive Muskelentspannung
Diese Methode ist auch unter der Bezeichnung progressive Muskelrelaxation (PMR) bekannt und ist auf dem Wechselspiel zwischen Entspannung und Anspannung der Muskeln aufgebaut. Sie wurde vom US-amerikanischen Arzt Edmund Jacobson entwickelt, der einen Zusammenhang zwischen seelischen Erkrankungen und Muskelanspannung erkannte. Laut seiner Theorie führt eine gezielte Entspannung der Muskeln zu einer Reduktion der Nervenaktivität – und gleichzeitig zu einer Abnahme psychischer Anspannung.
Im Jahr 1929 veröffentlichte der Arzt seine Erkenntnisse über die Methode und stellte sie als einen therapeutischen Ansatz vor. Aus diesem Grund bezeichnet man die Technik als auch „Progressive Muskelentspannung nach Jacobson“ oder „Entspannung nach Jacobson“.
Was passiert während des Trainings?
Während der Übungen zur Progressiven Muskelentspannung (PMR) richtet man die Aufmerksamkeit gezielt auf einzelne Muskelgruppen. Letztere werden dann zunächst bewusst angespannt und wieder gelockert. Hierbei erfolgen Anspannung und Entspannung in einem gleichmäßigen Rhytmus. Die Übung beinhalten unterschiedliche Muskelbereiche des Körpers (einschließlich des Gesichts), wodurch es sich auch den Namen „progressiv“ – also „schrittweise“ verdient hat. Es ist ratsam bei der Durchfühung der übungen lockere kleidung zu tragen und sich in einer bequemen Sitz- und Liegeposition zu befinden. So lässt sich die entspannende Wirkung der Muskelübungen bewusst nachspüren.
Wirkungen des Trainings
Durch regelmäßiges Training mit PMR kann man:
- psychische und körperliche Unruhe verringern,
- Muskelverspannungen lösen,
- Schmerzen reduzieren,
- das körperliche und seelische Gleichgewicht stärken und
- Stress abbauen,
- eine ruhige, entspannte Atmung fördern,
- mehr innere Ruhe und Gelassenheit erreichen.3
Wer kann die Entspannungsverfahren lernen?
Grundsätzlich jede und jeder. «Beide Verfahren werden schrittweise am besten in einem Kurs erlernt», rät Björn Husmann. Ist die Kursleiterin oder der Kursleiter entsprechend qualifiziert und zugelassen, beteiligt sich die Krankenkasse an den Kosten dafür oder übernimmt sie sogar komplett.
Neben dem Kurs ist es wichtig, zu Hause zu üben. Dafür braucht man nicht viel: einen bequemen Platz, etwas Ruhe und regelmäßig ein bisschen Zeit. Husmann empfiehlt zu Beginn zwei- bis dreimal täglich jeweils drei bis fünf Minuten zu üben. Der Experte findet dabei: Weder Autogenes Training noch die Progressive Muskelentspannung sind Raketenwissenschaften und für Menschen ohne größere körperliche oder psychische Symptome problemlos zu lernen.
Wie schafft man es, am Ball zu bleiben?
Da gibt es ein paar Tricks: sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, warum man das Ganze macht. Und: Verbindlichkeit schaffen, rät Simone Sachenbacher. Entweder man stellt sich einen Handywecker als Erinnerung oder holt die Partnerin oder einen Freund ins Boot. Feste Verabredungen helfen beim Durchhalten.
Ebenfalls sinnvoll sei es, das Üben als festen Termin mit Tag und Uhrzeit zu blocken. «Es dauert ungefähr drei Wochen, bis es eine Routine ist», sagt Sachenbacher. Zu guter Letzt hilft es auch, es sich beim Üben schön und angenehm zu machen – etwa mit entspannter Musik oder einem ätherischen Öl, das man gerne riecht.
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Wann sind die Entspannungsverfahren nicht geeignet?
Wirklich viele Ausschlussfaktoren gibt es nicht. Aber: Progressive Muskelentspannung ist nichts für Schwangere oder Menschen mit akuten Schmerzen – das gilt für einen Hexenschuss ebenso wie während einer Migräneattacke, so Simone Sachenbacher. Autogenes Training sei zudem nicht geeignet bei akuten Manien oder Psychosen sowie bei Epilepsie.
Wichtig ist auch: Bei psychischen Erkrankungen sind diese Entspannungsverfahren kein alleiniges Behandlungsmittel, sondern sollten immer eingebettet sein in einen umfassenden Gesamtbehandlungsplan.
Mit Material von dpa