7. September 2021, 19:27 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Koffein stört den Schlaf, heißt es immer wieder. Dennoch trinken viele nach einem ausgedehnten Dinner gerne einen Espresso, ohne danach die ganze Nacht wachzuliegen. Andere wiederum finden abends keine Ruhe, obwohl der letzte Kaffee Stunden her ist. Wie kann das sein? FITBOOK hat bei einer Schlafforscherin nachgefragt.
Mit Koffein ist das so eine Sache. Die einen reagieren extrem empfindlich, während andere kurz vor dem Zubettgehen ohne Probleme Cola, Kaffee und Co. trinken können. Ist Koffein tatsächlich „Gift“ für den Schlaf oder stimmt das womöglich nur bedingt? Und wie wirkt die Substanz eigentlich im Gehirn? Tatsächlich bei jedem recht individuell, weiß die Schlafforscherin Dr. Christine Blume. Dass nicht jeder dieselben Erfahrungen mit Koffein macht, ist für die Expertin nicht verwunderlich.
Überblick
Wie gut wir Koffein vertragen, liegt auch an den Genen
„Nicht jeder reagiert auf Koffein gleich. Da hat die Forschung tatsächlich auch genetische Varianten identifiziert. Also es gibt Menschen, die trinken gar keinen Kaffee, weil es sie stresst. Dann gibt es Menschen, die sind gar nicht sensibel und wieder andere bewegen sich im Mittelbereich“, erklärt die Schlafexpertin. Dass tatsächlich so etwas wie „Koffein-Gene“ existieren, klingt erstmal verwunderlich, diese wurden aber 2011 unter anderem von Harvard-Forschern identifiziert.1 Ihre Namen: CYP1A2 und ADORA2A. Beide sind daran beteiligt, wie Koffein verstoffwechselt wird, bzw. im Gehirn an den Rezeptoren andockt. Je nachdem, wie gut die Gene bei der jeweiligen Person „arbeiten“, sorgt Koffein für einen angenehmen bis starken Kick, Nervosität, Unruhe und Bauchschmerzen oder eben für nicht besonders viel. Deswegen können manche Menschen dementsprechend nach einem doppelten Espresso wunderbar schlafen.
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Für die allermeisten Menschen ist und bleibt Koffein ein Stimulans
Dennoch wäre Koffein nicht so berühmt und vor allem beliebt, würde es bei den meisten Menschen nicht wirken. „Koffein ist ein Stimulans. Das heißt, es führt dazu, dass bestimmt Effekte im Körper ausgelöst werden. Es erhört die Herzrate und den Blutdruck, es sorgt dafür, dass wir schneller atmen. Das alles steht der Entspannung, die es für Schlaf braucht, entgegen. Koffein ist also nicht wirklich mit dem Schlaf kompatibel.“ Die Studienlage gestaltet sich zu der Frage, ob Koffein die Schlafqualität stört oder nicht, recht eindeutig. So kam eine australische Studie 2018 erneut zu dem Schluss, dass regelmäßiger Koffeinkonsum am Abend die allgemeine Leistungsfähigkeit mindert statt steigert.2 Der Grund: Andauernder Schlafentzug, welcher die eigentlich anregende Wirkung des Koffeins irgendwann nicht mehr wettmachen kann.
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Das passiert im Gehirn, wenn wir Koffein zu uns nehmen
Auch dafür hat Schlafforscherin Dr. Blume eine Erklärung: „Im Laufe des Tages sammeln sich verschiedene Stoffwechselprodukte im Gehirn an. Eines davon heißt Adenosin.“ Adenosin sorgt dafür, dass wir mit der Zeit auf wohlige Art müde werden. „Das heißt, es ist auch so ein bisschen ein physiologischer Marker unseres Akkustands.“ Der Trick: Koffein „sieht“ Adenosin sehr ähnlich, dockt daher im Gehirn an die gleichen Rezeptoren an – aber mit gegenteiliger Wirkung. „Koffein sorgt also dafür, dass das Adenosin uns nicht mehr müde macht. Dadurch erklärt sich dann auch diese wach haltende Wirkung von Koffein.“ Anders ausgedrückt: Koffein führt das Gehirn ganz schön hinters Licht, weil es glaubt, in ihm das müde machende Adenosin zu erkennen. Wie stark allerdings der Effekt ausfällt, ist vermutlich auch eine Frage besagter „Kaffee-Gene“.
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Ermitteln Sie Ihre persönliche Koffein-Wirkung
„Drei bis fünf Stunden nach der letzten Tasse Kaffee sollte genügend Koffein abgebaut sein“, versichert Blume. „Dann dürfte der störende Effekt auf den Schlaf nicht mehr so drastisch ausfallen.“ Dennoch rät die Expertin jedem, für eine Zeit komplett auf Koffein zu verzichten. „Man könnte auch mal für eine ganze Woche sagen: ,Okay, ich suche mir jetzt ein koffeinfreies Ersatzgetränk und schaue, wie die Auswirkungen auf den Schlaf sind‘. Wenn man dann wieder Kaffee trinkt, merkt man, wie gut oder schlecht Koffein bei einem selbst wirkt.“ Gerade, was Stimulanzien wie Koffein betrifft, geht für die Expertin probieren über studieren. „Nur so erfährt man, was einem wirklich guttut und was nicht.“
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Quellen
- Cornelis MC, Monda KL, Yu K et al. Genome-Wide Meta-Analysis Identifies Regions on 7p21 (AHR) and 15q24 (CYP1A2) As Determinants of Habitual Caffeine Consumption. PLoS Genetics (2011, aufgerufen am 7. September 2021)
- O’Callaghan F, Muurlink O, Reid N. Effects of caffeine on sleep quality and daytime functioning. Dovepress Risk Management and Healthcare Policy (2018, aufgerufen am 7. September 2021)