29. Januar 2021, 18:54 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Viele Menschen haben das Gefühl, bei Vollmond schlechter zu schlafen. Aber kann der Mond tatsächlich einen nachweislichen Einfluss auf unsere Schlafqualität haben? Diese Frage hat FITBOOK zwei Schlafexperten gestellt. Spoiler: Eine aktuelle US-Studie kommt zu einer etwas anderen Einschätzung als diese.
Übersicht
- Schlechter Schlaf und Vollmond hängen objektiv nicht zusammen
- Helles Mondlicht kann für schlechten Schlaf sorgen
- Schlechter Schlaf bei Vollmond ist eine „selbsterfüllende Prophezeiung“
- Wer bei Vollmond schlecht schläft, merkt sich das eher
- Welche Faktoren den Schlaf tatsächlich beeinflussen
- Neue Studie mit indigenen Menschen: Der Mond hält doch wach!
Schlechter Schlaf und Vollmond hängen objektiv nicht zusammen
„Der Vollmond hat auf den Schlaf als solchen keinen Einfluss“, stellt Prof. Dr. Christoph Lauer, Vorsitzender der Bayerischen Gesellschaft für Schlafmedizin im Gespräch mit FITBOOK klar. Hierzu gebe es mittlerweile auch eine Reihe von Studien, teils mit bis zu 6000 Probanden, führt er aus. Dass schlechter Schlaf und Vollmond objektiv einen Zusammenhang haben, konnte man dabei laut dem Schlafmediziner und Psychologen bislang nicht feststellen.
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Helles Mondlicht kann für schlechten Schlaf sorgen
Eine Erklärung, warum der Vollmond in gewisser Weise doch für schlechten Schlaf sorgen kann, hat er aber trotzdem parat. „Ein Faktor, der hier mit reinspielen kann, ist, dass es bei Vollmond nachts sehr hell ist“, so Prof. Lauer. Schlafstörend sei also nicht der Mond an sich, sondern das durch ihn verursachte Streulicht. Vor allem in einem nicht abgedunkelten Schlafzimmer könne dies zum Problem werden, wenn man generell bei Helligkeit schlecht schläft. Mit der Hemmung der Bildung des Schlafhormons Melatonin hat das aber übrigens, wie oft behauptet wird, wohl nichts zu tun. Dr. med. Alexander Blau, Schlafmediziner bei Schlafdoktor Berlin und Schlafforscher im Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrum der Charité Berlin erklärt: „Dass das Mondlicht derart hell ist, um einen tatsächlichen Einfluss auf die Melatonin-Bildung im Körper zu nehmen, dazu ist bislang aus wissenschaftlicher Sicht nichts bekannt“.
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Schlechter Schlaf bei Vollmond ist eine „selbsterfüllende Prophezeiung“
Schlechter Schlaf bei Vollmond sei vor allem eines, nämlich eine sich „selbsterfüllende Prophezeiung“, sagt Prof. Lauer. „Man weiß, dass in der nächsten Nacht Vollmond sein wird, daraus entsteht die Angst vor schlechtem Schlaf, der dann deshalb oft tatsächlich eintritt“, so der Schlafexperte. Zwar würden viele damit argumentieren, sie hätten gar nicht gewusst, dass Vollmond sei. Das würde so allerdings nicht ganz stimmen. „Es ist ja nicht so, dass wir den ganzen Monat durchgängig Neumond haben und dann ist von einem auf den anderen Tag der Vollmond da“, führt er aus. Die verschiedenen Mondphasen würde man zwangsläufig zumindest unterbewusst wahrnehmen. Der Vollmond habe also vor allem in subjektiver Hinsicht einen Einfluss auf den Schlaf mancher Menschen.
Wer bei Vollmond schlecht schläft, merkt sich das eher
Als weiteren Grund für schlechten Schlaf bei Vollmond nennt Dr. Blau den sogenannten „Memo-Effekt“. „Man kann das mit dem Phänomen vergleichen, das auftritt, wenn man eine Uhr neben dem Bett stehen hat. Wer schlecht schläft, aufwacht und dann auf die Uhr schaut, erinnert sich am nächsten Morgen nachweislich eher an den schlechten Schlaf“, erklärt er. Den selben Effekt habe es, wenn man nachts aufwacht, aus dem Fenster sieht und feststellt, dass gerade Vollmond ist. Man merkt sich dann auch in diesem Fall eher, dass man schlecht geschlafen hat und verknüpft das Ganze mit dem Mond als scheinbare Ursache.
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Welche Faktoren den Schlaf tatsächlich beeinflussen
Aber was sind nun eigentlich Faktoren, die tatsächlich objektiv nachweisbar für eine bessere oder schlechtere Schlafqualität sorgen? „Vor allem ist das die geistige und körperliche Aktivität am Tag“, erklärt Prof. Lauer. Schlafen diene schließlich primär der Erholung. Wer tagsüber ausgelastet sei und nicht etwa nur faul herumgelegen hat, schlafe deshalb nachts auch besser, so der Experte. Wichtig sei es allerdings, unmittelbar vor dem zu Bett gehen keine anstrengenden Tätigkeiten mehr auszuüben. „Klassische Beispiele sind etwa noch etwas am Computer zu Arbeiten oder ein Workout zu machen. Wer erwartet, danach direkt gut schlafen zu können, liegt falsch. Der Körper ist dann nämlich noch auf einem viel zu hohen Aktivitätslevel und kann nicht richtig zur Ruhe kommen“, weiß der Schlafmediziner.
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Nur wer innerlich entspannt sei, könne letztlich auch gut schlafen. „Wem es gelingt, vor dem zu Bett gehen den Tag entsprechend zu verabschieden und Anspannung loszulassen, hat gute Chancen auf erholsamen Schlaf, auch bei Vollmond“, so Prof. Lauer.
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Neue Studie mit indigenen Menschen: Der Mond hält doch wach!
Eine im Januar 2021 in der Fachzeitschrift „Science Advances“ veröffentlichte Mond-Studie kommt allerdings zu etwas anderen Schlüssen. Dafür untersuchte ein Team von Neurowissenschaftlern 98 Menschen einer südamerikanischen indigenen Bevölkerungsgruppe. Diese leben u. a. ohne elektrisches Licht. Sie erklärten sich bereit, ihren Schlaf-Wach-Rhythmus über mehrere Mondphasen hinweg via Armband-Tracker aufzeichnen zu lassen. Es zeigte sich ein einheitliches Muster: In den Nächten vor Vollmond schliefen die Männer und Frauen im Durchschnitt eine Stunde weniger.
Anschließend wurde der Versuch mit 450 Studierenden der University of Washington wiederholt. Obwohl sie in einer großen Stadt leben und dauerhaft künstlichem Licht ausgesetzt sind, zeichnete sich mehr oder weniger das gleiche Muster ab: Eine Stunde weniger Schlaf in den Vor-Vollmondnächten. Für die Wissenschaftler ist dies ein Hinweis, dass Mensch und Mond vermutlich doch auf irgendeine Art synchronisiert sein müssen. Nur warum – das bleibt die große Frage.