6. Juni 2021, 6:56 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Putzen, kochen, Auto fahren oder sogar fernsehen: Was manche Schlafwandler nachts unternehmen, ist erstaunlich. Doch das nächtliche unbewusste Aufstehen birgt Risiken – auch für andere.
Laut der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) ist Schlafwandeln bei Kindern keine Seltenheit. Bis zu 30 Prozent aller Mädchen und Jungen erleben wenigstens eine Episode, bis zu 4 Prozent schlafwandeln häufig. Nach Schätzung von Wissenschaftlern sind rund vier Prozent aller Erwachsener Schlafwandler. Manche gehen unbewusst harmlosen Tätigkeiten nach, andere werden sogar gewalttätig.
Die Gefahr, dass Schlafwandelnde andere und sich verletzen, ist hoch. Tatsächlich gerät so mancher im Tiefschlaf sogar in die Schlagzeilen. Wie der Brite David Hempleman-Adams, der im Frühsommer 2000 zum Nordpol gereist war. Im Schlaf wollte er aus dem Korb eines Freiballons aussteigen, 1300 Meter über der Arktis. Sein Glück: Er war mit einem Sicherheitsgurt angeschnallt.
Übersicht
Wann sind Schlafwandler aktiv?
Die typische Zeit fürs Schlafwandeln ist nach Meinung von Experten der Übergang vom ersten Tiefschlaf in die erste Traumschlafphase, also etwa ein bis eineinhalb Stunden nach dem Einschlafen. Im Gehirn mischten sich Komponenten des Wachseins zum Tiefschlaf, ohne dass der Betroffene komplett wach werde, heißt es bei der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM).
„Schlafwandler selbst sind sich ihrer nächtlichen Ausflüge nicht bewusst und können sich am nächsten Morgen nicht daran erinnern“, sagt Professor Thomas Penzel, wissenschaftlicher Leiter des Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums der Berliner Charité.
Wie reagiert man richtig bei Schlafwandlern?
Schlafwandelnde schlafen wesentlicher tiefer, als sie sonst im Tiefschlaf schlafen würden. Deswegen ist es auch besonders schwer, eine schlafwandelnde Person aufzuwecken. Doch das sollte man bekanntlich ohnehin nicht tun, auch weil manche aggressiv reagieren können. Stattdessen sollte man beruhigend auf den Betroffenen einwirken und ihn wieder ins Bett geleiten.
Bei Kindern ist es wichtig, dass man Schutz-Vorkehrungen trifft. „In erster Linie geht es darum, Türen und Fenster zu sichern“, sagt Roland Wenzelburger. Der Neurologe mit einer Praxis in Altenholz bei Kiel ist Mitglied im Berufsverband Deutscher Nervenärzte (BVDN).
Es kann auch hilfreich sein, eine Alarmmatte vor das Bett des Kindes zu legen. Steht es nachts auf, werden die Eltern geweckt und können den schlafwandelnden Nachwuchs aufhalten.
Bei der Ansprache des Kindes sollte man „unbedingt gelassen bleiben“, sagt Somnologe Penzel. Empfehlenswert sei es, Schlafwandelnde möglichst sanft zu wecken und sie beim Namen zu nennen. Man redet beruhigend auf sie ein und geleitet sie wieder ins Bett.
Schlafwandelt das Kind häufiger und ist es deshalb sehr oft tagsüber müde und unkonzentriert, sollten Eltern sich ärztlichen Rat holen. Dann gilt es, mögliche Auslöser für das Schlafwandeln auszuloten.
Was sind die Ursachen für Schlafwandeln?
Grund für das Schlafwandeln können Stress und Schlafstörungen sein, mitunter ist die Neigung auch vererbt. Bei Kindern ist laut Penzel, der auch Vorsitzender der DGSM ist, vermutlich eine vorübergehende Störung des Gehirns der Grund für die Episoden. „Das ist aber in aller Regel weiter nicht gefährlich und wächst sich mit der Zeit aus.“ Laut DGSM bleibt das Schlafwandeln bei einem Prozent der Kinder bis ins Erwachsenenalter hinein bestehen.
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Andere Formen von Schlafwandeln
Möglich ist, dass es nachts als Folge der Einnahme von Schlafmitteln, Herzmedikamenten oder Psychopharmaka zu Bewusstseinsstörungen kommt. Dann könne es passieren, dass Betroffene halb schlafend und halbwach aufstehen. Doch solche Bewusstseinsstörungen sind vom klassischen Schlafwandeln ebenso zu unterscheiden wie Ausnahmezustände bei psychischen Erkrankungen und nächtliche epileptische Anfälle.
„Vom Schlafwandeln ist auch die REM-Schlaf-Verhaltensstörung abzugrenzen“, sagt Penzel. Der REM-Schlaf (Rapid Eye Movement) ist eine Phase des Schlafs, die – wie der englische Begriff schon sagt – durch schnelle (rapide) Augenbewegungen gekennzeichnet ist.
Tritt die REM-Schlaf-Verhaltensstörung auf, bewegt sich der Betroffene aufgrund eines erlebten Traums und schlägt beispielsweise um sich. Auch hier ist ein mitunter hohes Verletzungsrisiko gegeben. Wenn sich solche Situationen häufen und sie einen selbst und die Angehörigen belasten, ist es Zeit, schlafmedizinisch abklären zu lassen, welche Störung konkret vorliegt.
Lautet die Diagnose REM-Schlaf-Verhaltensstörung, wird in aller Regel ein Medikament verordnet, das die Patienten vor dem Schlafengehen einnehmen und das die Muskelaktivität im REM-Schlaf reduziert.
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Gibt es eine Behandlung bei Schlafwandeln?
Steht die Einnahme von bestimmten Arzneimitteln im Verdacht, der Auslöser für das Schlafwandeln zu sein, werden die Medikamente auf den Prüfstand gestellt und gecheckt, ob sie gegebenenfalls gegen gleichwertige Präparate austauschbar sind.
Sind es Stress- oder Konfliktsituationen, die das Schlafwandeln verursachen, kann unter Umständen eine kognitive Verhaltenstherapie hilfreich sein. Auch Entspannungsverfahren wie Autogenes Training oder Meditation vor dem Schlafengehen tragen dazu bei, physische und psychische Anspannung zu reduzieren.