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Psychologie

Welche Faktoren bestimmen, ob wir uns an Träume erinnern

an Träume erinnern
Erinnern Sie sich beim Aufwachen noch an Ihre Träume? Foto: Getty Images

21. Februar 2025, 21:00 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

„Was habe ich da schon wieder geträumt?“ Diese Frage stellen sich viele Menschen nach dem Aufwachen. Denn jeder träumt zwar, doch nicht jeder kann sich daran erinnern. Während einige Personen lebhafte Traumerlebnisse schildern, bleibt anderen nur eine vage Erinnerung oder gar keine. Woran liegt das? Eine neue Studie zeigt, dass die Fähigkeit zur Traumerinnerung von verschiedenen Faktoren abhängt.

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Träume sind ein fester Bestandteil unseres Schlafs und können wichtige Funktionen für die Verarbeitung von Erinnerungen und Emotionen erfüllen. Dennoch gibt es große Unterschiede darin, wie oft und wie detailliert Menschen sich an ihre Träume erinnern. Frühere Studien vermuteten, dass es Frauen oder jüngeren Personen leichter fallen würde sich zu erinnern, doch die wissenschaftlichen Befunde dazu sind widersprüchlich.123 Zudem ist unklar, inwieweit Persönlichkeitseigenschaften oder kognitive Fähigkeiten eine Rolle spielen.

Interessanterweise kam das Thema während der Coronapandemie wieder in Fahrt, da weltweit ein Anstieg der morgendlichen Traumerinnerung berichtet wurde. Um die Faktoren hinter dieser Variabilität besser zu verstehen, führten Forschende der IMT School for Advanced Studies Lucca eine Studie durch – mit überraschenden Ergebnissen.

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Was und warum wurde untersucht?

Die Studie untersuchte sowohl individuelle als auch äußere Faktoren, die womöglich beeinflussen, ob Menschen sich nach dem Aufwachen an ihre Träume erinnern können. Ziel war, herauszufinden, welche Rolle demografische Merkmale, psychologische Faktoren und Schlafmuster spielen.4

Bisherige Forschungen zeigten, dass jüngere Personen, Frauen und Menschen mit einem positiven Interesse an Träumen tendenziell häufiger Träume erinnern. Dies traf ebenfalls auf Menschen zu, die zum Tagträumen neigen. Die Ergebnisse waren jedoch nicht einheitlich, und viele Studien basierten auf rückblickenden Selbstauskünften, die durch Gedächtnisverzerrungen beeinflusst sein könnten. Zudem war unklar, wie stark die individuellen Schlafmuster die Traumerinnerung beeinflussen.

Durch eine prospektive Datenerhebung, bei der Teilnehmende ihre Träume direkt nach dem Aufwachen aufzeichneten, sollte die neue Studie, durchgeführt von Hauptautor Giulio Bernardi und seinem Team, präzisere Erkenntnisse liefern. Besonderes Augenmerk lag auf kognitiven Faktoren wie der Anfälligkeit für Ablenkungen, der Neigung zu Tagträumen und dem Einfluss saisonaler Schwankungen.

Wie die Wissenschaftler vorgingen

Die Studie umfasste 217 gesunde Erwachsene im Alter von 18 bis 70 Jahren, darunter 116 Frauen und 101 Männer. Von diesen schlossen 204 die Studie ab. In die Studie wurden nur Probanden aufgenommen, die ein regelmäßiges Schlaf-/Wachmuster aufwiesen, sechs bis acht Stunden pro Nacht schliefen und keine Diagnose einer Krankheit aufwiesen, die direkt oder indirekt den Schlaf beeinflussen könnte. Ebenso wurden Personen ausgeschlossen, die zum Zeitpunkt der Studie Medikamente einnahmen, schwanger waren oder stillten und in den vergangenen sechs Monaten Alkohol oder Drogen missbraucht hatten.

Die Datenerhebung erfolgte zwischen März 2020 und März 2024. In diesem Zeitraum erhielt jeder Proband für je 15 Tage ein Diktiergerät, um täglich nach dem Aufwachen eine Sprachaufnahme über ihre Träume aufzuzeichnen. Sie berichteten, ob sie sich an einen Traum erinnerten (mit oder ohne Inhalt) oder gar keine Traumerinnerung hatten.

Zusätzlich trugen alle Teilnehmenden ein sogenanntes Aktigraphie-Armband. Diese Geräte sind in der Lage, Aktivitäts- und Ruhezyklen zu messen. Für die Studienautoren waren insbesondere die Daten zur Schlafdauer und -qualität sowie Bewegungen in der Nacht relevant. Eine Untergruppe von 42 Teilnehmenden trug zudem ein tragbares EEG-System, welches die Hirnströme maß. So konnten die Wissenschaftler Rückschlüsse ziehen, wann sich die Probanden in einer REM-Schlafphase befanden.

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Teilnehmer durchliefen drei Phasen

Jeder Studienteilnehmer durchlief drei Phasen: ein Screening-Interview mit anschließender Beantwortung einer Reihe von Fragebögen, die 15-tägige Phase, in der sie ihre Träume aufzeichneten, und eine Abschlusssitzung, in welcher einige kognitive Tests durchgeführt wurden.

Die Fragebögen ermittelten unter anderem folgende psychologische Merkmale:

  • Einstellung zu Träumen (positiv vs. negativ)
  • Neigung zu „Mind-Wandering“ (häufiges gedankliches Abschweifen)
  • Subjektive Schlafqualität
  • Anfälligkeit für Ablenkung
  • Visuelle Vorstellungskraft
  • Verbal- und Gedächtnisleistung

Alle gesammelten Daten werteten die Wissenschaftler anhand logistischer Regressionsmodelle aus, um den Zusammenhang zwischen diesen Faktoren und der Traumerinnerung zu bestimmen.

Studie identifizierte vier entscheidende Faktoren

Die Studie ergab, dass die Tatsache, ob wir uns an Träume erinnern, von fünf verschiedenen Faktoren abhängt.

Einstellung zu Träumen

Personen mit einer positiven Einstellung zu Träumen erinnerten sich häufiger an ihre Träume. Dies war auch bei Personen mit einer Neigung zum „Mind-Wandering“ der Fall. Also bei Menschen, die tagsüber gedanklich oft abschweifen.

Schlafmuster

Auch das Schlafmuster schien eine entscheidende Rolle zu spielen. Personen, die weniger Tiefschlaf und dafür längere Phasen leichten Schlafs erlebten, wachten mit größerer Wahrscheinlichkeit mit einer Erinnerung an ihre Träume auf.

Das Alter

Jüngere Probanden wiesen eine höhere Traumerinnerungsrate auf, während ältere Personen häufig „weiße Träume“ erlebten – also das Gefühl, geträumt zu haben, ohne sich an den Inhalt erinnern zu können. Dies deutet auf altersbedingte Veränderungen der Gedächtnisprozesse während des Schlafs hin.

Die Jahreszeit

Es kommt auch zu saisonalen Schwankungen beim Träumen. Teilnehmende berichteten im Winter signifikant seltener von Traumerinnerungen als im Frühling. Es gab auch eine Tendenz zum besseren Erinnern im Herbst gegenüber Winter, jedoch war dieser Wert nicht signifikant.

Bedeutung der Ergebnisse

Hauptautor Giulio Bernardi erläutert die Bedeutung der Ergebnisse in einer Pressemitteilung:„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass das Erinnern an Träume nicht nur eine Frage des Zufalls ist, sondern ein Spiegelbild der Wechselwirkung zwischen persönlichen Einstellungen, kognitiven Merkmalen und Schlafdynamik“, weiter meint Bernardi: „Diese Erkenntnisse vertiefen nicht nur unser Verständnis der Mechanismen hinter dem Träumen, sondern haben auch Auswirkungen auf die Erforschung der Rolle von Träumen für die psychische Gesundheit und die Erforschung des menschlichen Bewusstseins.“5

Besonders die Rolle des „Mind-Wanderings“ sei interessant: Da das gedankliche Abschweifen mit der Aktivität des „Default Mode Network“ (DMN, dt.: Ruhezustandsnetzwerk) im Gehirn zusammenhängt, könnten ähnliche neuronale Mechanismen hinter Tagträumen und nächtlichen Träumen stehen.

Die Erkenntnisse zur altersbedingten Abnahme der Traumerinnerung werfen Fragen auf, ob und wie sich altersbedingte Veränderungen der kognitiven Funktionen auf Träume auswirken. Zudem könnten die saisonalen Unterschiede in der Traumerinnerung auf eine Beeinflussung durch Lichtverhältnisse und zirkadiane Rhythmen hindeuten.

Einordnung der Studie und mögliche Einschränkungen

Eine Stärke dieser Studie war die Kombination aus objektiven Schlafmessungen und prospektiven Traumtagebüchern. Dies reduzierte Verzerrungen, die in Studien mit rückblickenden Selbstauskünften auftreten können. Dennoch gibt es einige Einschränkungen:

Methodische Unterschiede zu früheren Studien

Da die Teilnehmenden bewusst darauf hingewiesen wurden, jede Art von bewusstem Schlaferlebnis als Traum zu betrachten, könnte die ermittelte Häufigkeit der Traumerinnerung höher sein als in anderen Studien.

Subjektive Selbstauskünfte

Auch wenn die Anwendung von Diktiergeräten Erinnerungsverluste verringert, bleibt die Traumerinnerung ein subjektives Phänomen, das durch viele Faktoren beeinflusst werden kann.

Keine Untersuchung im Schlaflabor

Zwar lieferten das Aktigraphie-Armband und die EEG-Systeme wertvolle Informationen. Jedoch hätten vollständige Daten zur Polysomnographie nur im Schlaflabor erhoben werden können. Dabei handelt es sich um ein diagnostisches Verfahren, bei dem über am Körper angebrachte Elektroden biologische Schlafparameter detektiert werden. Dazu zählen z. B. Augenbewegungen und die Aktivität der Muskeln im Schlaf.

Rekrutierungseffekt

Da die Teilnehmenden durch Mundpropaganda und Flyer rekrutiert wurden, könnte es zu einer gewissen Verzerrung zugunsten von Personen mit stärkerem Interesse an Träumen gekommen sein.

Zukünftige Studien könnten diese Erkenntnisse durch größere Stichproben und Langzeitbeobachtungen weiter untermauern.

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Fazit

Die Studie zeigt, dass Traumerinnerung durch eine Kombination aus individuellen Eigenschaften und äußeren Faktoren beeinflusst wird. Besonders eine positive Einstellung zu Träumen, Mind-Wandering und bestimmte Schlafmuster begünstigen das Erinnern. Interessanterweise nimmt die Erinnerung mit zunehmendem Alter ab, während saisonale Faktoren ebenfalls eine Rolle spielen könnten.

Diese Erkenntnisse bieten neue Ansätze für die Erforschung der Traumfunktion und könnten langfristig zu einem besseren Verständnis des Zusammenhangs zwischen Träumen, kognitiven Prozessen und psychischer Gesundheit beitragen.

Studienautorin Valentina Elce möchte die Forschung vertiefen: „Die im Rahmen dieses Projekts gesammelten Daten werden als Referenz für zukünftige Vergleiche mit klinischen Populationen dienen. Dies wird es uns ermöglichen, die Forschung zu den pathologischen Veränderungen des Träumens und ihrem potenziellen prognostischen und diagnostischen Wert voranzutreiben.“

Themen Schlaf

Quellen

  1. Schredl, M. (2010). Explaining the gender difference in dream recall frequency. Dreaming. ↩︎
  2. Nielsen T. (2012). Variations in dream recall frequency and dream theme diversity by age and sex. Frontiers in Neurology. ↩︎
  3. Beaulieu-Prévost, D., Zadra, A. (2005). Dream recall frequency and attitude towards dreams: a reinterpretation of the relation. Personality and Individual Differences. ↩︎
  4. Elce, V., Bergamo, D., Bontempi, G. et al. (2025). The individual determinants of morning dream recall. Communications Psychology. ↩︎
  5. University of Camerino. What makes us remember our dreams? EurekAlert! (aufgerufen am 21.02.2025) ↩︎
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