27. Januar 2022, 21:37 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Rache ist süß – zumindest in der Fantasie. Die Umsetzung von Racheplänen nicht. Tatsächlich fühlen sich die meisten Menschen hinterher schlechter als zuvor. Warum ist das so? Die Antwort liegt natürlich im Gehirn.
Wer mit Geschwistern aufgewachsen ist, kennt diese Art von Erlebnis vielleicht aus der Kindheit: Es kommt zum Streit, der eine fühlt sich vom anderen ungerecht behandelt und als Strafe wird das Lieblingsspielzeug des Bruders oder der Schwester zerstört. Nur bleibt das anfängliche Hochgefühl nach der Tat plötzlich aus. Von der befriedigenden Süße, welche die Rachepläne einem zuvor bescherten, ist nach der Umsetzung nicht mehr viel übrig. Der britische Psychologe Prof. Geoff Beattie hat sich für das Wissenschaftsmagazin „The Conversation“ das Phänomen einmal genauer angeschaut und einige interessante Studien aus der Hirnforschung ausgegraben.
Übersicht
Alle Menschen schmieden Rachepläne
Man muss kein Psychopath sein und schon gar nicht kriminell – aber wir alle haben schon mal von Rache geträumt und sie vielleicht sogar erreicht, schreibt Beattie. Sie wahr werden zu lassen ist letztlich keine gute Idee, denn glücklich macht das nicht. Oft stellt sich sogar Reue ein. Warum Rache trotzdem bittersüß ist, zeigen verschiedene Experimente.
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Das Spiel mit der Rache
Für eine Studie ließen 2004 Wissenschaftler Teilnehmer ein bestimmtes Spiel spielen, das auf Vertrauen basierte und manchmal zu rachsüchtigen Handlungen führte.1 Dafür agierten jeweils zwei männliche Spieler anonym miteinander, indem sie sich gegenseitig Geld überweisen oder für sich behalten könnten. Wenn man also etwas von seinem Geld abgab, konnte sich der Betrag vermehren, sofern der andere auch wieder etwas zurücküberwies. Tat der andere es nicht, in der Hoffnung, am Ende mit mehr Geld aus dem Spiel zu kommen, entstand ein Vertrauensbruch. Aus Rache überwiesen viele der Gegenspieler auch nichts mehr, mit der Folge, dass am Ende alle leer ausgingen. Das Besondere an dem Experiment: Die Gehirne von den Teilnehmern wurden während des Spiels mittels Positron Emission Tomography (PET) gescannt.
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Was Rachegefühle mit dem Gehirn machen
Die Befragung hinter zeigte, dass bei Vertrauensverletzung der Durst nach Rache größer wahr als der drohende Geldverlust. Und genau bei diesen Personen wurde während ihrer Phase, die Rache zu planen, eine erhöhte Aktivität des Belohnungszentrums im Gehirn festgestellt. Ein aktives Belohnungszentrum sorgt für (vermeintlich) positive, regelrecht berauschende Gefühle. „Mit anderen Worten, bei Rache geht es darum, sich gut und nicht schlecht zu fühlen“, schreibt der Psychologe. Die Wissenschaftler des Experiments fanden auch heraus, dass diejenigen Teilnehmer mit der stärksten Aktivität in dieser Region bereit waren, größere persönliche Kosten auf sich zu nehmen, um sich zu rächen.
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Was sich Menschen von der Umsetzung ihrer Rachepläne erhoffen
Warum also Rache, wenn dadurch hinterher alle verlieren? In der Studie kam auch heraus, dass die Teilnehmer den Gegenspieler damit bestrafen und auch erziehen wollen. Damit solle die Gerechtigkeit und auch die soziale Ordnung wieder hergestellt werden. Die befriedigende Umsetzung von Racheplänen klappt – wenn überhaupt – nur in Hollywoodstreifen. Und man darf davon ausgehen: Der Genuss, den der Zuschauer bei diesem Filmerlebnis verspürt, dürfte sich ebenfalls im Belohnungszentrum des Gehirns widerspiegeln. Deshalb machen die Streifen des großen „Rache-Regisseurs“ Quentin Tarantino auch so großen Spaß. Weil sie eben im Reich der Fantasie bleiben – der beste Ort für Rachepläne.
Das Dilemma mit der Rache
Rache scheint verlockend und lässt das Belohnungszentrum des Gehirns förmlich leuchten. Aber während die Planung der Rache sich so wunderbar anfühlt, kann es hinterher eine andere Geschichte sein. Eine weitere Studie aus dem Jahr 2008 fand nämlich heraus, dass die Menschen sich unmittelbar nach dem Racheakt teilweise hundeelend fühlten.2 Eine weitere Untersuchung von 2017 kam zu einem etwas differenzierterem Ergebnis. Rache ist bittersüß, löst also eine Bandbreite an positiven und negativen Emotionen aus (einschließlich Anspannung, Unsicherheit und Angst), die sich zu vermischen scheinen. 3 Alles in allem ist die tatsächliche Umsetzung von Racheplänen für den eigenen Seelenfrieden kein guter Deal.
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Wie gehe ich richtig mit Rachegefühlen um?
Wenn einem Unrecht getan wurde, solle man seine Gefühle keineswegs hinunterschlucken, rät Beattie. Als erstes sollte man alles aufschreiben, was einem durch den Kopf geht. Hat die ganze Geschichte sogar Vorteile? Bin ich klüger daraus geworden? Welche Erfahrungen nehme ich daraus mit? Entdecke ich bislang unbekannte Stärken an mir? In allem steckt immer auch etwas Positives, so die Grundannahme. „Auf diese Weise über die Ereignisse zu schreiben, bedeutet, dass Sie dem Täter vergeben können und weniger wahrscheinlich Rache suchen. Sie erleiden auch weniger längerfristigen Stress und Ärger, was letztendlich das psychische Wohlbefinden steigert.“ Wie gut der Schreib-Trick bei persönlichen Verletzungen funktioniert, konnte eine US-Studie 2006 eindrucksvoll belegen. 4
Was Rache betrifft – Vorfreude ist die einzige Freude
Zum Schluss gibt Prof. Geoff Beattie noch einen wichtigen Rat mit auf den Weg: „So oder so, wie bei vielen Dingen im Leben, ist die Vorfreude oft besser als die tatsächliche Erfahrung. Racheplaner da draußen sollten also zur Kenntnis nehmen: Die tatsächliche Tat wird möglicherweise nicht ganz Ihren Erwartungen entsprechen.“
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Quellen
- 1. Quervain DJ, Fischbacher U, Treyer V, et. al. (2004). The neural basis of altruistic punishment. Science.
- 2. Carlsmith KM, Wilson TD, Gilbert DT. (2008). The Paradoxical Consequences of Revenge. Harvard.
- 3. Eadeh FR, Peak SA, Lambert AJ. (2017). The bittersweet taste of revenge: On the negative and positive consequences of retaliation. Journal of Experimental Social Psychology.
- 4. Mccullough, Michael & Root Luna, Lindsey & Cohen, Adam. (2006). Writing about the Benefits of Interpersonal Transgression Facilitates Forgiveness. Journal of consulting and clinical psychology.