7. Februar 2021, 17:45 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten
Wäre es nicht fantastisch, sich auf Knopfdruck selbstsicher, unbezwingbar und energetisch zu fühlen? Luise Walther, Expertin für neurozentriertes Training, nutzt hierfür den Einfluss der Körperhaltung auf die Psyche. „Power Posing“ ist wissenschaftlich zwar umstritten – in der Praxis soll es sich jedoch bewährt haben.
Hinter Power Posing verbirgt sich die Annahme, dass sich Bewegung und Körperhaltung auf die Psyche auswirken. Wie Sie Ihren Körper darauf vorbereiten, öfter eine starke Haltung einzunehmen, erfahren Sie in diesem Artikel. Außerdem zeigen wir fünf Power Poses, mit denen Sie Ihrem Selbstbewusstsein spielerisch einen Push geben können.
Übersicht
Was bedeutet Power Posing?
Unter dem Begriff Power Posing versteht man das Nachahmen von Siegerposen: Bestimmte Körperhaltungen – wie ein gerader Rücken, angehobene Brust, offene Arme – die sich positiv auf die Psyche auswirken, Energie freisetzen und das Selbstvertrauen stärken sollen. Besonders im Coaching und Management-Kontext wird immer wieder auf diese Methode zurück gegriffen. Vertreter der Methode gehen davon aus, dass im Gehirn bestimmte Stoffwechselprozesse in Gang gesetzt werden – weil das Gehirn nicht unterscheiden kann, ob wir tatsächlich Power erbringen oder gerade nur üben.
Wie wirkt die Körperhaltung auf das Gehirn?
Durch das Power Posing werden im Gehirn bestimmte Stoffwechselprozesse gestartet, die sich positiv auf den Hormonhaushalt auswirken. Während der Testosteronspiegel steigt, sinkt der Cortisolspiegel und wir fühlen uns sicherer und stärker. Man spricht hierbei von einer Umprogrammierung. Das Gehirn kann nicht mehr unterscheiden, ob wir gerade tatsächlich die Power erbringen oder nur üben – der Effekt ist der gleiche. Man kann ihn sich also auch im Training zunutze machen.
Die unterschiedlichen Hirnareale, die dabei angesteuert und aktiviert werden, reagieren sofort. Sie fühlen sich besser und selbstbewusster. Wenn Sie dazu noch lächeln, werden zusätzlich Glückshormone ausgeschüttet. Eine aufrechte Wirbelsäule, ein geöffneter Brustkorb und eine stabile Körperhaltung können durch die später folgenden Übungen trainiert werden. Auf diese Weise kann Ihr Körper auch im Berufs- und Privatleben auf das neugewonnene Selbstvertrauen zurückgreifen.
Die aktuelle Forschung kann messbar nachweisen, dass das Einnehmen von Power Posen sowohl einen körperlichen, als auch einen psychologischen Effekt hat. Der direkte Zusammenhang zwischen Körper und Geist wurde damit nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch belegt. Zurückzuführen ist das unter anderem auf einen höheren Testosteronspiegel und damit verbundene niedrige Cortisolwerte. Trainiert man dieses Gefühl des Selbstvertrauens, kann man Stress reduzieren und seine eigene Stressresilienz steigern.
Was versteht man unter Stressresilienz? Gemeint ist Fähigkeit eines Menschen, mit vorhandenem Stress umzugehen und zum Beispiel trotz vorhandener Schicksalsschläge zu alter Form und Energie zurück zu gelangen. Der Körper kann diesen Effekt lernen und – vereinfacht gesagt – folgt auf die wiederholt eingenommene Körperhaltung dann die emotionale Reaktion von Selbstvertrauen und Sicherheit. Denn die Informationen und Signale, die durch die Einnahme der Power Pose dabei an das Gehirn gesendet werden, werden sofort als Stärke, emotionale Stabilität und Sicherheit bewertet.
Auch interessant: Wie kann ich meine Resilienz stärken?
Der Körper kann diesen Effekt lernen. Vereinfacht gesagt, folgt auf die wiederholt eingenommene Körperhaltung dann die emotionale Reaktion von Selbstvertrauen und Sicherheit. Denn die Informationen und Signale, die dabei an das Gehirn gesendet werden durch die Einnahme der Power Position, werden sofort bewertet als Stärke, Emotionale Stabilität und Sicherheit.
Als Ergebnis fühlt man sich ausgeglichener, die Muskelspannung wird reduziert und die Körperhaltung richtet sich auf. Das kann zur Verbesserung der Blutzirkulation und zur Balancierung aus An- und Entspannung führen.
Power Posing in der Forschung
2010 sorgte eine Studie von Dana Carney und Amy Cuddy für viel Aufsehen, die sich mit dem Zusammenhang von Körperhaltung und dessen Einfluss auf Hormone sowie Psyche bezog. Ihr Fokus lag auf der Aufrichtung des Körpers und weniger ausladenden Bewegungen. Das Ergebnis zeigte, dass unter anderem Emotionen und auch die Risikobereitschaft durch Bewegung und Körperhaltung beeinflussbar sind – und zwar positiv wie negativ. In den kommenden Jahren wurde diese Studie allerdings immer wieder auch kritisch beleuchtet.
Zuletzt setzten sich 2020 Wissenschaftler der Universität Aarhus in Dänemark, der Columbia University in New York sowie der deutschen Universität Witten/Herdecke im Rahmen einer Meta-Analyse mit den Auswirkungen von Power Posing auf affektive, hormonelle und verhaltensbezogene Reaktionen auseinander. In deren Analyse wurden aus über 70 bisherigen Studien die Ergebnisse verglichen und kritisch hinterfragt.
Das Ergebnis zeigt, dass die Körperhaltung einen direkten Einfluss auf die Psyche hat. Die Forscher wiesen nach, dass unter anderem Emotionen und auch die Risikobereitschaft durch Bewegung und Körperhaltung beeinflussbar sind – und zwar positiv wie negativ. Fokus ist dabei vor allem auf die Aufrichtung des Körpers und weniger auf weite ausladende Bewegungen.
Ein direkter Zusammenhang allein durch die offene und weite Körperhaltung besteht also nicht, Sie müssen also besonders auf die Aufrichtung Ihrer Wirbelsäule achten und auf ein bewusstes Spüren und Atmen, um dennoch einen Effekt zu erzielen.
Auch interessant: Expertin zeigt simple Atemübung für mehr Leistungsfähigkeit
Biomechanische Wirkung
Ein bisher oftmals nicht beachteter Nebeneffekt vom Power Posing: Sie werden aktiv und bewegen sich. Alleine durch das Einnehmen der Posen aktivieren Sie ihr Nervensystem und senden jede Menge Informationen an Ihr Gehirn. Die Aktivierung der Muskeln, Bänder und Gelenke wird durch die ausladenden Bewegungen nochmal verstärkt: Das Gleichgewichtsystem des Körpers muss stabilisieren und sendet zusätzliche Reize an das Gehirn und zurück an den Körper. Diese zusätzliche Aktivierung sorgt für mehr Aufmerksamkeit. Der Körper bereitet sich quasi auf eine Aktion vor. Dies fordert die Konzentration und den Fokus.
Zu guter Letzt betrachten wir Power Posing rein biomechanisch: Die Aufrichtung des Körpers und des Brustkorbes und des Rippenbogens verschafft der Lunge mehr Platz, so dass sich die Lunge gleichmäßiger ausdehnen kann und durch die Atmung eine verbesserte Sauerstoffversorgung stattfinden kann. Auch dies fördert dann wieder die Motivation und Konzentration.
Mit Video-Anleitung Verspannter Nacken – 5 effektive Übungen
Mit Video! Rückentraining zu Hause ohne Geräte – Expertin zeigt, wie es geht
Expertin zeigt, wie's geht Mit einfachen Übungen Nackenverspannungen lösen
5 Beispiele für Power Posing
Mit den folgenden Übungen können Sie Ihr Gehirn austricksen und Ihren eigenen Power Modus starten.
Sphinx
Legen Sie sich in die Bauchlage, die Füße hüftbreit auseinander aufgestellt. Beugen Sie die Ellenbogen und legen Sie die Handflächen unter den Schultern auf den Boden. Lassen Sie die Unterarme auf dem Boden, heben Sie langsam den Brustkorb an und halten Sie diese Position. Senken Sie den Brustkorb und wiederholen Sie den Ablauf mehrmals. Achten Sie dabei auf eine langgestreckte Wirbelsäule und eine gleichmäßige Atmung durch die Nase.
Der Fokus der Übung ist auf die langgestreckte Wirbelsäule zu richten. Durch das bewusste, gleichmäßige Ein- und Ausatmen während der Übung werden zudem der Brustkorb und der Rippenbogen geweitet und die tiefliegende Muskulatur um die Wirbelkörper mobilisiert.
Kniende Superwoman
Knien Sie mit den Schultern über den Knien ausgerichtet. Beugen Sie sich nach hinten und greifen Sie die linke Ferse mit der linken Hand, wobei Sie den Kopf nach links drehen, während Sie den rechten Arm über den Kopf strecken. Halten Sie diese Pose 15 Sekunden lang und wiederholen Sie die Pose auf der gegenüberliegenden Seite.
Die kniende Position vereinfacht die leichte Überstreckung der Wirbelsäule nach hinten und nimmt gleichzeitig Druck und Belastung aus dem unteren Rücken. Die Übung führt zu einer vollständigen Aufrichtung und Dehnung der vorderen Muskulatur und schafft somit eine Gegenbewegung zum häufig nach vorne gebeugten „über dem Laptop sitzen“.
Auch interessant: Übungen, die gegen Kopfschmerzen helfen können
Victory Squats
Stellen Sie sich etwas breiter als schulterbreit hin, Arme V-förmig nach oben gestreckt, Handflächen einander zugewandt. Gehen Sie in die Kniebeuge, bis die Oberschenkel parallel zum Boden sind. Kehren Sie zur Ausgangsposition zurück und wiederholen Sie die Kniebeuge, wobei die Arme die ganze Zeit über dem Kopf ausgestreckt bleiben.
Die nach oben ausgestreckten Arme sorgen dafür, dass sich Brustkorn und Rippenbogen kopfwärts zusätzlich aufrichten. Durch diesen sensorischen und motorischen Input fällt besonders Athlet*innen, die vorwiegend sitzen, die Aufrichtung deutlich leichter.
Warrior
Stellen Sie sich aufrecht in eine Schrittstellung. Drehen Sie den rechten Fuß nach rechts und den rechten Oberschenkel nach außen. Heben Sie die Arme in Schulterhöhe zu den Seiten hin an, die Handflächen zeigen zum Boden. Beugen Sie das rechte Knie um 90 Grad, sodass der Oberschenkel parallel zum Boden ist. Strecken Sie das rechte Knie wieder durch und gehen Sie zurück in die Beugung. Nach 15 Sekunden wiederholen Sie die Übung auf der gegenüberliegenden Seite.
Diese offene und raumeinnehmende Körperhaltung weitet den Brustkorb. Die Dehnung der Brustmuskulatur und gleichzeitige Aktivierung des Schultergürtels sorgt für eine aufrechte Körperhaltung und stärkt die wirbelsäulenstützende Muskulatur.
Auch interessant: Junge Sportler*innen im Lockdown: Powerlifter Dominik – „Mir fehlt morgens ein Grund aufzustehen“
Boss Lunges
Stellen Sie sich mit den Füßen zusammen und den Händen hinter dem Kopf hin. Üben Sie einen leichten Druck mit den Händen gegen den Kopf aus und umgekehrt, so dass Sie die Wirbelsäule maximal in die Länge aufrichten. Machen Sie einen großen Ausfallschritt mit dem rechten Fuß nach rechts, während Sie die Arme über den Kopf strecken und den Oberkörper über den rechten Oberschenkel beugen. Gehen Sie mit dem rechten Fuß zurück in die Ausgangsposition und legen Sie die Hände hinter den Kopf. Wiederholen Sie den Ausfallschritt und strecken Sie den Arm nach links aus. Fahren Sie fort und wechseln dabei die Seiten. Achten Sie bei allen Übungen auf die Aufrichtung der Wirbelsäule.
Die Stabilisierung der Halswirbelsäule durch den isometrischen Druck, der vom Kopf gegen die Hände und umgekehrt aufgebaut wird, aktiviert besonders die Nackenmuskulatur. Dieser oftmals sehr verspannte Bereich wird mobilisiert und die Aufrichtung des Kopfes fällt damit leichter.
Auch interessant: Was Sie bei Angststörungen tun können
Zur Person: Luise Walther ist Personal Trainerin und spezialisiert auf neurozentriertes Training. Ein rerlativ neuer Trainingsansatz, der unterschiedliche Gehirnbereiche aktiv in das Training einbindet. Während im klassischen Fitness-Training immer mehr Wert auf maximale Dehnfähigkeit gesetzt wird, legt sie den Fokus viel mehr auf die Mobilisierung und Ansteuerung des gesamten Bewegungsumfangs.