12. April 2022, 20:07 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Bestimmte Persönlichkeitsmerkmale können offenbar die Entstehung von Demenz beeinflussen. Dabei zeigten sich zwei Wesenszüge als besonders wirksam gegen kognitiven Verfall. Die gute Nachricht: Sie lassen sich aneignen.
Aufgeschlossenheit (neugierig), Gewissenhaftigkeit (gesunder Hang zum Perfektionismus), Extraversion (gesellig), Verträglichkeit (emphatisch) sowie Neurotizismus (emotional instabil) gehören zu den sogenannten „Big Five“ der menschlichen Persönlichkeitsmerkmale. Ein Forscherteam der „American Psychological Association“ untersuchte jetzt, inwiefern drei dieser Persönlichkeitsmerkmale die Entwicklung von Demenz, beziehungsweise kognitivem Verfall begünstigen oder gar ausbremsen können.
Übersicht
Zwei Persönlichkeitsmerkmale, die vor Demenz schützen können
Die Untersuchung zeige, dass gewissenhafte Menschen, die besser organisiert sind und mehr Selbstdisziplin zeigen, mit zunehmendem Alter seltener unter kognitiven Beeinträchtigungen leiden, heißt es in der Studie, die im „Journal of Personality and Social Psychology“ erschienen ist.2 Perfektionismus trage also im gewissen Sinne zur Hirngesundheit bei. Aber auch extrovertierte, soziale Menschen, die zu Enthusiasmus neigen, haben laut den beteiligten Wissenschaftlern ein verringertes Risiko für Demenz. Warum ist das so?
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Wie negative Denk- und Verhaltensmuster dem Gehirn schaden
Die Forscher vermuten, dass zielorientierte oder soziale Menschen psychisch stabiler und daher mit ihrem Leben im Allgemeinen zufriedener sind. Im Gegenzug entdeckten die Forscher nämlich, dass bei Menschen, die zum Persönlichkeitsmerkmal Neurotizismus neigen – also launisch und emotional instabil reagieren – einige Jahre früher Demenz ausbilden als der Durchschnitt. Studienleiterin Tomiko Yoneda von der University of Victoria (Kanada) erklärt das in einer Mitteilung so: „Persönlichkeitsmerkmale spiegeln dauerhafte Denk- und Verhaltensmuster wider. Sind diese ungesund oder gesund, wirkt sich das auf die gesamte Lebensspanne aus.“2 Graben sich also Angstzustände, Stimmungsschwankungen, Aggressivität oder depressive Muster über Jahrzehnte in das Gehirn ein, hinterlasse der emotionale Stress irgendwann Spuren, die zu kognitiven Beeinträchtigungen führen können.
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Mit Perfektionismus gegen geistigen Verfall
Yonenda und ihr Team hatten zuvor den Zusammenhang zwischen diesen Merkmalen und kognitiven Beeinträchtigungen bei 1.954 Personen untersucht. Die 1997 gestartete Studie verfolgt die Gesundheit älterer Erwachsener im Raum Chicago, die zum Zeitpunkt ihres Eintritts in das Projekt nicht an Demenz litten. Jede Person absolvierte eine Persönlichkeitsbewertung und nahm während des gesamten Zeitraums jährlich an kognitiven Prüfungen teil. „Es zeigte sich, dass besonders gewissenhafte Menschen ein 22 Prozent geringeres Risiko für kognitive Beeinträchtigung hatten“, so Yoneda. Beispielsweise schätzt sie, dass 80-jährige Menschen mit hoher Gewissenhaftigkeit sich fast zwei Jahre länger bester Gehirngesundheit erfreuen als Personen mit geringer Gewissenhaftigkeit.
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Persönlichkeitsmerkmale sind nicht in Stein gemeißelt
Noch vor wenigen Jahrzehnten ging die Psychologie davon aus, dass die Persönlichkeitsentwicklung mit dem 30. Lebensjahr abgeschlossen sei. Dies konnte bereits widerlegt werden.3 Es ist bis ins hohe Alter möglich, an sich zu arbeiten – speziell, was die zerstörerischen negativen Denk- und Verhaltensmuster angeht. So wechseln anderen Forschungen zufolge etwa 25 Prozent der über 70-Jährigen im Laufe ihres restlichen Lebens ihren Persönlichkeitstyp.4
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Studien Wie sich die Zahngesundheit auf das Demenzrisiko auswirkt
Kognition leidet Wie sich Übergewicht bei Kindern langfristig auf das Gehirn auswirkt
Quellen
- 1. Yoneda, T., Graham, E., Lozinsk, T., et al. (2022). Personality Traits, Cognitive States, and Mortality in Older Adulthood. Journal of Personality and Social Psychology.
- 2. American Psychological Association (2022). Certain personality traits associated with cognitive functioning late in life. (aufgerufen am 12.4.2022)
- 3. Specht, J., Egloff, B., Schmukle, S.C. (2011). Stability and change of personality across the life course: The impact of age and major life events on mean-level and rank-order stability of the Big Five. Journal of Personality and Social Psychology.
- 4. Specht, J. (2015). Psychologie des hohen Lebensalters. Der aktuelle Forschungsstand. APuZ.