15. Juli 2022, 4:07 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Ohne Medikamente, sondern einzig mit der „Kraft der Gedanken“ – ein US-Forscherteam enthüllte erstmals die bei einer bestimmten Übung beteiligten neuronalen Schaltkreise, welche innerhalb von 20 Minuten Schmerzen reduzieren.
Lange, bevor es Medikamente gab, war (und ist es immer noch) in vielen Kulturkreisen üblich, mithilfe von Achtsamkeitsmeditation Schmerzen zu lindern. Doch ob, und wie diese Praxis tatsächlich funktioniert, hat die Hirnforschung nicht untersucht – bis jetzt. Ein US-Forscherteam der University of California San Diego School of Medicine hat die Auswirkungen von Achtsamkeit auf Schmerzwahrnehmung und Gehirnaktivität gemessen. Die Erkenntnis: Es funktioniert, und das sogar sehr gut.
Übersicht
40 Teilnehmer künstlichen Schmerzreizen ausgesetzt
Für den ersten Teil der Studie wendete das Forscherteam bei 40 erwachsenen Teilnehmern ungefährliche, aber doch spürbare Hitze-Schmerzreize an einem ihrer Beine an. Anschließend mussten die Probanden ihr persönlich erfahrenes Schmerzniveau bewerten. Dann erfolgte die Aufteilung in zwei Gruppen. Die Mitglieder der Achtsamkeitsgruppe absolvierten vier separate 20-minütige Meditationseinheiten. In diesen galt es, sich auf den Atem zu konzentrieren und die dabei aufkommenden Gedanken, Empfindungen und Emotionen zwar anzuerkennen, aber ohne sie weiter zu beurteilen, wieder loszulassen. Diese Methode hat den Effekt, dass das „Ich-Gefühl“ in den Hintergrund rückt. Die Mitglieder der Kontrollgruppe verbrachten ihre vier Sitzungen damit, ein Hörbuch zu hören.
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Wie Meditation Schmerzen um ein Drittel reduziert
Am folgenden Tag ließen beide Gruppen ihre Gehirnaktivität unter den gleichen Schmerzbedingungen erneut messen. Die Teilnehmer der Achtsamkeitsgruppe wurden nun angewiesen, während der schmerzhaften Hitze zu meditieren, während die Kontrollgruppe mit geschlossenen Augen ruhte. Es zeigte sich: Die meditierenden Probanden berichteten von einer 32-prozentigen Verringerung der Schmerzintensität und einer 33-prozentigen Verringerung der Schmerzunannehmlichkeit. Sämtliche Ergebnisse der Studie wurden aktuell im Fachblatt „PAIN“ veröffentlicht.1
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Was im Gehirn passiert, wenn man unter Schmerzen meditiert
Die Analysen der Hirn-Scans brachten einige erstaunliche Erkenntnisse: Bestimme Gehirnbereiche, die im Zusammenspiel den Schmerz als etwas Quälendes erfahrbar machen, scheinen sich voneinander zu entkoppeln. Dazu gehören unter anderem der Thalamus (leitet sensorische Informationen weiter) und der präfrontale Kortex, der den Inhalt unseres Bewusstseins widerspiegelt und bei der Bewertung von Schmerzen eine entscheidende Rolle spielt. Je mehr Gehirnareale entkoppelt oder deaktiviert waren, desto geringer war das berichtete Schmerzempfinden.
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Schmerzen lindern ohne Medikamente – es ist ganz einfach
Was die Gehirnscan-Bilder den Wissenschaftler offenbarten, beschreibt die Erfahrung der „Ich-Auflösung“, von der Meditierende immer wieder berichten. „Einer der zentralen Grundsätze der Achtsamkeit ist das Prinzip, dass du nicht Teil deiner Erfahrungen bist“, erklärt Studienleiter Prof. Fadel Zeidan in einer Universitätsmitteilung. 2 „Du trainierst dich darin, Gedanken und Empfindungen zu erleben, ohne dein Selbstgefühl daran zu binden.“ In diesem Seins-Zustand liege der Schlüssel, Schmerzen ganz ohne Medikamente zu lindern. Und es ist so einfach: „Wir waren wirklich begeistert zu bestätigen, dass man kein erfahrener Meditierender sein muss, um diese analgetischen Wirkungen zu erleben.“
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Wichtige Erkenntnis für Menschen mit chronischen Schmerzen
Für Zeidan ist seine Entdeckung von wichtiger Bedeutung: „Für viele Menschen, die mit chronischen Schmerzen zu kämpfen haben, ist das, was ihre Lebensqualität oft am meisten beeinträchtigt, nicht der Schmerz selbst, sondern das psychische Leiden und die Frustration, die damit einhergehen.“ Durch Achtsamkeitsmeditation ist es möglich, dem eigenen Schmerz sprichwörtlich zu entkommen, es ist kostenlos und kann überall praktiziert werden. Sie zu lernen, versetzt einen in die Lage, plötzlich auftretende Schmerzen ohne Medikamente lindern zu können – das ist ebenso hilfreich in Situationen, in denen keine unmittelbar zur Hand sind.
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Quellen
- 1. Riegner G, Grace P, Valeria O, et al. (2022): Disentangling self from pain: mindfulness meditation-induced pain relief is driven by thalamic-default mode network decoupling, PAIN
- 2. UC San Diego (2022): Mindfulness Meditation Reduces Pain by Separating it from the Self. (aufgerufen am 13.7.2022)