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Gegenteil von Placebo

Schon mal vom „Nocebo“-Effekt gehört?

Frau nimmt Tablette
Die Erwartungshaltung kann die Wirkung von z. B. Tabletten beeinflussen – positiv sowie negativ Foto: Getty Images
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FITBOOK Redaktion

26. Januar 2021, 5:27 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Sie enthalten keinen Wirkstoff, sollen aber dennoch helfen: Die Wirkung von Placebos lässt sich wissenschaftlich erklären und hat vor allem mit Erwartungen zu tun. Das gilt offenbar auch für den gegenteiligen, sogenannten Nocebo-Effekt.

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Es kommt nicht nur drauf an, welche Pillen Patienten z. B. erhalten. Auch ihre Einstellung zur angewandten (Schein-)Medikation ist entscheidend. Denn der Kopf ist ebenso wichtig wie die Inhaltsstoffe einer Arznei. Das zeigt der allgemein bekannte Placebo-Effekt, und genau so sein weniger bekannter Gegenspieler: Nocebo.

Placebo-Effekt – was dahintersteckt

„Als Placebo-Effekt bezeichnet man positive körperliche oder psychische Veränderungen nach der Einnahme von Medikamenten ohne jeglichen Wirkstoff.“ So erklärt es Ulrike Bingel, Professorin für Klinische Neurowissenschaften am Universitätsklinikum Essen. Demnach könne der Effekt auch nach einer Scheinbehandlung auftreten, also bspw. nach einer simulierten Operation oder einer Infusion mit einfacher Kochsalzlösung.

Das Wirkprinzip habe u. a. etwas mit Erwartungseffekten zu tun. Diese beruhen laut Bingel auf komplexen psycho-neurobiologischen Vorgängen im Gehirn. Der Glaube an die Wirksamkeit der Therapie könne Mechanismen im Körper aktivieren, die den Erfolg verstärken.

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Effekt durch positive Erwartung

Durch die positive Erwartung würden Patienten auf „eine Art körpereigene Apotheke“ zurückgreifen, deren Wirksamkeit sogar zu beobachten sei: „Mit bildgebenden Verfahren lässt sich zeigen, dass dabei bestimmte Areale im Gehirn aktiviert werden, zum Beispiel schmerzlindernde Systeme.“

Geht ein Patient also davon aus, dass die Einnahme des Medikaments seine Schmerzen bessern wird, schüttet sein Gehirn schmerzlindernde Substanzen aus. „Es handelt sich dabei um sogenannte körpereigene Opioide, die sogar die Weiterleitung des Schmerzreizes im Rückenmark verändern können“, so Bingel. „Dadurch lassen die Schmerzen nach, obwohl beispielsweise ein Patient mit Rückenschmerzen gar kein Opioid-Schmerzmittel eingenommen hat.“

Größerer Placebo-Effekt durch Vorerfahrung

Hilfreich ist es, wenn Betroffene die Wirksamkeit eines Mittels schon mehrfach erlebt haben. „In diesem Fall ist es einfacher, die Reaktionsmuster im Körper durch die eigene Erwartung zu reproduzieren“, sagt Winfried Rief, Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Marburg, und erläutert: „Wenn ich weiß, dass Schmerzmedikamente bei Kopfschmerzen helfen und ich ein Placebo einnehme, das ich für eine Kopfschmerztablette halte, ist ein positiver Effekt wahrscheinlich.“

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Habe man noch keine Erfahrungen mit dieser Art von Medikamenten gemacht, sei es schwieriger. Bei chronischen Krankheiten, in deren Verlauf Patienten das Vertrauen in die Behandlung verloren haben, stößt der Placebo-Effekt ebenfalls an seine Grenzen – es sei denn, es wird neuer Optimismus geweckt.

Es geht beim Placebo-Effekt aber nicht nur um Medikamente, die komplett ohne Wirkstoff auskommen. „Bei fast allen Behandlungserfolgen in der heutigen Medizin handelt es sich um ein Zusammenspiel von direkten biochemischen Effekten und psychischen Effekten“, sagt Rief. „Studien im Schmerzbereich zum Beispiel legen nahe, dass man von fast jedem Mittel die doppelte Dosis verabreichen müsste, wenn Placebo-Effekte wegfielen.“

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Nocebo – wenn der Patient die Wirkung ablehnt

Doch auch das Gegenteil ist möglich: Es kann ein sogenannter Nocebo-Effekt auftreten. „Davon gibt es zwei Arten“, erklärt Rief. Zum einen könne man Nebenwirkungen entwickeln, die durch ein Medikament „biochemisch nicht zu erklären“ seien. „Sie entstehen allein durch die negative Erwartungshaltung.“

Zum anderen könne es passieren, dass eine positive Wirkung ausbleibe, obwohl ein wirksames Medikament verabreicht wurde, so Rief. In beiden Fällen ist die Erwartung entscheidend. „Wenn ein Patient zum Beispiel durch die Nachbarin oder aus dem Internet erfahren hat, dass schwerwiegende Nebenwirkungen auftreten können, dann erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, tatsächlich Beschwerden zu entwickeln.“

Negativ-Effekt durch Negativ-Erwartung

Die Ursachen für diesen Negativ-Effekt sind ebenfalls im Gehirn zu beobachten: „Wenn Menschen Schmerzen erwarten, aktivieren sich die Schmerzzentren im Gehirn“, erklärt Rief. „Evolutionär gesehen war das ein Vorteil: Wenn man davon ausgeht, dass eine Gefahr droht, stellt sich der Körper schon vorab darauf ein.“

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Ausstoß von Botenstoffen gehemmt

Studien weisen darauf hin, dass im zentralen Nervensystem durch negative Erwartungen körperliche Veränderungen angestoßen werden können. „Angst vor Schmerzen kann zum Beispiel Opioide blockieren und den Botenstoff Dopamin hemmen“, sagt Ulrike Bingel. „So wird die Schmerzleitung und -wahrnehmung verstärkt anstatt herunterreguliert.“

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Ob Placebo oder Nocebo – Arzt hat es in der Hand

Ob Placebo- oder Nocebo-Effekt: In beiden Varianten ist die Kommunikation zwischen Medizinern und Patienten entscheidend. „Der behandelnde Arzt kann positive Erwartungen und die Zuversicht fördern. Das spielt bei der Wirksamkeit der Therapie eine große Rolle“, sagt Winfried Rief.

„Falls Nebenwirkungen zu erwarten sind, kann man das entweder dramatisieren – oder man sagt: Üblicherweise spüren sie bei Einnahme des Medikaments morgens ein leichtes Ziehen im Kopf. Dann wissen sie, dass das Mittel genau an der richtigen Stelle wirkt“, beschreibt der Experte. Das beeinflusse den Handlungsverlauf positiv.

Auch Ulrike Bingel ist überzeugt, dass die Kommunikation durch den Arzt eine zentrale Rolle einnimmt. „Ärzte können Patienten erklären, dass zehn Prozent der Menschen Nebenwirkungen spüren – oder sie weisen darauf hin, dass 90 Prozent der Patienten das Medikament sehr gut vertragen.“ Es sind die gleichen Fakten, nur anders präsentiert. „Es geht nicht darum, Informationen zu unterschlagen oder zu beschönigen“, sagt Bingel. „Aber man kann sie als Arzt so vermitteln, dass Patienten sie angstfreier aufnehmen.“

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