17. Januar 2020, 12:20 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
2019 habe ich im Rahmen einer persönlichen Challenge keinen Tropfen Alkohol angerührt und mich in dieser Phase sehr wohl gefühlt. Seit Anfang Januar trinke ich wieder. Das ruft bei einigen Mitmenschen – und Lesern – eine genauso einfache wie fiese Frage auf den Plan: Warum, Markus? Die Antwort darauf gibt’s hier.
Wir schreiben das Jahr 2020 und wie schon Nostradamus prophezeite, trinkt ein Redakteur aus Berlin nach einem Jahr Abstinenz wieder Nastro Azzurro. Die Rede ist von italienischem Bier – und mir. Und die Frage könnte aufkommen, warum ich das tue, wo ich doch so lange die Finger davon gelassen habe und erst vor wenigen Tagen ein verdammt positives Fazit aus meiner Alkfrei-Challenge gezogen habe.
Doch was heißt hier könnte, die Frage IST schon längst aufgekommen und mir mehrfach herrlich um die Ohren geflogen. Dennis zum Beispiel schrieb mir in einem Leserbrief, er finde es „sehr schade“, dass ich wieder trinke. Und als ich Anfang Januar auf einer WG-Party von meiner Kolumne erzählte, meinte eine junge Dame mit einem Gin Tonic in der Hand, sie fände es ein bisschen schwach von mir, dass ich wieder schwach geworden bin. Da sie eingangs noch verkündete, den Abend nüchtern bleiben zu wollen und deswegen ein alkoholfreies Bier mitgebracht hatte (welch‘ Weitsicht), entgegnete ich nur: „Du hast ja nicht mal einen ganzen Abend durchgehalten, oder?“. Das war in der Sache richtig und dennoch keine Erklärung dafür, warum ich jetzt wieder trinke. Also: Warum trinke ich jetzt wieder?
Entspannung? Bier entlang!
Well, mich haben prinzipiell zwei – gute – Gründe dazu veranlasst, am 2. Januar wieder meinen ersten Drink zu mir zu nehmen:
1) Ich bin ein Genusstrinker.
2) Ich weiß, dass die wahre Herausforderung genau jetzt beginnt.
Was das im Detail bedeuten soll, will ich kurz erläutern.
Punkt 1 ist recht schnell auserzählt. Ich gehöre zu dem Schlag Mensch, der Alkohol in erster Linie nicht wegen seiner berauschenden Wirkung trinkt, sondern weil ihm der Geschmack zusagt (was am Ende natürlich auch ein Problem darstellt, nicht zuletzt wegen seiner berauschenden Wirkung …). Egal ob Weizen, Helles oder Pils: Ich trinke Bier einfach gerne. Vor allem freitags nach getaner Arbeit empfinde ich es als extrem entspannend und genugtuend, mit den Kollegen auf das beginnende Wochenende anzustoßen. Ein Jahr lang habe ich das mit alkoholfreiem Bier versucht, ein Jahr später weiß ich: Es hat auf mein Hirn nicht dieselbe Wirkung des Runterkommens wie „richtiges“ Bier. Andererseits macht mich ein Bier auch ziemlich müde, was mit Freitagsplänen freilich kollidiert. Die pfiffige Lösung: Ich lasse ihm einfach schnell ein zweites und ggf. ein x-tes folgen. Das bringt uns dann direkt zu Punkt 2, dem eigentlichen Hauptargument.
Alle bisherigen Teile der Kolumne:
- 7 Gründe, warum ich ein Jahr keinen Alkohol trinken will!
- So geht es mir nach einem Monat ohne Alkohol!
- Warum meine Alkoholpause eigentlich ein Entzug ist
- So hat die Frauenwelt auf meinen Alkoholverzicht reagiert
- So hat sich mein Leben nach sechs alkoholfreien Monaten verändert
- So lief mein erster Junggesellenabschied ohne Alkohol
- An diesem Horror-Tag wäre ich fast schwach geworden
- 7 Dinge, die mich ein Jahr ohne Alkohol gelehrt hat
Alkfrei-Kolumne 7 Dinge, die ich in einem Jahr ohne Alkohol gelernt habe
Alkfrei-Kolumne An diesem Horror-Tag wäre ich fast schwach geworden
Kolumne: „Mein alkfreies 2019“ So geht es mir nach einem Monat ohne Alkohol
Ich trinke, also kontrolliere ich
Ich habe im vergangenen Jahr die Erfahrung gemacht, dass es mir überraschend leicht fällt, ganz auf Alkohol zu verzichten. Obwohl, so richtig sollte mich das gar nicht überraschen. Ich bin nämlich das, was man – oder zumindest ich – einen Ganz-oder-gar-nicht-Typen nennt. Oder anders ausgedrückt: Extreme kann ich, Mittelwege dagegen nicht so. Und genau hier liegt die wahre – und noch viel größere – Challenge für 2020. Ich will endlich lernen, Alkohol in moderaten Mengen trinken zu können. Selbst dann, wenn ich von feierwütigen Freunden umgeben bin. Heißt: Nach vier Bier einfach mal nach Hause zu gehen, statt die Welt wieder neu erfinden zu müssen, nach vier Bier nicht zusammen mit dem Schnapskumpel von BILD wieder einen Schnaps zu trinken, nur weil er den gut verträgt. Und warum will ich das können? Wegen Punkt 1: Weil ich Bier ziemlich schmackofatz finde und es doch schade wäre, darauf ganz verzichten zu müssen.
Ich stelle also Bedingungen an das Jahr 2020, an meine zurückgewonnene Freiheit (auch wenn ich an dieser Stelle loswerden möchte, dass ich es letztes Jahr als ziemlich befreiend empfunden habe, nicht entscheiden zu müssen, ob man am Abend Alkohol trinken sollte oder nicht). Dieses Jahr trinke ich „auf Bewährung“. Wenn ich es nicht hinkriege, deutlich weniger zu bechern, werde ich nach diesem Jahr meine Kneipen-Karriere ganz an den Nagel hängen. Dafür ging es mir 2019 nämlich einfach zu gut. Die Klarheit und die langen Wochenenden will ich nicht länger missen, Alkohol soll nur noch ein Rollenspieler in meinem Leben sein und aus der Startaufstellung ein für alle Mal verbannt werden. Ich trinke also wieder, um den Feind im Freunde zu besiegen, statt einfach kapitulierend vor ihm wegzulaufen.
Denn das ist mein Gefühl. Solange ich auf Alkohol ganz verzichte, habe ich das Gefühl, dass er mich immer noch kontrolliert, indem er mich – zum Selbstschutz – zur völligen Abstinenz zwingt. Ich aber will den Alkohol kontrollieren, nicht andersrum. Darum trinke ich wieder, ab jetzt dann hoffentlich moderat und kontrolliert.