1. Oktober 2021, 5:02 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Wie am besten mit Wut umgehen? Rasender Zorn ist ein so überwältigender wie zerstörerischer Zustand, in dem klare Gedanken keinen Platz haben. Doch es gibt hilfreiche Wege hinaus, sagen Experten.
Wut hat eigentlich etwas Befreiendes und Bereinigendes an sich. Wenn die „Bombe platzt“, kommen mitunter lang unterdrückte Gefühle zum Vorschein, finden sich endlich richtige Worte und es entsteht Raum für Wachstum und Entwicklung. Vorausgesetzt, man weiß richtig mit seiner Wut umzugehen. „An Wut selbst ist nichts auszusetzen, es kommt darauf an, was man damit macht“, zitiert das Magazin „Today“ den berühmten US-Psychologen und Autoren Dr. Joseph Shrand. Falsch angewandte Wut dagegen zerstört Familien und Freundschaften und letztlich das eigene Lebensglück. Wie also richtig mit Wut umgehen? Das sind die Experten-Tipps.
Überblick
Warum ein falscher Umgang mit Wut alles nur noch schlimmer macht
Wut kann helfen, dass Dinge sich endlich zum Positiven ändern. Nur gelingt das oft nicht. Im Gegenteil. „In menschlichen Beziehungen ist Wut die Emotion, die entsteht, wenn wir das Gefühl haben, dass uns Unrecht getan wurde“, weiß Gary Chapman, Autor des Mega-Bestsellers „Die fünf Sprachen der Liebe“ (unsere Kolleginnen von STYLEBOOK berichteten). „Wenn wir jedoch unserem ersten Impuls nachgeben, machen wir die Dinge normalerweise noch schlimmer.“ Schreien, verletzende Dinge brüllen oder gar körperliche Angriffe, hinterlassen einen nicht mehr zu rettenden Trümmerhaufen, Dauerfrust und damit noch mehr blinde Wut.
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Was Sie auf keinen Fall tun sollten, wenn Wut hochsteigt
Ein aktueller Podcast des US-Nachrichtensenders CNN hat sich genau mit der Frage beschäftigt, wie man im Falle eines drohenden Wutanfalls richtig handelt – selbst wenn man das Gefühl hat, kaum Kontrolle über ihn zu haben.
Nicht körperlich werden
„Die schlimmste Art, mit Wut umzugehen, besteht darin, auf physische Weise Dampf abzulassen. Wie zum Beispiel durch Boxen oder Zerbrechen von Dingen“, erklärt der Psychologe Prof. Ryan Martin von der University of Wisconsin-Green Bay. Dreschen Sie daher nicht auf einen Boxsack ein, fügt Brad Bushman, Professor für Kommunikation an der Ohio State University hinzu. „Unsere eigene Forschung hat ziemlich eindeutig gezeigt, dass das Schlagen auf einen Boxsack die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Sie leichter echte Menschen, einschließlich unschuldige Zuschauer, angreifen“
Körperliche Bewegung wie Laufen, die Ihr Herz zum Pumpen bringt, sei ebenfalls eine schlechte Idee, „Wenn Ihre Herzfrequenz erhöht ist, bleibt Ihr Erregungsniveau hoch, was das Gegenteil von dem ist, was Sie erreichen möchten, wenn Sie versuchen, Ihre Wut zu kontrollieren.“
Lassen Sie nicht bei Freunden oder Familie Dampf ab
Die Verlockung ist groß, Freunde anzurufen, um ihnen zu erzählen, warum und worüber man gerade sauer ist. Dies nähre aber die Flamme der Wut, statt sie abzukühlen, warnen die Experten. Immer wieder vor Augen zu halten, wie schlimm und ungerecht alles ist, hält die Erinnerung daran und damit auch den Ärger lebendig. Sich verbal an seiner Wut festzuhalten und zudem andere Menschen mit hereinzuziehen, ist eine denkbar schlechte Art, mit ihr umzugehen.
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Tipps für den richtigen Umgang mit Wut
Wut ist Teil der Kampf-oder-Flucht-Reaktion, hat also mit dem Überlebensinstinkt zu tun. Dies geht einher mit einer steigenden Herzfrequenz, Muskelverspannungen, Schwitzen und ein erhöhtes Hör- und Sehvermögen. Die Botschaft ans Gehirn: Lebensgefahr! Doch besteht ja meistens gar keine echte Bedrohung. Dies gilt es, sich vor Augen zu halten.
Tief durchatmen und bis zehn zählen
Das Bewusstsein braucht etwas Zeit, um dahinterzukommen, dass es nicht in Lebensgefahr ist. Daher raten die Experten als erstes: „Tief einatmen und bis zehn zählen. Je länger Sie zählen, desto mehr Zeit hat Ihr Körper, sich zu entspannen.“ Was auch helfen kann: Die Hände unter kaltes Wasser halten, die Fenster aufreißen, irgendeine Melodie summen oder die Handgelenke schütteln.
Die Handfläche auf die Stirn legen
Psychologe Shrand schlägt eine weitere Technik vor, die darin besteht, die Handfläche auf die Stirn zu legen. „Direkt hinter Ihrer Stirn befindet sich der präfrontale Kortex. Der Teil Ihres Gehirns, der für rationales Denken verantwortlich ist“, sagte er. „Wenn Sie diesen Bereich berühren, wird Ihr Gehirn daran erinnert, die Reaktionen frontal (logisch) zu halten und nicht limbisch (emotional) zu werden.“ Dies helfe auch, sich der eigenen Wut überhaupt erst richtig bewusst zu werden. Schon ab da nimmt ihre zerstörerische Macht ab.
Versuchen, sich auf ein positives Gefühl zu konzentrieren
Es ist schwierig, zwei Emotionen gleichzeitig zu fühlen, erklärt Buschmann in dem Podcast weiter. „Also lenke die Energie in ein positives Gefühl, welche die Wut vertreiben wird.“ Liebe (ein Haustier streicheln oder Menschen umarmen), Humor (etwas Lustiges lesen oder im TV ansehen) und Empathie (einem anderen helfen) sind die stärksten Gegner der Wut.
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Unterdrücken Sie Ihre Wut nicht
Mit Wut umgehen, bedeutet nicht, sie wegzuschieben. Wut ist eine natürliche Emotion, hinter der eine enorme Kraft steckt. Wut-Management bedeutet, diese Kraft zu nutzen, so die Experten. „Wut einfach langfristig zu ignorieren ist ein todsicherer Weg, um ihre negative Intensität auf lange Sicht zu steigern.“ Bestsellerautor Chapman sagte: „Der Unterschied zwischen lang anhaltenden, gesunden Beziehungen und zerbrochenen Beziehungen liegt oft darin, wie gut oder schlecht die Partner mit ihrer Wut umgehen.“ Manchmal ist es das Beste, ein paar Minuten den Ort zu verlassen. Wenn man kurz heraustritt, eskaliert die Situation nicht mehr und die Wut gerät unter Kontrolle. „Es ist nun mal Realität, dass andere Menschen uns von Zeit zu Zeit aufregen“, schließen die Experten. „Es bleibt also nichts anderes übrig, als zu lernen, mit Wut richtig umzugehen.“