19. Februar 2021, 19:27 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Mit träumenden Menschen kommunizieren, und zwar ohne sie aufzuwecken? Klingt erstmal schräg, funktioniert aber offenbar. Wissenschaftler haben einen Weg von der realen Außenwelt in die Welt der Klarträumer gefunden – und ließen diese im Schlaf sogar Rechenaufgaben lösen.
Träume sind ein schwieriges Forschungsgebiet. Zum einen sind sie flüchtig und nicht wirklich greifbar, zum anderen haben Wissenschaftler bei ihren Untersuchungen keinen wirklichen „Live-Zugang“ in die Welt der Träumenden. Nach dem Aufwachen sind Träume – wenn überhaupt – nur noch eine verzerrte Erinnerung. Bislang. Erlebt der schlafende Proband nämlich gerade einen Klartraum – ist sich also seines Traumes bewusst und kann ihn dementsprechend auch steuern – scheint eine das Kommunizieren zwischen der realen Außenwelt und der erlebten Traumwelt eben doch möglich. So gelang jetzt einem internationalen Neurowissenschaftler-Team im Auftrag der Northwestern University (USA) mit träumenden Menschen zu interagieren, während diese vor ihnen im Labor schlummerten.
Studie untersuchte 36 Klarträumer
Die Studie dazu wurde im Fachportal „cell“ veröffentlicht. Für den Versuch wurden 36 Probanden rekrutiert. Die Erfahrungen der Teilnehmer mit klarem Träumen waren unterschiedlich. Einige hatten nur minimale Erfahrung , während andere häufige Klarträumer waren. Ein Patient mit Narkolepsie behauptete, er habe fast immer klare Träume gehabt. Vier unabhängige Labore in den USA, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden führten die Experimente durch.
Die Forscher platzierten Elektroden an den Köpfen der Probanden, um die Gehirnströme sowie die jeweilige Schlafphase zu messen. Damit wurde auch sichergestellt, dass die Teilnehmer tatsächlich träumten. Im sogenannten REM-Schlaf ist die Wahrscheinlichkeit dafür am höchsten. Sobald die Probanden in ihrem Klartraum angekommen waren, sollten sie das durch bestimmte Augapfelbewegungen den wartenden Neurowissenschaftlern mitteilen. Diese wiederum drangen mittels Lichtmorsezeichen, Töne, gesprochene Worte oder sanftes Tippen auf die Hand in den Traum des Schlafenden ein. So erhielten die Träumenden Fragen oder Botschaften, welche sie wiederum mit zuvor abgesprochenen Augen- oder Gesichtsbewegungen beantworten sollten.
Klarträumer gaben Antworten auf Ja-Nein-Fragen und lösten Rechenaufgaben
Einem 19-jährigen Studienteilnehmer wurde beispielsweise die Aufgabe gestellt, „8 minus 6″ auszurechnen. Dieser gab wenig später über die Augenbewegung „2“ zu verstehen. Auch die zweite Aufgabe soll er auf diese Weise korrekt gelöst haben. Bei vielen weiteren Fragen handelte es sich vor allem um Ja-Nein-Fragen.
18 Prozent aller Versuche sind auf diese Weise geglückt, in 20 Prozent der Fälle kam es zu missverständlichen oder falschen Antworten. Beim Rest klartraum kommunizieren. Für Ken Paller, Hauptautor der Studie, ist das Ergebnis ein besonderer Durchbruch, wie er in der Pressemitteilung erklärt: „Wir haben nicht nur gezeigt, dass Träumende in Echtzeit mit der Außenwelt reagieren können, wir haben auch gezeigt, dass sie in der Lage sind, Fragen zu verstehen, Arbeitsgedächtnisoperationen durchzuführen und klare Antworten zu liefern.“
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So erlebten die Probanden den Versuch
Für die Forschenden im Labor fühlte sich das Klartraum-Kommunizieren ein wenig so an, als sprächen sie mit einem Astronauten, der sich gerade in einer außerirdischen Welt befindet. Aber auch die Träumer hatten nach dem Aufwachen interessante Geschichten zu erzählen, wie „zmc science“ zitiert. So erinnerte sich ein Proband: „Ich war im Klartraum auf einer Party mit Freunden, da hörte ich aus der Ferne eine Stimme fragen, ob ich spanisch spreche. Ich entschied mich mit den vereinbarten Gesichtsmuskelbewegungen ‚Nein‘ zu antworten.“ Oder: „Als ich das Finger-Tippen bemerkte, war ich gerade dabei, eine Horde Goblins zu bekämpfen. Ich war von mir selbst überrascht, wie ich die Frage des Forschers beantworten konnte, während ich einfach weiter kämpfte.“
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Ließe sich die Kommunikation zwischen der wachen Person und dem Träumenden noch weiter verbessern, hätte die Wissenschaft quasi „Live-Zugang“ in eine Welt, die bislang nur über Erinnerungen zugänglich ist. Für die beteiligten Wissenschaftler dieser Studie hat die Reise erst begonnen. Ihre Schlussfolgerung: „Echtzeitinformationen über das Träumen zu erhalten und den Verlauf eines Traums zu ändern – das könnte eine neue Ära der Untersuchung des Schlafes und der rätselhaften kognitiven Dimensionen des Schlafes einleiten.“