9. August 2020, 6:07 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Sport ohne Musik – das ist für viele undenkbar. Tatsächlich spricht einiges dafür, sich beim Workout berieseln zu lassen, denn die richtige Playlist kann das Training effektiver machen.
Für manche ist es unvorstellbar, ohne Musik zu trainieren. In vielen Fitnessstudios schallt es sogar so laut aus den Boxen, dass man sich in einem Club wähnt. Doch wie effektiv ist Musik beim Sport?
Studien zeigen: Wer Musik beim Sport hört, ist leistungsfähiger
Studien, die sich mit dem positiven Zusammenhang zwischen Musik und der sportlichen Leistungen befassen, existieren viele. Im Zuge einer Untersuchung, die im „Journal of Strength and Conditioning Research“ veröffentlicht wurde, ließen brasilianische Forscher 15 Läufer 5-Kilometer-Läufe absolvieren – mit und ohne Musik. Ergebnis: Wer Musik hörte, lief die ersten zwei Runden schneller. In den folgenden Runden glichen sich die Zeiten dann zwar an, dennoch zeigte sich am Ende trotzdem, dass Läufe mit Musik auf die ganze Distanz zu einer leicht besseren Zeit führten.
Eine Studie der University of Southern Queensland liefert ebenfalls interessante Rückschlüsse zu Musik beim Sport: So untersuchten die australischen Forscher 139 bereits bestehende Forschungsergebnisse, in denen die Wirkung von Musik während des Trainings auf die Performance beleuchtet worden war. Ausgenommen wurden Sportarten, bei denen Musik ein direkter Bestandteil ist, etwa Tanzen, Gymnastik oder Eiskunstlauf. Das Team um Professor Peter Terry, Dekan für Forschung und Innovation an der University of Southern Queensland, stellte vier mögliche Auswirkungen von Musik fest: psychologische Reaktionen, physiologische Reaktionen, psychophysische Reaktionen sowie Veränderung der sportlichen Leistungen.
Musik und ihre Wirkung auf die Psyche
Dass Musik eine messbare Auswirkung auf die Laktatbildung, die Sauerstoffzufuhr oder die Herzfrequenz während des Trainings hat, ist bislang nicht erwiesen. Und dennoch konnten andere körperliche Veränderungen festgestellt werden, die die Leistungssteigerung beim Training erklären.
Grund dafür ist der sogenannte psychosomatische Effekt, den Musik auf uns hat. Vertraute Melodien oder Stimmen, Klänge oder Texte verbinden wir automatisch mit einer Situation aus der Vergangenheit, einer Person oder einem Gefühl. Es werden beim Hören also Assoziationen hervorgerufen und als Reaktion darauf eine Emotion in uns ausgelöst. Diese wiederum sorgt für spürbare körperliche Reaktionen, die sich auf verschiedene Art und Weise bemerkbar machen. Etwa durch eine Veränderung der Hauttemperatur und Hautfeuchtigkeit, einer Auswirkung auf die Körperhaltung oder aber durch eine Veränderung des Muskeltonus, dem Spannungszustand der Muskulatur, der sich je nach Musik verstärkt oder lockert.
Die Wirkung von Musik beim Sport ist also ein psychologischer Effekt, an den aber nachweislich eine durch die Klangreize hervorgerufene Reaktion des neurovegetativen Systems gekoppelt ist. Das neurovegetative System steuert Körperprozesse, die nicht durch unseren eigenen Willen ausgeführt, sondern durch das Nervensystem bestimmt werden, so etwa unsere Hautatmung.
Dieser psychosomatische Effekt von Musik beim Sport kann auch eine Steigerung der sportlichen Leistungsfähigkeit bewirken. Das zeigten etwa auch Studien mit sowohl Marathonläufern als auch Laufeinsteigern, die in beiden Fällen ihre Leistung unter Einfluss von Musik um bis zu 15 Prozent steigerten.
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Musik nicht nur während, sondern auch vor dem Sport hören
Übrigens sollte man nicht nur auf Musik während des Trainings setzen – auch vor dem Sport kann Musikhören effektiv sein. So kann man damit etwa positive Emotionen und Erinnerungen wecken, die zu einem ausgeglicheneren, konzentrierteren Zustand führen soll. Auch kann ruhige, lockere Musik dabei helfen, Anspannungen zu lösen sowie Nervosität und Unruhezustände zu verringern.
Auch als eine Form der Meditation vor dem Sport lässt sich Musikhören einsetzen, um sich so ganz gezielt mental auf das Training vorzubereiten. Dass dies funktioniert, zeigt eine Studie, die „Journal of Strength and Conditioning Research“ veröffentlicht wurde. Forscher fanden heraus, dass Musikhören vor dem Sport die sogenannte Vagotonie reduziert. Das ist ein Zustand unseres vegetativen Nervensystems, in dem der Körper stark auf Ruhe und Erholung konzentriert ist. Sowohl unsere körperliche wie auch die geistige Aufmerksamkeit werden durch das Musikhören erhöht und Sportler empfinden dadurch einen größeren Antrieb und mehr Begeisterung für ihre bevorstehende körperliche Anstrengung.
Auf diesen Effekt setzen übrigens auch Spitzensportler aus allen Bereichen. Sowohl vor Leichtathletik-Wettkämpfen als auch vor Fußballspielen sieht man viele Athleten mit Kopfhörern.
Worauf man bei der Workout-Playlist achten sollte
Aber gibt es eigentlich die optimale Trainings-Playlist? Jein. Das ist nämlich sehr individuell. Für die Musik beim Sport eignen sich vor allem vertraute und beliebte Songs, mit denen man selbst etwas Positives verbindet, etwa eine Person oder auch ein Gefühl wie etwa Kraft, Willensstärke oder Ausdauervermögen. Das ist bei jedem unterschiedlich.
Wichtig ist allerdings, Songs mit einer angemessenen Geschwindigkeit auszusuchen. So passt sich unsere Bewegung beim Sport automatisch dem Rhythmus der Musik an. Ist diese zu langsam, kann das unnötig ausbremsen, zu schnelle Songs bergen andererseits die Gefahr, dass man sich zu sehr verausgabt.
Ebenfalls sollte man auf die Reihenfolge sowie das Zusammenspiel ruhiger und energetischer Lieder achten. Aus wissenschaftlicher Sicht wird für intensives Krafttraining oder auch einen Wettkampf empfohlen, etwa 80 Prozent schnelle und antreibende Songs und 20 Prozent ruhigere, entspannte Musik auf die Playlist zu packen. Weiß man also bereits vorher, wie das intensiv das Training aussehen soll und wie viele Tempo- und Ruhephasen es beinhalten wird, kann man sich vorab gezielt die optimale Workout-Playlist erstellen.
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Das hört unsere Redaktion beim Sport am liebsten
Musikgeschmäcker sind bekanntlich verschieden und beim Sport ganz besonders. Das war zumindest der Eindruck, als wir einige Kolleg*innen aus der BOOKs-Redaktion nach ihrer Lieblingsmusik zum Laufen, Pumpen und Co. gefragt haben.
Laura Graichen (myHOMEBOOK)
„Bei einem Workout brauche ich Musik, die mich pusht und animiert. Das funktioniert am besten mit HipHop – je mehr Bass, desto besser.“
Felix Mildner (myHOMEBOOK)
„Wenn ich mal gehe, höre ich meistens üblen Death Metal – gegen den inneren Schweinehund.“
Adrian Mühlroth (TECHBOOK)
„Ich brauche beim Training immer Abwechslung, aber prinzipiell sind Dub, HipHop, Drum’n’Bass und Reggaeton dabei – und die gelegentlichen Outlier.“
Marlene Polywka (TECHBOOK)
Flavio Treppner (FITBOOK)
„Ich muss während des Trainings immer angebrüllt werden, damit die letzten paar Wiederholungen noch gehen. Deshalb höre ich Rock und Metal.“
Carolin Berscheid (FITBOOK)
„Meine Playlist für den Sport besteht eigentlich fast nur aus Deutsch-Rap. Das motiviert und pusht mich am meisten. Capital Bra, Shindy, Kontra K, Bonez MC – da ist kreuz und quer alles dabei.“
Von vielen gehasst Ein wissenschaftlich belegter Trick macht das Laufen leichter
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Warum Sport aber auch mal ohne Musik gut sein kann
Anna Kessler (FITBOOK)
„Als Läuferin kennen ich auch quälende „Ich-mag-nicht-mehr-Gedanken“, und ich war großer Fan davon, sie mit Beats, die mich pushen, zu verdrängen. Mein Athletikcoach, mit dem ich für meine 10-km-unter-45-Minuten-Challenge trainiere, hat mir jedoch früh dazu geraten, ganz ohne Musik zu laufen. Anstatt die Anstrengung zu verdrängen, soll ich über sie nachdenken: Wie fühlt sich der Lauf in jedem Moment an? Wie fühlen sich die einzelnen Schritte an? Läuft die Bein- und Armarbeit rund? Bin ich gerade angestrengt – oder jammere ich? Ich mache das seit einigen Wochen und komme mit dieser Lauf-Achtsamkeit auch ganz gut klar. Entgegen meiner Erwartung fühlen sich diese Läufe auch gar nicht langweilig an, im Gegenteil! Ich nehme meinen Körper jetzt besser wahr und auch die Umgebung. Laufen ohne Musik – ihr solltet es probieren!“