3. November 2024, 17:25 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Nein, Misogi ist kein neues Superfood. Dennoch scheint sich hinter Misogi durchaus eine Art Superkraft zu verbergen. Und zwar eine, die lebensverändernd sein kann. So empfand es zumindest Ex-Fußballer und Extremsportler André Schürrle. FITBOOK-Redaktionsleiterin Melanie Hoffmann erklärt, was mit Misogi gemeint ist.
Der Name gibt einen entscheidenden Hinweis: Misogi ist in der japanischen Tradition verwurzelt. Streng genommen ist damit ein spezifisches Reinigungsritual gemeint. Von dort schaffte es der Begriff noch unter einem ähnlichen Verständnis in den Kampfsport, genauer ins Judo. Mittlerweile hat sich international die Definition von Misogi geändert, es steht neben Reinigung für große Herausforderungen, die so tief greifend sind, dass sie sogar den Blick auf die Welt verändern können sollen. Auch André Schürrle scheint das Konzept für sich entdeckt zu haben – auf Social Media verriet er seinen Fans, welche zwei extreme Challenges seine Misogi-Erfahrungen waren.
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Übersicht
Misogi – André Schürrle „liebt das Ritual“
Nach dem Ende seiner Fußball-Karriere wandte sich André Schürrle anderen – womöglich sogar noch schwierigeren – Herausforderungen zu. Damit sind nicht seine Marathon-Läufe gemeint (wie er in Berlin abschnitt, lesen Sie in diesem FITBOOK-Interview), Schürrle hat das Bergsteigen für sich entdeckt. Zwei solcher Besteigungen sind es auch, die er auf „Instagram“ als seine Misogi-Abenteuer nennt: „Ich habe von diesem Ritual zum ersten Mal vor ein paar Jahren in einem Podcast gehört und ich liebe es! Letztes Jahr, als wir bei –20 Grad stundenlang ohne Hemd gewandert sind und den Berg in Polen bestiegen haben! Oder dieses Jahr unser Everesting, wo wir 22+ Stunden gewandert sind, um die Höhenmeter des Mount Everest zu erreichen! Genau diese Momente haben meine Jahre geprägt! Ich bin geistig, körperlich und spirituell an meine Grenzen gestoßen! Lebensverändernde Momente! Ich glaube, dass man in Momenten von Schwierigkeiten und Entbehrungen mehr von sich selbst findet.“
Dass es Schürrle bei aller körperlichen Fitness und Grenzerfahrungen besonders auch um die psychische Herausforderung geht, betonte er im Frühjahr 2024 auch im erwähnten FITBOOK-Interview. Hier liegt für ihn auch der Reiz im für ihn neu entdeckten Sport des Langstreckenlaufens. Er habe gemerkt, „dass Laufen der schnellste Weg ist, an den Punkt zu kommen, dass man nur mit sich selbst zu tun hat. Wenn es mental schwer wird, und man die Dinge mit sich selbst ausmachen muss. Das hilft mir in meiner aktuellen Lebensphase sehr. Es hilft mir, mich selbst zu finden.“
Misogi als persönliche Challenge
Eisbaden nach der Wim-Hof-Methode, Apnoetauchen erlernen, zum ersten Mal Fallschirmspringen oder wie Jonas Deichmann 120 Langdistanz-Triathlons meistern – nach dem abgewandelten Konzept könnten all diese Erlebnisse für einzelne Personen ihre Misogi-Erfahrungen sein. Viele verstehen unter Misogi nämlich eine Art persönliche Suche, eine besondere Höchstleistung oder ein „Über-Sich-Hinauswachsen“.1 Dem Harvard-Arzt und Performance-Coach Dr. Marcus Elliott, der sich das Konzept unter dem Motto „Reach your potential“ (deutsch: „Erreiche dein Potenzial“) zu eigen und bekannt gemacht hat, soll Misogi wie folgt beschrieben worden sein: „Herausforderungen annehmen, die die Vorstellungen von dem, was möglich ist, radikal erweitern.“2,3 Darauf aufbauend machte er Misogi zu einer Idee, bei der es darum geht, sich selbst herauszufordern, Dinge zu erreichen, die man von vorher nicht für möglich gehalten hätte.
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Misogi im Sport
Ein Konzept, das Dr. Elliott in das Training von Athleten übertrug. Misogi im Sport war grundsätzlich nichts Neues. So hat es – aufgrund des Herkunftslandes naheliegend – im japanischen Kampfsport Judo Tradition.4
Wie Dr. Elliott das Konzept im Sport anwendet, verriet er einem Interview mit dem Magazin „Deloitte“: „Um die mentale und spirituelle Stärke zu fördern, haben wir damit begonnen, die Athleten in sogenannte Misogi-Herausforderungen zu schicken (…). Dabei lernt man, dass man viel mehr ertragen kann, als man für möglich gehalten hat.“ Weiter führte er aus: „Es ist eher eine geistige und psychologische Herausforderung, die sich als körperliche Herausforderung tarnt. Die Idee dahinter ist, dass man durch das Austesten seiner Grenzen, durch das Herausfinden, wo seine Grenzen sind, die Einsicht erhält, dass man viel mehr tun kann, als man für möglich gehalten hat. Das geschieht, indem man weit aus seiner Komfortzone herausgeht und ein Scheitern riskiert. Man entwickelt eine Toleranz dafür, wirklich herausfordernde, schwierige und möglicherweise zum Scheitern führende Aktivitäten auf sich zu nehmen. Man lernt Dinge über seine Stärke und sein Potenzial, von denen man nicht wusste, dass sie existieren.“
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Die ursprüngliche japanische Misogi-Tradition
Misogi in seiner ursprünglichen Form entstammt dem Shintoismus und ist ein religiöses Reinigungsritual.5 Das Ziel ist die Läuterung, also eine geistige und körperliche Reinigung. Dieses wird durch Eintauchen in kaltes Wasser erreicht. Shinto-Gläubige führen dieses Ritual an heiligen Wasserfällen aus, zu denen sie pilgern.
Misogi soll transformativ wirken, indem man sich der unerbittlichen Kälte der Wasserfälle stellt. Das eiskalte Wasser ist dabei nicht nur eine körperliche Herausforderung, sondern auch ein spiritueller Test für Ausdauer und Widerstandsfähigkeit. Auf dieses Weise soll der Weg für persönliches Wachstum und geistige Stärke geebnet werden.