26. September 2022, 13:58 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
23 Olympia-Goldmedaillen hat er im Laufe seiner Karriere eingeheimst. Weltweit wurde Michael Phelps für seine sportlichen Erfolge gefeiert – doch privat hatte der Schwimm-Star mit schlimmen mentalen Problemen zu kämpfen. Der heute 37-Jährige litt – und leidet – an Depression. Heute möchte er anderen Betroffenen Mut machen.
Erstmals trat die Depression bei Michael Phelps 2004 auf. In dem Jahr, als er in Athen bei seiner zweiten Olympia-Teilnahme sechs Goldmedaillen gewann. Jahrelang hielt der Schwimm-Star seine Erkrankung geheim. Jetzt spricht der 37-Jährige offen über das Leiden, das seine Karriere begleitete und auch sein heutiges Leben bestimmt. Das Positive: Phelps hat seine Erkrankung zu einer Art Berufung gemacht und nach dem Schwimmen eine neue Aufgabe gefunden. Er reist um die Welt, um Aufmerksamkeit für die mentale Gesundheit von Athleten zu schaffen.
Übersicht
»Ich war wie ein Hai und machte einfach weiter
2015 sprach Michael Phelps erstmals über die dunklen Seiten seiner Ausnahmekarriere. Seither gab er immer mal wieder Einblicke über seinen bereits viele Jahre andauernden Kampf mit der Depression. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP in Paris erzählte Phelps nun, wie es ihm heute geht, wie er das Thema Mental Health im Schwimmsport erlebte und warum er heute um die Welt reist, um genau über dieses Thema zu sprechen.
Michael Phelps ging nicht immer so offen mit seiner Depression um, die erstmals vor 18 Jahren bei ihm auftrat. Jahrelang hielt er seine Erkrankung geheim, weil er befürchtete, sie könne „als Zeichen von Schwäche“ ausgelegt werden und „seinen Kontrahenten einen Vorteil verschaffen”. Wie schlecht es ihm damals wirklich ging, beschrieb er im Interview jetzt mit drastischen Worten: „Ich machte eine Phase durch, in der ich nicht mehr leben wollte.“ Gleichzeitig lieferte er im Schwimmbecken Höchstleistungen ab – besonders bei Olympia konnte ihm niemand das Wasser reichen. „Wettkämpfe habe ich geliebt. Ich war wie ein Hai, der Blut im Wasser riecht und immer weiter macht“, beschrieb der 37-Jährige das Paradox aus schlechter mentaler Verfassung und sportlichen Triumphen.
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Michael Phelps kämpft heute noch mit seiner Depression
Seine aktive Schwimmkarriere hat Michael Phelps hinter sich gelassen. Die Depression begleitet ihn dagegen auch heute noch: „Es gibt Tage, an denen wache ich auf und fühle mich super. Am nächsten Tag wache ich als völlig andere Person auf. Es geht darum, die Balance zu finden.“ Dem dreifachen Vater ist klar, dass er sich sein Leben lang besonders um seine mentale Gesundheit bemühen muss – es mal bessere und mal schlechtere Phasen geben wird. Doch hat er mittlerweile Mechanismen erlernt, besser auf sich achtzugeben und mit schwierigen Momenten umzugehen. „Man muss Wege finden, ehrlich mit sich selbst zu sein“, erklärt Phelps seinen gegenwärtigen Umgang mit der Erkrankung. „Ich schwimme, wir haben ein Gym in der Garage und ich führe Tagebuch.“
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»Lieber ein Leben retten, als Goldmedaillen gewinnen
Zudem scheint Phelps in seiner Arbeit als Speaker aufzugehen. Um auf das Thema Mental Health im Allgemeinen und auf Depression im Speziellen aufmerksam zu machen, ist er heute sogar mehr auf Reisen als während seiner aktiven Schwimmkarriere. „Ich habe lieber die Möglichkeit, ein Leben zu retten, als eine weitere Goldmedaille zu gewinnen. Das hier ist so viel wichtiger“, betonte Phelps die Bedeutung seiner neuen Aufgabe. „Wir haben zu viele olympische Athleten durch Suizid verloren. Ich möchte kein weiteres Mitglied der Olympia-Familie verlieren.“
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Phelps lobt den Mut von Naomi Osaka und Simone Biles
„Wir brauchen mehr und mehr Personen, die offen erzählen und helfen, die Wände einzureißen, diese Grenzen, die aufgebaut wurden“, so Phelps über seine Hoffnung, dass Mental Health und Depression im Sport nicht mehr tabuisiert werden. In diesem Zusammenhang lobte er auch den Mut von Tennisstar Naomi Osaka und Schwimm-Star Simone Biles. Osaka hatte 2021 ihre Teilnahme an den French Open abgesagt, um sich von ihrer Depression zu erholen. Simone Biles brach einen Wettkampf bei den Olympischen Spielen in Tokio ab, weil sie mit psychischen Problemen zu kämpfen hatte. Beide hielten ihr Leiden nicht unter Verschluss, sondern machten sie öffentlich. „Das ist keine einfache Sache“, erläuterte Phelps. „An Simone Biles sieht man, dass es in den größten Momenten der Karriere passieren kann. Es zeigt, wie unberechenbar psychische Erkrankungen sind. Es kann ganz plötzlich kommen.“
Die Deutsche Depressionshilfe rät, Betroffene offen darauf anzusprechen und ihnen bei Bedarf dabei zu helfen, einen Arzt oder Psychotherapeuten zu kontaktieren. Manchmal kann es auch notwendig sein, sie in eine psychiatrische Notfallambulanz zu bringen. Sollten Sie selbst Suizidgedanken haben: Die Telefonseelsorge unter 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 ist kostenfrei und steht rund um die Uhr zur Verfügung. Holen Sie sich bitte Hilfe!