
20. März 2025, 15:08 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Wenn wir Sex haben, scheint zwar der Körper die Regie zu übernehmen. Das wahre Feuerwerk wird aber im Kopf gezündet. Da nähere Erkenntnisse darüber bisher hauptsächlich bei der Initiierung von Sex gewonnen wurden, ist diese Entdeckung von Neurologen eine kleine Sensation: Ihre Studie mit Mäusen während der Paarung enthüllt womöglich, was beim Sex ganz genau im Gehirn des Mannes geschieht. Die Erkenntnisse könnten zukünftig zu neuen Behandlungsansätzen für sexuelle Funktionsstörungen führen.
Wie in so vielen Wissenschaftszweigen wurden auch in der Forschung zum Sexualverhalten die Frauen bisher eher übersehen. Dafür mag es viele Gründe geben – auf diesem Gebiet hat es vor allen Dingen damit zu tun, dass beim Mann sowie auch männlichen Mäusen, Ratten oder Primaten, wie sie in der Forschung eingesetzt werden, die einzelnen Phasen des Geschlechtsverkehrs leichter zu messen sind. Die Ejakulationsphase ist klar unterscheidbar von der Erektion und der Penetration und jede Phase eindeutig von den anderen abgrenzbar durch definierte physiologische Marker. Und auch die Steuerung dieser Übergänge erfolgt im Hirn des Mannes über spezifische Gehirnregionen. Der weibliche Orgasmus bei Frauen ist variabler, kontextabhängiger und nicht so einfach durch standardisierte Experimente nachzubilden. Deshalb konzentriert sich Forschung zum Sexualverhalten häufiger auf Männer als auf Frauen – da macht auch die neueste Studie auf dem Gebiet keinen Unterschied. Sie schließt aber eine Wissenslücke für das, was womöglich beim Sex im Gehirn des Mannes vor sich geht. Dafür hatten die Forschenden die Gehirnaktivität von Mäusen während der Paarung analysiert.
Übersicht
Was passiert im Gehirn von Mann und Frau beim Sex?
Viele Tier- und auch Humanstudien zum Sexualverhalten und was dabei in unseren Gehirnen passiert, konzentrierten sich in der Vergangenheit auf die Initiierung des Geschlechtsverkehrs sowie das Danach. Bekannt ist, welche Gehirnregionen und Neurotransmitter dafür verantwortlich sind.
Neuere Studien zur weiblichen Sexualität zeigen etwa, dass Dopamin auch bei Frauen eine Rolle spielt, aber Oxytocin und Serotonin möglicherweise wichtiger sind als bei Männern.1 Beim Mann weiß man etwa, dass Dopamin im Belohnungssystem (Nucleus accumbens) des Gehirns die sexuelle Motivation beeinflusst. Auch für die sexuelle Leistungsfähigkeit ist der Neurotransmitter entscheidend. Nach der Ejakulation übernimmt beim Mann das Serotonin.2
Studien zeigen, dass während des weiblichen Orgasmus der präfrontale Kortex heruntergefahren wird.3 Bei Männern sind während der Ejakulation dagegen das ventrale Tegmentum und der Nucleus accumbens hochaktiv.4 Beides Regionen, die mit Belohnung und Dopamin verbunden sind.
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Forscher entschlüsseln, wie Gehirne männlicher Mäusen beim Sex den Weg zur Ejakulation steuern
Aber was passiert dazwischen? Wie genau reguliert das männliche Gehirn auf dem Weg bis zur Ejakulation? Das haben Forscher bisher nicht vollständig verstanden. Ai Miyasaka und einem Forscherteam der Universität Tsukuba sowie der National Institute of Biological Sciences, Beijing, haben es möglicherweise endlich herausgefunden. Ihre Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Neuron“ veröffentlicht.5
Dafür untersuchten die Forscher, wie zwei wichtige Neurotransmitter, Acetylcholin und Dopamin, im Gehirn von männlichen Mäusen während des Geschlechtsverkehrs mit weiblichen Mäusen zusammenspielen. Sie fanden heraus, dass diese Neurotransmitter in einem rhythmischen Muster zusammenwirken, um die verschiedenen Phasen des Sexualverhaltens zu koordinieren. Besonders interessant ist, dass eine gezielte Manipulation dieser Signale die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Ejakulation beeinflussen kann.
Wie haben die Forscher gemessen, ob und wie Acetylcholin und Dopamin in den Mäusehirnen beim Akt zusammenwirken? Die Methode zur Aufzeichnung neuronaler Aktivität heißt FFP-System (Fused Fiber Photometry). Dazu werden in die Nervenzellen lichtempfindliche Schalter eingebaut, durch die es möglich wird, ihre Aktivität mittels Licht ein- und auszuschalten und dadurch auf deren Funktion schließen zu können. Neurone und neuronale Schaltkreise können auf diese Weise präzise manipuliert und erforscht werden.6
Das fanden die Forscher genau heraus
Die neuen Erkenntnisse zu den Mechanismen im Gehirn, die männliches Sexualverhalten steuern, im Einzelnen:
- Bevor die Maus überhaupt zur Penetration kommt, beginnt das Gehirn, rhythmisch Acetylcholin freizusetzen – eine Art „Startsignal“.
- Sobald die Maus mit der Penetration beginnt, kommt Dopamin ins Spiel. Es folgt einem Takt, der exakt dem Beckenstoßrhythmus entspricht.
- Wenn man künstlich Acetylcholin oder Dopamin blockiert, klappt es seltener mit der Penetration oder Ejakulation. Das heißt: Beide Stoffe sind notwendig, damit alles funktioniert.
- Wenn man Acetylcholin während der Penetration verstärkt, passiert etwas Überraschendes: Die Maus kommt sofort zum Höhepunkt. Gleichzeitig verlangsamt sich die Dopamin-Frequenz, offenbar eine Art „Endsignal“ für den Akt.
- Computermodelle bestätigten, dass diese „Doppelrhythmik“ durch eine gegenseitige Regulierung von Acetylcholin und Dopamin erzeugt wird.
Auf den Punkt gebracht: Acetylcholin gibt den Startschuss, Dopamin sorgt für den Rhythmus, und beide gemeinsam bestimmen, wann es vorbei ist. Ohne diesen fein abgestimmten Wechsel läuft nichts!

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Was bringen uns diese Erkenntnisse? Viel!
Nun möchte man vielleicht denken: Schön, eine Studie zum Paarungsverhalten von Mäusen – aber was bringt das den Menschen und speziell den Männern? Klar: Ob sich die Ergebnisse eins zu eins auf den Menschen übertragen lassen, muss durch weitere Forschung geprüft werden. Studienatorin Miyakasa ist jedenfalls davon überzeugt, dass ihre Entdeckung unter anderem zu potenziellen Sexualtherapien führen könnte. Da Acetylcholin die Ejakulation auszulösen scheint, könnte eine gezielte pharmakologische Beeinflussung neue Therapieansätze für Männer mit vorzeitiger oder verzögerter Ejakulation bieten.
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Weitere mögliche pharmazeutische Anwendungen sind etwa die Parkinson-Krankheit: Patienten mit dieser Erkrankung leiden oft unter veränderten Dopaminspiegeln, was sich auch auf die Sexualfunktion auswirkt. Die neuen Erkenntnisse könnten dazu beitragen, Therapien für solche Begleitsymptome zu verbessern. Auch bei psychiatrischen Erkrankungen spielt Dopamin eine Rolle. Die Ergebnisse könnten daher auch für die Erforschung von Anhedonie (Freudlosigkeit) oder anderen Luststörungen von Bedeutung sein.