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Erstaunlich und unterschätzt

Kleinhirn – Funktion, Lage und Aufbau

Das Kleinhirn liegt unter dem Großhirn, hinter dem Hirnstamm
Das Kleinhirn liegt unter dem Großhirn, hinter dem Hirnstamm Foto: Getty Images
Janek Hennicke

6. März 2023, 4:23 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Ohne Kleinhirn wäre der Mensch ein in sich zusammengefallener, schlaffer Körper. Dabei ist es nicht mal zu sehen, wenn man von oben auf das menschliche Gehirn schauen sollte. Seine Aufgaben sind vielfältig und bedeutungsvoll. Welche das sind und wie das Cerebellum aufgebaut ist, erfahren Sie hier.

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Auch wenn es deutlich kleiner ist als das Großhirn, ist das Kleinhirn (lateinisch Cerebellum) mindestens genauso wichtig – wenn nicht sogar wichtiger. Es stellt sicher, dass der gesamte menschliche Körper funktioniert und sich bewegen kann. Das Kleinhirn wiegt gerade mal ein Zehntel des gesamten Gehirns und nimmt nur ein Sechstel des Volumens ein. Es hat jedoch fünfmal so viele Neuronen (graue Substanz) wie sein „größerer Bruder“.1

Lage

Wie erwähnt, ist das Kleinhirn nicht einmal zu sehen, wenn man aus der Vogelperspektive hinab auf unser Gehirn schauen sollte. Es liegt unterhalb des Großhirns in der hinteren Schädelgrube und wird komplett vom restlichen Teil des Gehirns überdeckt. Die beiden Gehirnteile liegen jedoch nicht aufeinander auf, sondern werden von einer dünnen Bindegewebsstruktur getrennt, dem sogenannten Kleinhirnzelt.2 Das Kleinhirn ist, frontal betrachtet, von hinten am Hirnstamm angebunden und steht dadurch entsprechend mit dem Großhirn in Verbindung.

Aufbau und Struktur

Das Cerebellum ist hauptsächlich in drei Komponenten aufgebaut: linke und rechte Kleinhirnhemisphäre sowie der Kleinhirnwurm in der Mitte. Beide Hemisphären sind über die Kleinhirnstiele mit dem Hirnstamm verbunden. Durch diese Verbindung können Informationen vom Kleinhirn durch den Hirnstamm in den Körper und das Rückenmark weitergeleitet bzw. aufgenommen werden. Wie auch das Großhirn besitzt das Cerebellum eine Kleinhirnrinde, in der die Neuronen sitzen.

Aufgrund der hohen Anzahl an Neuronen im Kleinhirn hat die Kleinhirnrinde eine stark ausgeprägte Faltung. Innerhalb dieser Faltung kann man, wie auch beim Großhirn, graue und weiße Substanz finden. Die weiße Substanz enthält Nervenfasern und Leitungsbahnen, die Signale von Neuronen an den Gehirnstamm und damit in das Rückenmark leiten oder aufnehmen. Die graue Substanz beinhaltet die gesamten Neuronen des Kleinhirns und ist in drei Schichten aufgeteilt: Molekular-, Purkinjezell- und Körnerzellschicht.

Die über die Kleinhirnrinde aufgenommenen Informationen werden durch diese drei Schichten der grauen Substanz weitergeleitet. Besonders hervorheben muss man dabei die Pukinjezellschicht (mittlere Schicht). Innerhalb dieses Abschnitts befinden sich die sogenannten Dendritenbäume. Diese besitzen bis zu 200.000 Synapsen, welche dauerhaft Informationen aus der Rinde empfangen und an die weiße Substanz weiterleiten.

Wenn man das Kleinhirn quer in zwei Teile schneiden würde, könnte man die weiße Substanz wie eine Art Baum wahrnehmen, welcher in alle Bereiche des Kleinhirns verästelt ist. Daher wird zu dieser Struktur auch häufig als Lebensbaum (Arbor vitae) bezeichnet. Die weiße Subtanz bildet den Stamm und die Äste, während die graue Substanz das Laub darstellt. Diese Struktur zieht sich von vorn nach hinten durch das gesamte Organ und ermöglicht dem Kleinhirn seine präzise Arbeit.

Funktion

Das Cerebellum ist primär für die Steuerung unseres Körpers zuständig. Dabei übernimmt es die Verantwortung in verschiedenen Bereichen und Formen von Koordination, Planung, Feinmotorik, Feinabstimmung von Bewegungen, Lernvorgängen und Gleichgewicht. Die wichtigsten Funktionsbereiche sind dabei Vestibulocerebellum, Pontocerebellum und Spinoceberellum.

Der Funktionsbereich des Vestibuloceberellum sitzt im hintersten Bereich des Kleinhirns, dem Lobus flocculonodularis. Dieser Bereich beeinflusst unsere Körperhaltung, Feinabstimmung unserer Augenbewegungen und das Gleichgewicht, da es über die Nervenfaserbahnen mit dem Gleichgewichtsorgan im Innenohr verbunden ist. Diese Verbindung führt dann bis zum Nervenkern der Augenmuskeln. Zum Beispiel wird also abgemessen, wie weit die Tasse wegsteht und wie das Gleichgewicht verlagert werden muss, um sie zu greifen.

Der Funktionsbereich des Pontoceberellum wird durch die beiden Kleinhirnhemisphären gebildet. Hier werden motorische Bewegungen erlernt, ausgeführt, abgespeichert und präzisiert. Zum Beispiel wird geplant, wie weit etwa der Arm ausfahren muss, um zur Tasse zu gelangen.

Der Funktionsbereich des Spinoceberellum ist der größte im Kleinhirn und wird vom Kleinhirnwurm gebildet. Hier werden Bewegungsabfolgen beeinflusst und vor allem aber die Bein- und Hüftposition angepasst und kontrolliert. Zum Beispiel werden Hüft- und Beinbewegungen immer so angepasst, dass der Körper aufrecht bleibt und nicht umfällt.

Wie man sieht, ist das Kleinhirn bereits für viele essenzielle Dinge im Körper zuständig und die verschiedenen Bereiche arbeiten dauerhaft Hand in Hand. Doch das ist nicht alles für, wofür sie zuständig sind, eine Studie aus 2022 zeigt neue Erkenntnisse.3

Neue Erkenntnisse

Aus der Studie geht hervor, dass das Kleinhirn auch eine wichtige Rolle in der Emotions- und Gedächtnisgestaltung spielt. Die Forscher zeigten Testpersonen neutrale sowie emotionale Bilder und maßen ihre Gehirnaktivitäten. Dabei stellten sie fest, dass neben den bekannten Großhirnbereichen auch Bereiche im Kleinhirn kommunizierten. Dabei wurden Informationen vom Großhirn ans Kleinhirn und Informationen vom Cerebellum an den Hippocampus, sowie Amygdala gesendet. Diese Bereiche sind essenziell für die Emotionswahrnehmung und das Gedächtnis.

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Welche Kleinhirnerkrankungen gibt es?

Eine Schädigung des Kleinhirns hat häufig sehr ernste Konsequenzen. Diese können vielfältig sein. Typische Erkrankungen oder Schädigungen des Cerebellum sind:

  • Zerebelläre Ataxie
  • Gangataxie
  • Rumpfataxie
  • Dysmetrie
  • Dysdiadochokinese
  • Dysarthrie
  • Muskelhypotonie
  • Charcot-Trias: Nystagmus, Intentionstremor, skandierende Sprache

Die meisten Erkrankungen machen sich vor allem im Bereich des Gleichgewichtsausgleichs und Körperhaltung bemerkbar. Patienten schaffen es in der Regel nicht mehr aufrecht zu gehen oder aufrecht zu sitzen, da das Kleinhirn Informationen nicht mehr richtig verarbeiten und weiterleiten kann. Neben diesen Symptomen gibt es weitere, die sich vor allem im Bereich der Sprache sowie Einschätzung von Entfernung und Muskelkontrolle zeigen. Durch die Störung im Cerebellum wird die Sprache teilweise schwieriger verständlich und kann nicht mehr klar kontrolliert werden. Bewegungen von Körperteilen wie Armen oder Beinen leiden auch häufig. Muskelpartien werden entweder zu stark oder zu leicht beansprucht. Zum Beispiel kann das Greifen einer Tasse dadurch nicht mehr möglich sein.5

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Quellen

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