3. März 2025, 20:15 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Die Forschung zeigt, dass Bakterien in unserem Darm nicht nur unsere Stimmung beeinflussen, sondern auch für den Ausbruch von Krankheiten wie Alzheimer oder Depressionen eine Rolle spielen. Forschern aus den USA gelang es, bei Mäusen das Stressverhalten zu manipulieren, indem sie sie einem bestimmten Bakterium aussetzten. Enthalten ist es in fermentierten Produkten. Lassen sich mit Joghurt bald potenzielle Therapien zur Behandlung von Depressionen und Angststörungen entwickeln?
In unserem gesamten Verdauungstrakt leben unzählige Bakterien, Viren und Pilze. Das Zusammenspiel dieser Mikroorganismen ist etwa für die geistige Gesundheit, die Gesundheit des Immunsystems und etliche andere Aspekte des Wohlbefindens ganz entscheidend. Über die erstaunliche Verknüpfung unseres Gehirns – und damit der Psyche – mit dem Darm hat FITBOOK bereits in der Vergangenheit ausführlich berichtet, den Artikel dazu finden Sie hier. So zeigt moderne Forschung, dass die Bakterien in unserem Darm auch beim Ausbruch schwerer Krankheiten wie Depressionen, Alzheimer oder Adipositas mitzureden haben. Deshalb interessieren sich Wissenschaftler für die konkrete Frage, welche Lebensmittel die Darmflora dabei unterstützen können, uns vor kognitiven Störungen zu schützen. Forscher aus den USA sind in dieser Frage einen Schritt weitergekommen: Sie konnten zeigen, dass nützliche Bakterien, wie sie etwa in Joghurt enthalten sind, Mäuse vor Depressionen und ängstlichem Verhalten schützen. Für den Menschen könnten ihre Ergebnisse neue Therapieansätze bereithalten.
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Übersicht
- Positive Wirkung fermentierter Lebensmittel auf die Darmflora
- Studie mit Mäusen zur Wirkung von Laktobakterien bei Depressionen und Ängsten
- Ergebnis: Mäuse ohne Laktobakterien im Mikrobiom sind anfälliger für ängstliches Verhalten
- Ergibt sich daraus ein neuer Therapieansatz für Menschen mit Depressionen und Angststörungen?
- Können probiotische Bakterien (wie u.a. in Joghurt) Symptome von Depressionen lindern?
- Fazit
- Quellen
Positive Wirkung fermentierter Lebensmittel auf die Darmflora
Dass der regelmäßige Genuss fermentierter Lebensmittel zur Gesundheit der Darmflora beiträgt, ist hinlänglich bekannt. Diese Produkte – sei es Joghurt, Kimchi, Sauerkraut oder Kefir – enthalten Milchsäurebakterien, welche die Bakterienvielfalt des Darms in schwierigen Zeiten aufrechterhalten. Und das vermutlich nicht nur nach Antibiotika-Kuren oder mit angeschlagenem Immunsystem – sondern auch bei kognitiven Krankheitsbildern wie Depressionen oder Angststörungen.
Je frischer der Joghurt, desto mehr Probiotika
Milchsäurebakterien werden auch Laktobakterien oder probiotische Bakterien genannt. In der Werbung werden sie auch als „Probiotische Milchsäurekulturen“ bezeichnet. Joghurt entsteht durch die Fermentierung mit Milchsäurebakterien und enthält dadurch von sich aus viele Probiotika. Je frischer der Joghurt, desto mehr der guten Bakterien sind enthalten. Am besten ist er selbstgemacht. Wie das geht, lesen Sie hier. Auch sonst sollte man lieber zum Naturjoghurt greifen, anstatt zu stark gesüßten Fruchtvarianten.
Auch interessant: Wie sich der Konsum von Joghurt auf das Risiko für Darmkrebs auswirkt
Studie mit Mäusen zur Wirkung von Laktobakterien bei Depressionen und Ängsten
Die Wirkung dieser gesundheitsfördernden Laktobakterien waren Gegenstand einer Studie von US-Forschern. Sie untersuchten an Mäusen, ob die Bakterien gezielt zur Bekämpfung von und zum Schutz vor Depressionen sowie Angststörungen eingesetzt werden können.1 Aus früheren Forschungen wusste das Team um Alban Gaultier, der an University of Virginia School of Medicine zu Entzündungsprozessen und neurodegenerativen Krankheiten forscht, dass Laktobakterien bei Labormäusen Depressionen umkehren können.
Um die Gründe für diese erstaunliche Wirkung zu verstehen, setzten Gaultier und sein Team die Depressionen-Forschung mit einer speziellen, selten genutzten Bakteriensammlung fort. Dazu gehörte zwei Lactobacillus-Stämme sowie sechs weitere Bakterienstämme. Gleichzeitig konnte das Team Mäuse sowohl mit als auch ohne Lactobacillus-Stämme im Mikrobiom züchten.
Dann teilte man die Mäuse in zwei Gruppen. Einige Tiere wurden Stressfaktoren ausgesetzt, um depressive und angstähnliche Verhaltensweisen zu provozieren; die andere Gruppe ließ man in Ruhe und hielt sie keimfrei. Außerdem wurde die schmutzige Einstreu der gestressten Gruppe täglich in die Käfige der anderen Gruppe gebracht, die man während des gesamten Untersuchungszeitraums in Ruhe ließ.
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Ergebnis: Mäuse ohne Laktobakterien im Mikrobiom sind anfälliger für ängstliches Verhalten
Der Transfer des Mikrobioms reichte aus, um die depressiven und angstähnlichen Verhaltensweisen zu übertragen.
- Die Übertragung des Mikrobioms von gestressten Mäusen auf keimfreie Empfänger löst bei diesen depressives und angstähnliches Verhalten aus
- Mäuse ohne Laktobakterien sind insgesamt anfälliger für Stress und zeigen eine gedämpfte immunologische Reaktion
- Laktobakterien halten den Spiegel eines Immunmediators aufrecht; dieser reguliert die Reaktion des Körpers auf Stress und trägt dazu bei, Depressionen abzuwehren
Gaultier erklärte in einer Mitteilung der University of Virginia School of Medicine: „Unsere Entdeckung beleuchtet, wie der im Darm lebende Laktobazillus Stimmungsstörungen beeinflusst, indem er das Immunsystem steuert.“2
Ergibt sich daraus ein neuer Therapieansatz für Menschen mit Depressionen und Angststörungen?
Laktobakterien, wie sie in Lebensmitteln wie bspw. Joghurt enthalten sind, wirken als Psychobiotika. Sie fördern die Stressresistenz und reduzieren gestörtes Verhalten. Können davon in Zukunft auch psychisch erkrankte Menschen profitieren? Zumindest zeigen sich die Forscher zuversichtlich, mit ihren Ergebnissen die Optimierung von Probiotika beschleunigen zu können, um irgendwann einmal neue Therapieansätze für Angststörungen und Depressionen entwickeln zu können. Patienten könnten in absehbarer Zukunft etwa spezielle probiotische Nahrungsergänzungsmittel einnehmen, welche den Gehalt an hilfreichen Laktobazillen optimieren.
Können probiotische Bakterien (wie u.a. in Joghurt) Symptome von Depressionen lindern?
Meta-Analysen
Studien zur Wirkung von Darmflora-freundlichen Bakterien mit Menschen liefern bislang gemischte Ergebnisse. Eine Linderung der Symptome bei Menschen mit einer Angststörung sowie leichten Depressionen etwa stellte eine Meta-Studie aus dem Jahr 2018 fest.3 Untermauern konnte diese Erkenntnisse eine weitere Meta-Analyse. Diese wurde im Februar 2024 veröffentlicht. Die Analyse von nach strengen Auswahlkriterien einbezogenen Studien brachte Interessantes zutage. So fanden 13 Studien eine signifikante Verbesserung depressiver Symptome durch probiotische Supplementierung. In elf Studien berichtete man über eine Reduktion von Angstzuständen. Besonders häufig wurden die probiotischen Stämme Lactobacillus helveticus und Bifidobacterium longum (ein ebenfalls in Joghurt oder Kefir enthaltenes Bakterium) untersucht, die in mehreren Studien mit einer Verbesserung der Symptome assoziiert waren. Jedoch zeigten neun Studien keine signifikanten Effekte von Probiotika auf Angst oder Depression. Zudem wiesen einige Studien darauf hin, dass leichte bis moderate Depressionen besser auf Probiotika ansprachen als schwere depressive Episoden.4
Probiotika-Studie aus Australien
Auch eine australische Studie, die 2024 veröffentlicht wurde, hatte die Wirkung von Probitotika ((Lactobacillus fermentum, L. rhamnosus, L. plantarum und Bifidobacterium longum) bei Depressionspatienten untersucht.5 Die Forscher arbeiten mit einer Studiengruppe, die drei Monate lang täglich Probiotika erhielt, sowie mit einer Kontrollgruppe, die Placebo bekam.
Das Ergebnis: Die Probiotika-Gruppe fühlte sich nach drei Monaten weniger deprimiert und ängstlich als zu Beginn. Im Blut fanden die Forscher weniger Entzündungsmarker und mehr schützende Antioxidantien. Das Stresshormon Cortisol war nach der Einnahme der Probiotika niedriger – ein Hinweis auf eine verbesserte Stressbewältigung.
Allerdings konnte die Studie nicht differenzieren, welche einzelnen Bakterien die größte Wirkung zeigten oder überhaupt an der Wirkung beteiligt waren. Auch ist nicht auszuschließen, dass andere Alltags- und Lebensstilfaktoren eine Rolle gespielt haben könnten.

Probiotika Wunderwaffe für ein starkes Immunsystem

Ernährung Die 8 besten probiotischen Lebensmittel für mehr Darmgesundheit

Studie aus Basel Die Wirkung von Probiotika auf Depressionen
Fazit
Verlässliche Aussagen auf die Wirkung von Probiotika auf Depressionen und Angstzustände beim Menschen lassen sich auf aktueller Datengrundlage also nicht machen. Aber die Ergebnisse der verschiedenen Studien waren insgesamt vielversprechend genug, weitere Forschung auf dem Gebiet zu verargumentieren. Besonders die Wirkung von Laktobakterien, wie sie etwa in Joghurt, Hartkäse, Kimchi, aber auch Apfelessig enthalten sind, – aber auch eine Vielzahl an anderen Bakterienstämmen – könnten neue Therapien im Bereich der mentalen Gesundheit möglich machen.