4. März 2025, 4:43 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Während einige graue Haare als attraktiv empfinden, sind sie für viele eher ein unerwünschtes Zeichen des Alterns. Doch warum ergrauen manche Menschen schon mit 20 oder 30 Jahren? Forschung zeigt inzwischen, dass neben der Genetik auch der sogenannte oxidative Stress eine Schlüsselrolle spielt. Eröffnet diese Erkenntnis neue therapeutische Perspektiven?
Graue Haare gelten oft als ein Zeichen des Alterns. Die Ursachen dafür sind jedoch komplexer, als man denkt. Neben genetischen Faktoren und altersbedingten Veränderungen rücken nun auch Immunprozesse in den Fokus der Forschung. Mehrere Studien liefern Erkenntnisse darüber, wie unser Körper auf Stress und Infektionen reagiert – und welche Rolle das Immunsystem dabei spielt. Kann etwa ein einfacher Virusinfekt tatsächlich zum vorzeitigen Ergrauen führen? FITBOOK hat sich verschiedene Studienergebnisse angesehen.
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Übersicht
So entsteht das Ergrauen der Haare
Allgemein betrachtet handelt es sich bei dem Ergrauen von Haaren häufig um eine Alterserscheinung, die sich mit zunehmenden Lebensalter bemerkbar macht. Für eine dunkle Haarfarbe bildet das Pigment Eumelanin, die Grundlage, welches üblicherweise in den Haarwurzeln gebildet wird. Dieses entsteht durch eine enzymatische Umwandlung der Aminosäure Tyrosin, die auch als Baustein für Adrenalin dient.
Jedoch nimmt die Aktivität der Melanozyten, also der melaninproduzierenden Zellen mit fortschreitendem Alter ab. Daher wird weniger Tyrosin in Melanin umgewandelt, was zu einem Melaninmangel in den Haaren führt. Somit werden nicht mehr genügend Farbpigmente in die Hornschicht eingelagert und die Haare erscheinen grau. Üblicherweise setzt der Prozesse zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr ein, kann jedoch auch früher beginnen. Treten graue Haare bereits vor dem 20. Lebensjahr auf, spricht man von einem frühzeitigen Ergrauen.1
Das Ergrauen von Haaren ist von zahlreichen Aberglauben und Mythen umgeben. Während sie in einigen Kulturen als ein Zeichen von Weisheit und Erfahrung wahrgenommen werden, gelten sie in anderen als Zeichen des körperlichen Verfalls und Vorboten des Alterns. Oft liegt der Ursprung dieser Annahmen in alten Erzählungen oder Legenden, die generationsübergreifend weitergegeben wurden. So glaubte man früher beispielsweise, dass ein plötzlicher Schock oder ein traumatisches Ereignis dazu führen könnte, dass jemand über Nacht ergraut. Dieser Aberglaube wurde durch Geschichten wie die von Marie Antoinette verstärkt, deren Haare angeblich in der Nacht vor ihrer Hinrichtung weiß wurden.2
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Was veranlasst die Melanozyten dazu, abzusterben?
Wie bereits erwähnt, sorgen die Melanozyten, das sind Pigmentzellen, dafür, dass das Haar seine individuelle Farbe erhält. Wenn Melanozyten jedoch absterben, können keine Pigmente mehr produziert werden und das nachwachsende Haar erscheint grau. 2018 gingen Forscher der University of Alabama at Birmingham der Frage nach, was die Melanozyten dazu veranlasst, abzusterben. Dazu führten die Wissenschaftler genetische Experimente an Mäusen mit einer Veranlagung für graue Haare durch.
Graue Haare durch Immunsystem? Studie mit Mäusen liefert Hinweise
Einen zentralen Aspekt der Untersuchung stellte das sogenannte MITF-Gen (Microphthalmia-associated Transcription Factor). Dieser Transkriptionsfaktor ist ein Protein, das in Melanozyten (den pigmentbildenden Zellen der Haut) eine wichtige Rolle spielt. Es beeinflusst die Produktion bestimmter Enzyme und wie sich verschiedene Zelltypen entwickeln.3 Frühere Annahmen gingen davon aus, dass der Verlust der Pigmentierung in den Haaren – also das Ergrauen – durch den Alterungsprozess und eine verringerte Melaninproduktion verursacht wird. Die amerikanische Studie hingegen untersuchte den Einfluss des Immunsystems auf den Pigmentierungsprozess.
Um die Rolle von MITF und angeborenem Immunsystem zu untersuchen, setzten die Forschenden genetisch veränderte Mäuse ein. Die Forscher stellten fest, dass Mäuse mit einer heterozygoten Form des MITF-Gens, also solche, die von ihren Eltern zwei unterschiedliche Varianten des Gens geerbt hatten, eine veränderte Reaktion auf das Immunsystem zeigten. Da sie weniger MITF-Protein produzierten, entwickelten sie schneller graue Haare – insbesondere, wenn ihr Immunsystem durch eine experimentelle Stimulation aktiviert wurde.4
Damit liefert die Studie Hinweise dafür, dass besonders das angeborene Immunsystem eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von grauen Haaren einnehmen könnte. Ein Ungleichgewicht im Immunsystem könnte dazu führen, dass die Melanozyten-Stammzellen ihre Funktion verlieren, was zum Verlust der Haarpigmentierung führt – und damit zum Ergrauen.
Ist das Phänomen auch auf den Menschen übertragbar?
Obwohl dieses Phänomen bisher nur an Mäusen untersucht wurde, gehen die Forscher davon aus, dass es auch beim Menschen auftreten könnte. „Bei einem gesunden Menschen mit einer entsprechenden Veranlagung zum Ergrauen könnte möglicherweise schon ein viraler Infekt ausreichen, um einen Rückgang der Melanozyten auszulösen – und damit vorzeitiges Ergrauen zu verursachen“, erklärt Melissa Harris, eine der verantwortlichen Wissenschaftlerinnen, in einer Mitteilung der University of Alabama at Birmingham.5

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Welche Faktoren beim Ergrauen noch eine Rolle spielen – weitere Studien
Allerdings ist diese Erklärung nur eine von vielen für die Entstehung grauer Haare – und der Prozess lässt sich bislang nicht gezielt beeinflussen. Insofern bleibt das Ergrauen ein individueller Faktor des äußeren Erscheinungsbildes, der nicht zwangsläufig auf ein hohes Alter hinweist.
Auch genetische Faktoren spielen eine Rolle, und äußere Einflüsse können das erste Auftreten grauer Haare beschleunigen – zum Beispiel hormonelle Erkrankungen oder ein starker Nährstoffmangel aufgrund einer unausgewogenen Ernährung. Zudem kann auch Stress einen erheblichen Einfluss haben. Unsere Kolleginnen von STYLEBOOK haben sich ebenfalls mit dem Thema des beschäftigt. Hier klärt sich u. a. die Frage, ob man graue Haaren vorbeugen kann.
Zusammenhang mit genetischen Faktoren
Eine Mäusestudie untersuchte die Mechanismen des Ergrauens und konzentrierte sich dabei insbesondere auf die Erhaltung und Funktion der Melanozyten-Stammzellen im Haarfollikel. Die Ergebnisse zeigten:
- Unvollständige Erhaltung der Melanozyten-Stammzellen: Dies führt zu einer verminderten Melaninproduktion und somit zum Ergrauen.
- Mangel am Bcl2-Gen: Das Bcl2-Gen (B-cell lymphoma 2) spielt eine wichtige Rolle bei den Zellüberlebensmechanismen, da es den programmierten Zelltod (Apoptose) verhindert.6 Ein Fehlen dieses Gens kann dazu führen, dass Melanozyten-Stammzellen frühzeitig absterben, was den Ergrauungsprozess beschleunigt.
- Mutationen im MITF-Gen: Wie bereits erwähnt kodiert das MITF-Gen für einen zentralen Transkriptionsfaktor, der für die Regulation von Melanozyten entscheidend ist. Mutationen in diesem Gen können die Differenzierung und Pigmentierung innerhalb der Stammzellnische beeinflussen und damit zum Ergrauen beitragen.7
Autoimmunerkrankungen
Eine Übersichtsstudie untersuchte verschiedene biologische Prozesse, die dazu führen können, dass Haare früher als üblich grau werden. Dazu gehören genetische Faktoren, ein Ungleichgewicht zwischen schädlichen und schützenden Molekülen im Körper (oxidativer Stress), ein Mangel an wichtigen Nährstoffen sowie mögliche Zusammenhänge mit bestimmten Krankheiten.
Die Ergebnisse legen nahe, dass das vorzeitige Ergrauen auf einem Zusammenspiel mehrerer Faktoren beruht. Während einige Studien Autoimmunreaktionen als potenziellen Auslöser in Betracht ziehen, fehlen bislang eindeutige Belege für eine direkte Verbindung.8
Verbindung mit kardiovaskulärer Gesundheit
Im Rahmen einer Querschnittsstudie wurden 6.390 Männer unter 30 Jahren mittels Fragebögen zu ihrem Haarstatus sowie verschiedenen soziodemografischen und klinischen Merkmalen befragt. Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass folgende Faktoren maßgeblich zum vorzeitigen Ergrauen beitragen können:
- Rauchen: Aktives Rauchen wurde als signifikanter Risikofaktor identifiziert.
- Genetische Veranlagung: Eine familiäre Häufung von vorzeitigem Ergrauen weist auf eine genetische Komponente hin.
- Fettleibigkeit: Ein hoher Body-Mass-Index (BMI) wurde ebenfalls mit einem erhöhten Risiko für vorzeitiges Ergrauen in Verbindung gebracht.9