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Asperger-Syndrom

»Für mich als Autistin hat die Corona-Krise viel Positives

Autistin Corona-Krise
Silke Lipinski ist Asperger-Autistin. Viele Schwierigkeiten in ihrem Leben ergeben sich durch Reizüberflutung und den ständigen Missverständnissen in der Kommunikation mit anderen. Foto: privat
Sylvia Petersen

1. Mai 2021, 18:13 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten

Autisten erleben ihre Umwelt anders, viele stoßen im sozialen Umfeld und im Job immer wieder auf Schwierigkeiten. Silke Lipinski ist selbst Asperger-Autistin. Für sie persönlich hat die Pandemie mit ihren vielen Einschränkungen durchaus etwas Gutes, wie sie im Gespräch mit FITBOOK verriet.

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Silke Lipinski war 31 Jahre alt, als bei ihr 2011 das Asperger-Syndrom diagnostiziert wurde. Das ist eine Variante des Autismus, die im Allgemeinen mit keiner verminderten Intelligenz einhergeht – es zeigen sich aber die für Autismus typischen Störungen im sozialen und motorischen Bereich. Dazu zählen ständig wiederkehrende Handlungen oder Schwierigkeiten, die Gefühle anderer richtig zu deuten. FITBOOK erzählte die Asperger-Autistin ganz offen, wie sie in der Corona-Krise zurechtkommt – und warum sie dieser sogar Positives abgewinnen kann.

Die Diagnose hat mir Angst gemacht

Als Silke Lipinski von der Diagnose erfuhr, bekam sie zunächst einen Schreck. „Bei Autisten denken viele sofort an eiskalte Menschen, an Amokläufer“, sagt die Doktorandin. „Mir schoss durch den Kopf: Bin ich etwa eine Soziopathin? Bin ich herzlos? Obwohl ich wusste, dass das nicht stimmt, bekam ich Angst.“ Am Ende sei die Diagnose aber auch eine Erleichterung für sie gewesen, so Lipinski im Gespräch mit FITBOOK: „Ich verstand, warum ich mich häufig außen vor fühle, warum ich oft Schwierigkeiten mit anderen habe, warum ich alles so wortwörtlich nehme.“

Das Asperger-Syndrom ist eine Form von Autismus. Betroffene sind hinsichtlich ihrer sozialen und kommunikativen Fähigkeiten eingeschränkt. Ihnen fällt es beispielsweise schwer, Gesichtsausdrücke zu deuten oder Ironie zu verstehen. Das zweite entscheidende Merkmal für Autismus ist, dass Betroffene zu Monotonie neigen. Sie haben etwa den Wunsch nach Ritualen, den immer gleichen Speisen oder Themen. Meist leiden sie auch unter starken Sinneseindrücken. Speziell Asperger-Autisten werden häufig als hochintelligent porträtiert.

In der Corona-Krise von zu Hause arbeiten – für die Autistin „ein Segen“

Autisten sind mehrheitlich sehr geräuschempfindlich, sie brauchen immer wieder Rückzugsräume. Dass Unternehmen im Zuge der Corona-Krise zunehmend Home Office ermöglichen, sei für sie als Autistin „ein Segen“, sagt Silke Lipinski. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Berliner Humboldt-Universität hat mit ihrer Chefin viel Glück: „Ich durfte schon vor der Corona-Krise viel von zu Hause aus arbeiten, weil sie weiß, dass ich Ruhe brauche, um mich konzentrieren zu können.“

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Ungewollte Berührungen sind eine Qual

Autisten fällt körperlicher Kontakt im Allgemeinen sehr schwer. Aus Sicht von Lipinski bringt die Pandemie auch hier weitere Erleichterungen für Autisten mit sich. „Das Händeschütteln ist endlich tabu.“ Etwas, das ihr immer unangenehm war. Durch die Arbeit im Home Office fällt zudem der Arbeitsweg weg – das sei ebenfalls ein Bonus, denn „der Lärm und die ungewollten Berührungen in öffentlichen Verkehrsmitteln sind für Autisten eine Qual“. Lipinski vermisst es auch nicht, dass sie ihre Kolleg*innen derzeit nicht persönlich sehen und sprechen kann. E-Mails schreiben sei für sie eine „durchaus vollwertige Kommunikation“.

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Hat die Corona-Krise für die Autistin einen Vorteil?

Silke Lipinski kann der Pandemie und den damit verbundenen Auflagen und Veränderungen also durchaus Positives abgewinnen. Autisten sind gerne für sich und haben damit aus meiner Sicht in der Corona-Krise sogar einen Vorteil“, so Lipinski. „Durch die Ausgangsbeschränkungen erleben Nicht-Autisten jetzt, wie es sich anfühlt, wenn das Ausmaß, das sie an sozialen Kontakten gerne hätten, nicht erfüllt wird. Umgekehrt ist es für uns Autisten unangenehm, wenn wir mehr soziale Kontakte haben sollen, als uns gut tut.“

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Appell an Nicht-Autisten

Trotz der aktuellen Vorteile und Verbesserungen könnte Silke Lipinski auf den Autismus gut verzichten. „Die meisten Schwierigkeiten, die ich in meinem Leben habe, ergeben sich durch die Erkrankung – mit der Reizüberflutung und den ständigen Missverständnissen in der Kommunikation mit anderen“, berichtet Lipinski. „Da der Autismus bleibt, muss ich aber einen Weg für mich finden, damit umzugehen.“ Sie rät allen Autisten, mehr zu sich und ihren Bedürfnissen zu stehen und hat ein Selbsthilfebuch für erwachsene Autisten geschrieben. Ihr Appell an alle Nicht-Autisten: „Autisten stehen permanent unter Druck, so zu sein wie die anderen. Das Tragische dabei ist, dass egal, wie sehr wir uns auch anstrengen, wir es nie vollends schaffen werden, uns anzupassen. Ich plädiere daher für mehr Unterstützung, damit Autisten nicht noch andere Probleme, wie Depressionen, bekommen. Wir haben es schon schwer genug, in dieser Welt zurechtzukommen.“

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