27. Februar 2023, 18:06 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Das Gefühl, ständig unter Strom zu stehen, ist für die meisten auf Dauer belastend. Leider lässt sich der Stress im Alltag nicht immer vermeiden. Neben der Beseitigung möglicher Faktoren besteht eine Taktik auch darin, Techniken zur Stressreduktion zu erlernen. Diese beinhalten häufig auch Atemübungen. Wie eine Studie nun herausfand, reduziert eine bestimmte Art der Atmung namens „Cyclic Sighing“ (zyklisches Seufzen) nicht nur signifkant Stress, sondern steigert das Wohlbefinden sogar besser als Meditation.
Zunächst einmal ist Stress nicht unbedingt negativ. Evolutionär dient er dazu, Gefahrensituationen zu begegnen. Mittlerweile befinden sich viele Menschen in einem dauerhaften Stresszustand mit negativen Folgen für die Gesundheit. Deswegen ist es wichtig, auch am eigenen Umgang mit stressigen Situationen zu arbeiten und Strategien zu entwickeln, um den Körper in den Regenerationsmodus zu versetzen. Hierbei helfen beispielsweise Achtsamkeitstraining oder Meditationsübungen. Allerdings können viele Menschen mit dem Meditieren nichts anfangen. Speziell für diese Gruppe gibt es eine gute Nachricht: Wie eine Studie zeigt, wirkt auch ein einfacher in den Alltag zu integrierender Atem-Trick gut gegen Stress: „Cyclic Sighing“ (dt. zyklisches Seufzen) genannt. Offenbar funktioniert diese Art zu atmen bei Stress sogar besser als Achtsamkeitsmeditation allein. FITBOOK erklärt, es funktioniert.
Übersicht
Atemübungen im Vergleich mit Achtsamkeitstraining
Für die US-Studie der Stanford-Universität, an der auch der Wissenschaftler und erfolgreiche Podcaster Andrew Huberman beteiligt war, wurden insgesamt 114 Probanden rekrutiert.1 Dabei hat man die Studienteilnehmer in vier Gruppen unterteilt: Drei Gruppen führten Atemübungen aus, die vierte Gruppe eine Achtsamkeitsmeditation. Der Versuchszeitraum dauerte 28 Tage, wobei jede Gruppe lediglich fünf Minuten am Tag die Übungen durchführen sollte. Folgende Atemübungen wurden praktiziert:
- Gruppe 1: „Cyclic Sighing“ (zyklisches Seufzen). Die Technik beruht auf dem „Physiological Sigh“ (dt. physiologisches Seufzen). Dabei wird zweimal hintereinander durch die Nase eingeatmet und anschließend bewusst deutlich langsamer ausgeatmet. Das zweifache Einatmen durch die Nase erfolgt nacheinander, ohne dazwischen auszuatmen.
- Gruppe 2: „Box Breathing“ wird im Deutschen auch Quadratatmung genannt, das sie aus vier gleich langen, meist drei- bis fünfsekündigen Phasen besteht: einatmen, Atem anhalten, ausatmen, Atem anhalten.
- Gruppe 3: „Cyclic Hyperventilation“ bedeutet zyklische Hyperventilation. Hierbei wird lange eingeatmet und nur kurz ausgeatmet. Dadurch kommt es zur Hyperventilation.
- Gruppe 4: Meditationsübungen, die jedoch in der Studienbeschreibung nicht näher erläutert werden.
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So funktioniert Cyclic Sighing
Im folgenden Video wird die Methode des „physiologischen Seufzens“ gezeigt. Hier die Schritte:
- Tief durch die Nase einatmen.
- Dann nochmals durch die Nase einatmen, um ein wenig mehr Luft in die Lungen zu bekommen.
- Langsam ausatmen – am besten so, als würde man eine Kerzen auspusten.
Atemübungen effektiver als reine Meditation
Am Ende des Versuchszeitraums berichteten rund 90 Prozent der Studienteilnehmer, dass sie sich bei den Übungen wohlfühlten. Zudem fanden 96 Prozent der Probanden die Anleitung per Video sehr einfach. Interessanterweise fiel es den Atemgruppen offenbar einfacher, am Ball zu bleiben als der Meditationsgruppe. Letzte führte im Schnitt an 17,7 von 28 Tagen die Übungen aus, während die Gruppen mit Atemübungen mit 19,6 Tagen fast zwei Tage länger durchhielten.
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Jeden Tag mussten die Teilnehmer in einem Stresstagebuch protokollieren, wie sie sich vor der jeweiligen Übung fühlen und wie danach. Parallel wurden die Daten eines Fitnessarmbands ausgewertet, das jeder bekommen hatte. Hierbei wurden u. a. die Informationen über die Schlafqualität, Atemfrequenz, Herzfrequenz sowie Herzfrequenzvariabilität betrachtet.
Die Auswertung des Tagebuchs sowie der mit dem Fitnessarmband erhobenen Daten ergab, dass sich grundsätzlich in jeder der Gruppen das Wohlbefinden nach den Übungen verbesserte. Unter dem Strich waren jedoch die Atemübungen effektiver als die Achtsamkeitsmeditation allein. Vor allem stiegen aber die positiven Effekte mit zunehmender Einhaltung des Testprotokolls. Dazu gehören folgende Verbesserungen:
- Reduktion der Atemfrequenz
- Reduzierung von Angstzuständen, die das persönliche Spannungsgefühl beschreiben und sich durch einen erhöhten Erregungszustand im autonomen Nervensystem zeigen.
Zyklisches Seufzen als Atem-Trick gegen Stress
Eine Gruppe stach besonders deutlich hervor: die Teilnehmer, die Cyclic Sighing bzw. zyklisches Seufzen praktizierten. Bei ihnen zeigten sich im Laufe der Zeit auch deutliche physiologische Effekte, wie zum Beispiel eine niedrigere Atemfrequenz. Die Forscher schlussfolgern daraus, dass diese Form des kontrollierten Atmens effektiver gegen Stress wirkt als beispielsweise Achtsamkeitsmeditation.
So kann man tatsächlich von einem Atem-Trick gegen Stress sprechen. In Situationen der Erregung hilft es, sich für ein paar Minuten zurückzuziehen und bewusst diese einfache Atemübung zu praktizieren: Zweimal hintereinander tief einatmen und anschließend deutlich länger ausatmen. Die positive Wirkung zeigt sich nicht nur akut, sondern hat laut Studie auch einen dauerhaften Effekt auf das Stressempfinden. Eine sehr einfache Übung, die sich nahezu überall praktizieren lässt. Selbst am Schreibtisch im Büro oder am Steuer im Autostau muss man nicht viel mehr machen, als sich auf die Atmung zu fokussieren und die Phase der Ausatmung in die Länge zu ziehen. Bereits nach ein paar Minuten sollte die Welt besser aussehen.
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Quellen
- 1. Balban MY, Neri E, Kogon MM, Weed L, Nouriani B, Jo B, Holl G, Zeitzer JM, Spiegel D, Huberman AD. (2023). Brief structured respiration practices enhance mood and reduce physiological arousal. Cell reports. Medicine.