27. April 2021, 12:55 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Wer feiert und trinkt, nimmt neben dem Alkohol auch ziemlich viele Kalorien zu sich. Um diese auszugleichen, lassen einige das Essen komplett aus. „Drunkorexie“ heißt in Fachkreisen das riskante Verhalten, das im schlimmsten Fall tödlich enden kann
Trinken, bis der Arzt kommt – ein Spruch, der leider nur zu häufig wahr wird. Laut Bundesministerium für Gesundheit konsumieren 6,7 Millionen Deutsche Alkohol in „gesundheitlich riskanter Form“ (Stand: 2020). Gerade in Pandemiezeiten kann der Wunsch groß sein, sich zu berauschen und dem Alltag so für einen Moment zu entfliehen. Ärzte und Psychologen beobachten jedoch nicht erst seit der Corona-Krise bei Frauen und auch Männern ein besorgniserregendes Verhalten – ein Phänomen, das sie „Drunkorexie“ getauft haben.
Übersicht
Was verbirgt sich hinter „Drunkorexie“?
Der Begriff „Drunkorexie“ setzt sich aus dem englischen Wort „drunk“ (betrunken) und „Anorexie“, dem medizinischen Fachbegriff für Magersucht, zusammen. „Drunkorexie“ ist keine offiziell anerkannte Krankheit. Es beschreibt vielmehr ein Verhalten, das mit essgestörtem Denken und hohem Alkoholkonsum einhergeht. Betroffene fürchten, durch regelmäßiges Trinken und Feiern zuzunehmen.
Alkoholische Getränke sind ja in der Regel durchaus sehr gehaltvoll:
- ein kleines Bier (0,3 Liter) ca. 130 Kalorien
- ein halber Liter Weißbier ca. 230 Kalorien
- ein Glas Rotwein (0,1 Liter) ca. 67 Kalorien
- ein Caipirinha (0,3 Liter) ca. 320 Kalorien
- ein Glas Sekt (0,1 Liter) ca. 80 Kalorien
Bei „Drunkorexie“ hungert man also ganz bewusst, um die Kalorien einzusparen, die man mit Alkohol zu sich nimmt.
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Wer ist von „Drunkorexie“ besonders betroffen?
Alkohol auf leerem Magen führt gleichzeitig zu einem schnellen und kostengünstigen Rausch. Für viele Betroffene ist das häufig ein zusätzlicher Bonus. Damit steigen aber auch die Risiken von Alkoholvergiftung, Kontrollverlust, Gewalttaten und sexuellen Übergriffen, warnt das Berliner Beratungszentrum Dick und Dünn e.V. auf seiner Website. Nach seinen Informationen ist „Drunkorexie“ vor allem bei jüngeren Frauen zwischen 16 und 26 Jahren weit verbreitet. Doch auch bei den 25- bis 35-Jährigen habe schon jeder Fünfte Erfahrungen mit „Drunkorexie“ gemacht – Männer inbegriffen.
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Mögliche Auslöser von „Drunkorexie“
In den vergangenen 12 Monaten sind gleich mehrere Studien zu „Drunkorexie“ veröffentlicht worden, unter anderem von der University of South Australia und der Universität La Sapienza in Rom. Wie das Ärzteblatt berichtet, hatten italienische Entwicklungspsychologen 513 männliche und 334 weibliche Personen im Alter von 14 bis 22 Jahren befragt. Dabei haben sie herausgefunden, dass „Drunkorexie“ mit geringem Selbstwertgefühl, Unsicherheit und Perfektionismus einhergeht.
Diese drei Merkmale sind zugleich gängige Ursachen von Essstörungen, wie sie beispielsweise in den Oberbergkliniken behandelt werden. Der Verbund privater Fachkliniken im Bereich Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie schreibt dazu: „Dem in unserer Gesellschaft so wichtigen Schönheitsideal zu entsprechen und dafür alles nur Erdenkliche in Kauf zu nehmen, ist wahrscheinlich der Hauptgrund dafür, weshalb Drunkorexie sich immer weiter verbreitet. Dass dies allerdings der Beginn einer ernst zu nehmenden Essstörung sein kann, ist den Wenigsten bewusst.“
Was anfangs also als einfache Strategie begann, trotz „Bechern“ sein Gewicht zu halten, kann sich zu einer echten Magersucht entwickeln.
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Fatale Folgen: „Drunkorexie“ kann tödlich sein
Mangelernährung allein kann den Körper bereits enorm schwächen. In Kombination mit hohem Alkoholkonsum besteht die Gefahr, chronisch zu erkranken, warnt der Verbund der Oberbergkliniken: „Vor allem lebenswichtige Organe, wie Leber, Gehirn und Herz, werden hierbei stark belastet.“ Der dringende Appell der Mediziner lautet: „Drunkorexie kann ernste Folgen mit sich bringen, sowohl auf kurze als auch auf lange Sicht, im schlimmsten Fall können diese sogar tödlich enden – auch wenn die sogenannten Drunkorexics glauben, es sei eine sinnvolle Maßnahme, um einer Gewichtszunahme entgegenzuwirken.“